EM-Journal ´08 Tag 8

15. Juni 2008

Ausscheidungsrennen am Beispiel der Gruppe D. Am letzten Spieltag der 2. Runde der Gruppenphase bei dieser Euro stellte sich eigentlich nur eine Frage: Wer ist hinter Spanien die zweite Kraft in der Gruppe D? Schweden oder doch Russland.
Die Antwort nach den beiden heutigen Spielen: Lässt sich nicht wirklich sagen. Gut, dass es am Mittwoch zu einem Finale zwischen diesen beiden Teams kommt. Dass mit dem Ausscheiden des vierten Teams in dieser Gruppe das vorige Jahrhundert auch im Fußball endgültig verabschiedet wurde, das ist nur ein schöner Nebeneffekt.

Und dass Spanien nicht mehr ganz so oben am Zettel der im Finale erwarteten steht, das hat sich an diesem Tag auch gezeigt.

Aber der Reihe nach.

 
 
Spanien gegen Schweden, 2:1. von Martin Blumenau
 
Irgendwie wirkte das spanische Team ein wenig müde, geistig ausgelaugt. Dass der noch nicht komplett wiederhergestellte Iniesta nicht noch so eine Sensations-Partie abliefern konnte, war klar, aber auch Xavi, die Außenverteidiger, Senna oder auch Superman David Villa blieben hinter ihren Leistungen vom Russland-Spiel zurück.

Das merkte man daran, dass sie nach dem schnellen 1:0 so sehr zurück- und fast schon abschalteten, dass man nach dem doch recht schnellen Ausgleich der Schweden nur noch sehr schwer zurück ins Spiel fand.

Nur die Tatsache, dass sich die Skandinavier in der zweiten Halbzeit vor lauter Angst tendenziell versteckten und versuchten ein Remis über die Zeit zu bringen - also nichts mehr nach vorne unternahmen - und die Antriebskraft des heute überragenden David Silva auf der linken Seite und die gute Bank brachten Aragones' Mannschaft wieder zurück. Und mit dem Tor in der Nachspielzeit befreite sich Spanien dann vorzeitig in Richtung Viertelfinale.

Das war nicht ganz so souverän wie die Auftritte von Portugal und Holland, die auch jeweils von schnellen Toren profitierten - aber die Fähigkeit ein Spiel dann noch in der Schlussphase zu entscheiden, die sollte auch für weitere Aufgaben bewahrt werden.

Denn im Prinzip war ja noch alles da: das schnelle Zweimal-Berühren-Spiel, und das hochvariable Angriffspiel, die Fähigkeit in jeder Situation alles zu probieren, die Harmonie der Mannschaftsteile, die gute Kommunikation am Platz...

 
 
Interessant am Auftritt Schwedens
  war nicht so sehr die angstvolle Performance in der 2. Halbzeit, sondern der Blick auf ihre eingeschränkten Fähigkeiten in der Zentrale. Die Angriffe werden ausschließlich über die Flügel oder mit weiten Passes gefahren, die beiden unscheinbaren Hansln im Mittelfeld (Svensson und Andersson) passten sich diesem Spiel an, Freddy Ljungberg zog es oft in die Mitte, dafür war die Variante mit dem Stürmer Elmander auf der rechten Seite durchaus gelungen.

Die Vorsicht nicht in die gegen Russland anschaulich vorgeführten spanischen Super-Konter zu laufen, ist also nicht der einzige Grund für die doch deutlichen Schwächen dieser schwedischen Mannschaft. Sie ist auch, wenn der noch nicht für 90 Minuten bereite irrsinnige Zlatan am Platz steht, vorne im Angriff noch nicht allzu viel wert.

Auch mit der Einwechslung von Sebastian Larsson und (endlich, aber viel zu spät, also sinnlos) der von Kim Källström standen dann mehr als nur ein echter Kreativer Aufbauer auf dem Feld. Aber warum sollte es hier anders sein als bei Österreich oder anderen Mannschaften? Wenn der Auftrag an die Mannschaft keine Traute nach vorn beinhaltet, dann nützt auch das nichts.

