FIFA-Schiedsrichter auf der Balkanroute: „Die kroatische Polizei behandelt uns wie Tiere“
Früher pfiff Ibrahim Rasool internationale Matches für den Weltfußballverband FIFA, arbeitete für den Afghanischen Fußballverband und machte unzählige Diploma und Weiterbildungen, die er mit Stolz auf seinem Handy zeigt. Dabei sind wir nicht in einem Vereinshaus voller Pokale oder auf dem Fußballfeld eines Stadions, sondern mitten in einer Zeltstadt auf einem Feld in der bosnischen Stadt Velika Kladuša.
von Petar Rosandić
Heute ist Fußball wohl seine geringste Sorge: Der internationale FIFA-Schiedsrichter für Futsal kämpft, wie viele schutzsuchende Menschen auf der Balkanroute, wortwörtlich ums Überleben. Er flüchtete mit seinem Bruder aus Kabul vor den Taliban und lebt heute in einem wilden Familiencamp in Bosnien - ohne Strom, Wasser und Heizung. Und trotz der Lage in Afghanistan auch ohne die Aussicht, endlich in ein Asylverfahren in einem EU-Land zu bekommen. Immer wieder versuchte er, den Weg in die EU und durch Kroatien zu schaffen, scheiterte aber - wie die meisten Geflüchteten - viel zu oft an der kroatischen Grenzpolizei, die Menschen systematisch immer wieder nach Bosnien zurückschiebt.
„Sie sehen uns nicht als Menschen an und das zeigen sie mit ihrer Brutalität. Sie behandeln uns wie Tiere, sie schlagen die Leute, geben ihnen Tritte, nehmen dir das Handy und all dein Hab und Gut weg und schicken dich wieder nach Bosnien, dort wo du gestartet bist“, erzählt der Schiedsrichter von seinen Versuchen, die grüne Grenze nach Kroatien zu übertreten. Die Geflüchtete selbst nennen diese Versuche selbstironisch „The Game“ und meinen dabei vor allem das Katz-und-Maus-Spiel, von der kroatischen Polizei nicht erwischt zu werden und danach wieder in Bosnien zu landen.
Vater von Taliban gekidnappt
Nach Afghanistan zurückzukehren kommt für den FIFA-Schiedsrichter wohl nicht mehr in Frage, vor allem nachdem sein Vater von den Taliban gekidnappt wurde. „Alle, die etwas mit internationalen Organisationen am Hut hatten oder mit den alten Strukturen gearbeitet haben, sind gefährdet. Meine Mutter weiß nicht, wo mein Vater gelandet ist nachdem ihn die Taliban aufgeschnappt haben. Ihr könnt das nicht verstehen, wie die Taliban sind. Die Taliban sind alles außer Menschen“, sagt er uns mit trostloser Stimme.
Was mit den 531 Menschen in Ibrahims Camp - darunter zahlreiche Babys, Kinder und Familien - beim Wintereinbruch passieren soll, weiß noch keiner. Die Alarmglocken in Europa werden wohl wieder erst dann läuten, wenn Camps zu brennen beginnen oder Gruppen von Afghanen barfuß durch den Schnee gehen. Wir sind mittlerweile das dritte Jahr auf der Balkanroute humanitär aktiv und es ist erschreckend, dass die Winter von Jahr zu Jahr schlimmer werden und die europäische Politik weiter passiver Zuschauer der Geschehnisse in Bosnien ist, die sie selbst mittels illegaler Push-Backs und Routenschließer-Politik hervorruft.
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