Let's be Spießer

30. Oktober 2014

Der Vorschlag, Kiffer zu entkriminalisieren, ist richtig und gut. Weniger gut ist dagegen, wenn sich Nichtkiffer und Nichttrinker für ihre Enthaltsamkeit rechtfertigen müssen.

Eins vorweg: Cannabis zu legalisieren ist längst überfällig geworden. Nach Angaben des Neos-Chefs, Matthias Strolz, gibt es in Österreich 500.000 Kiffer, die zu Unrecht kriminalisiert werden. Durch eine Legalisierung würde sich die Grundlage des Dealertums in Luft auflösen. Bis hier nachvollziehbar. Unlogisch ist für mich, dass die hohe Zahl an Konsumenten als Hauptmotiv für eine Legalisierung herangezogen wird, statt mit der relativen Harmlosigkeit einer (nicht ganz so ungefährlichen) weichen Droge, die  anderen Menschen keinem Schaden zufüge. Nach dieser Logik müssten wir – wie Wolf angemerkt hat – Vorschriften abschaffen, an die sich auch viele Leute nicht halten, z. B. Geschwindigkeitsobergrenzen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Welche Folgen das hätte, brauchen wir uns nicht vorzustellen.

 

Rechtfertigungszwang

Schnell heißt es nun, Wolf sei ein Spießer, weil er sich gegen eine Mehrheit stelle und selber nie gekifft haben soll. Mit großen und erstaunlichen Augen reagieren heute viele, wenn jemand nie in seinem Leben getrunken oder gekifft hat. „Waaas? Du trinkst keinen Alkohol?“ „Ey, du hast wirklich noch nie gekifft?“ Nicht selten muss ich mich nach solchen Fragen rechtfertigen. Aufgrund meines südländischen Aussehens geht man schnell davon aus, dass das mit religiösen Gründen zusammenhängen muss. Wohl angemerkt: Ich bin Atheist, kulturlos und gesundheitsbewusst. Wenn ich aufs rauchen, kiffen und saufen verzichte, dann aus gesundheitlichen Gründen  und in meinem Fall ist meine Nervenkrankheit das entscheidende Motiv.

 

Über zwei Millionen Suchtkranke in Österreich

Die Motive von Drogengegner sind auch nachvollziehbar. In Österreich gibt es laut Erhebungen rund 1,6 Millionen Nikotin-, 330.000 Alkohol- und 120.000 Arzneimittelabhängige. Die Zahl der Drogenabhängigen mit problematischen Suchtmittelkonsum wird auf zwischen 22.200 und 33.500 Personen beziffert (Stand: 2010). Im Jahr 2008 wurden 97 Prozent aller Todesfälle, direkt mit Drogenkonsum in Verbindung gebracht. Bruder Alkohol ist hierbei Spitzenreiter. Die Forderung der Neos-Jugendorganisation Junos, alle Drogen zu legalisieren, ist daher mehr als bedenklich.

 

Zudem ist es höchst befremdlich, wenn auf der einen Seite  die Entkriminalisierung von weichen Drogen gefordert und auf der anderen Seite Sich-in-Askese-übenden-Menschen misstrauisch beäugt werden. Irgendwie eine verkehrte Welt.

 

Sollte es doch irgendwann eine Norm sein, dass Nichtkiffer und Nichtsäufer, die auf ihre Gesundheit, auf ihr Wohlbefinden, auf ihr Inneres und Äußeres, auf ihr Denkvermögen und auf ihre Fitness sehr hohen Wert legen, als Spießertum definiert werden, dann sage ich zu mir und zu Gleichgesinnten gerne: „Let’s be a Spießer!“

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