Im übrigen war diese Partie eine von bisher ganz wenigen, in denen beide Mannschaften von Anfang bis Ende exakt im System blieben, nur das Personal wechselten. Das ist in Zeiten hoher taktischer Flexibilität aber kein Nachteil - es zeigt nur, wie sicher sich diese beiden Nationen über das sind, was sie da machen.

 
 
Russland schickt die Peinlichen heim,
  das war schon von dem Anpfiff irgendwie klar. Weil die russische Mannschaft, das Internatsteam des alten Herbergs-Vaters Hiddink die technischen und läuferischen Fähigkeiten dazu hatte, und weil die Peinlichen ja - da war ich mit sicher - auch bei ihrer letzten Chance noch peinlich sein würden.

Dass der letzte griechische Auftritt von Bedeutung bei dieser Euro dann nicht ganz so grässlich war wie befürchtet, lag an den Bemühungen einzelner Team-Mitglieder, nicht an Coach Rehhagel.

Der hatte zwar nominell ein 4-3-3 aufs Feld geschickt, aber welche Augenauswischerei war das denn! Sein sogenanntes Mittelfeld bestand aus dem Verteidiger Patsa und dem Treter Katsouranis, die sich angstvoll vor die Abwehr drückten und dem Kapitän Basinas ein Stückchen davor - allesamt Zerstörer und brave Wasserträger, keiner davon mit einem Funken Spielaufbau-Qualität gesegnet.

Rehhagel war also wieder mit sieben Defensiven auf den Platz gegangen, denen er drei echte Stürmer, eigentlich drei Mittelstürmer vorne hinstellte.

Das ist so schwachsinnig, dass es echt wehtut.
Natürlich hofft der Trainer, dass man halt eine Standard-Situation reinnudelt und sich dann hinten nichts einfängt - aber immer wie 04 geht das nicht. Und schon damals hat's gegen die Russen ja nicht funktioniert...
Natürlich kann man sagen, dass er darauf hoffte, seine Außenverteidiger (die noch besten Kicker in diesem Team) würden die Angriffe einleiten - aber nach der Verletzung von Seitaridis klappte auch dieses Argument in sich zusammen.

 
 
Rehhagel versaubeutelt es also wieder.
 
Erst ab der 40. Minute kam bei Griechenland ein Kreativspieler auf den Platz, der in der 1. Partie eh noch brauchbare Karagounis, der dann den Höllenjob hatte mehr oder weniger allein etwas zu bewegen, die Bälle der vielen Holzfüße hinter ihm anzunehmen und zu den drei einander eher im Weg stehenden Spitzen weiterzuleiten.

Dass er dabei hin und wieder Schüsse der Verzweiflung losließ - wen wundert's.

Typisch auch, dass Rehhagels Team durch den Fehler eines seiner Leibgardisten, den weit über seinen Zenith gelangtne Tormann Nikopolodis, in Rückstand kam. Nur ein Eigentor von Dellas, der neben dem eifrig kämpfenden Kyrgiakos wie bestellt und nicht abgeholt herumhampelte, wäre noch lustiger gewesen.

Wie dämlich diese Spielanlage ist, offenbarte eine mit der Catcam aufgenommene Szene, die Prohaska nach dem Spiel vorführte.
Da standen bei einem Angriff der Griechen nicht nur die vier hinten mit genau einem Gegenspieler, sondern auch die drei Mittelfeld-Spieler unbeteiligt und gegnerlos herum, während einer der Angreifer den Ball trieb und seine beiden Kollegen von in etwa 6 Russen problemlos in Schach gehalten werden konnten.
Wer schon in jüngeren Jahren reaktionären Fußball spielen lässt, sollte sich nicht allzu lange Zeit lassen in Rente zu gehen - gerade eine solche (Lebens)-Einstellung befördert grausame Abstürze.

mehr auf fm4.orf.at/blumenau/222960/main

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