ost-special: Ohne Respekt, kein Geschäft

10. März 2011

Ost- und Südeuropa lockt österreichische Unternehmen mit scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten und enormem Wachstumspotenzial. Damit aber kulturelle Gräben und Mentalitätsunterschiede nicht im Weg stehen, ist Offenheit und Sensibilität gefragt.
Interkulturelle Kompetenz heißt das Zauberwort.

Von Christina Aumayr-Hajek

Expatriates kurz Expats, werden jene Fachkräfte genannt, die von einem internationalen Unternehmen in eine ausländische Zweigstelle entsandt werden. In der Regel bleiben Expats ein bis vier Jahre im Ausland und werden dann von ihren Konzernen wieder zurückgeholt, um nicht komplett ihren heimischen Anker zu verlieren. Manager also, die kompetent, mobil, offen und flexibel genug sind, mit Sack und Pack in ein anderes Land zu übersiedeln.
Was aber müssen diese Expats, neben fachlichen Qualifikationen und sozialer Kompetenz im Umgang mit Menschen, mitbringen, um im Ausland erfolgreich zu sein? Gert Herold, Managing Partner von Stanton Chase und laufend mit der Suche fähiger Expats betraut, sagt dazu: „Wesentliche Skills eines Expats sind Landes- und Sprachkenntnisse, Empathie und Entscheidungsfreudigkeit. Die Märkte in diesen Ländern funktionieren anders als bei uns. Hier ist ständiges Improvisieren und Kreativität gefragt.“ Gerade der Arbeits- und Kommunikationsstil der Österreicher sei etwa jenem der Serben nicht unähnlich und ab Ostösterreich herrsche ohnehin mentalitätsmäßiger Gleichklang.

 

 

Beziehung vor Business
Ohne Respekt und Wertschätzung scheitert am Balkan der beste Business-Plan. So stellen zum Beispiel Westeuropäer häufig den Zweck über die Mittel, das stößt aber Osteuropäer vor den Kopf.

In Ländern wie Serbien, Rumänien und der Türkei läuft ohne eine gute Beziehungsebene nichts – keine Vertrauensbasis, keine Freundschaft und schon gar kein Geschäft. Westeuropäer können wunderbar Geschäft ganz ohne Freundschaft einfädeln, Osteuropäer tun sich damit schwer. Ein Umstand, der historisch gewachsen ist: Am Balkan war und ist ein starkes Beziehungsgeflecht überlebensnotwendig. Wo staatliche Strukturen und Institutionen fehlen, sorgen private Bande für Stabilität. Persönliche Netzwerke haben in diesen Ländern einen höheren Stellenwert als bei uns – auch im Wirtschafts- und Arbeitsleben. Deshalb sieht Darko Miloradovic, Mitglied der Geschäftsleitung von NOA, vor allem die Integrationsfähigkeit der Expats gefordert: „Manager, die immer nur tageweise am Balkan sind, bekommen kein Gefühl für das Land. Führungskräfte müssen in den kulturellen Gebräuchen und Gepflogenheiten dieser Länder zu Hause sein und sich ihre sozialen Netzwerke aufbauen, um erfolgreich zu sein.“ Und nur wer die Zeitgeschichte eines Landes kennt, kann gesellschaftliche Zusammenhänge und kultrelle Verhaltensweisen verstehen.

Kommt etwa in Rumänien nach erfolgreichem Beziehungsaufbau ein Geschäft zustande, muss dies nicht unmittelbar in einen Vertrag gegossen werden. Was zählt, ist der Handschlag und stimmt die Beziehungsebene, ist auch darauf Verlass. Internationale schriftliche Verträge haben natürlich auch in Rumänien Gültigkeit, aber Papier hat hier einen anderen Beigeschmack. In einem ehemals totalitären System ist Papier nicht unbedingt ein Symbol für Rechtsstaatlichkeit. Auf Papier wurden Urteile geschrieben und schriftliche Belege wurden Menschen zum Verhängnis.

Serbien: Schmerzhafte Veränderungen
Neben dem Wissen um Kultur und Geschichte ihres Gastlandes sind Expats auch gefordert, wenn es darum geht, sich auf wirtschaftlich wie politisch neue Verhältnisse einzustellen. Werner Herics war von 2007 bis 2010 Geschäftsführer aller WAZ-Verlagsbeteiligungen in Serbien. Als Vorstand bei Politika Newspapers and Magazines in Belgrad und als Aufsichtsratsvorsitzender der „Dnevnik Vojvodina Press“ in Novi Sad hatte Herics damals die Restrukturierung dieser Verlage inklusive betriebswirtschaftlicher Kündigungen voranzutreiben. „Als Führungskraft einen Personalabbau zu verantworten, ist nie
angenehm, aber in einem Land ohne soziale Sicherungssysteme, wie wir sie aus Österreich kennen, ist das eine andere Dimension. Hierzulande bedroht Arbeitslosigkeit nicht automatisch die familiäre Existenz. Das ist in Serbien anders, denn nach sechs Monaten stehen diese Menschen mitunter vor dem wirtschaftlichen und finanziellen Nichts und neue Jobs sind nicht in Sicht“, sagt Herics.

Die Wirtschaftskrise trifft osteuropäische Länder ganz massiv, etliche Firmen sind derzeit am Rande der Liquidität und es ist für Unternehmen extrem schwer, an Kredite zu kommen. Es fehlt an Investoren, an Industrie und an einer ausgeprägten Exportwirtschaft. Die Goldgräberstimmung der Jahre 2005 und 2006 sei vorbei, derzeit überwiegt der Konsolidierungskurs.
kulturelle Verhaltensweisen verstehen.

Rumänien: Privates gehört zum Beruf
Das macht sich auch in Rumänien bemerkbar. „Die Folgen der Wirtschaftskrise werde Rumänien noch ein bis zwei Jahre spüren, danach wird sich das dortige Wirtschaftswachstum stabilisieren und sich bei moderaten Werten einpendeln – mit immer noch ausreichend Potenzial für ausländische wie inländische Unternehmen“, erklärt dazu Boris Schneider, Honorarkonsul von Rumänien und Generaldirektor der größten rumänischen Versicherungsgesellschaft ASIROM.
Gerade in Rumänien waren österreichische Unternehmen bisher extrem erfolgreich, mehr als 6000 Firmen sind derzeit vor Ort tätig. Prinzipiell rät Schneider Investoren, nicht mit zu großen Erwartungen in wirtschaftliche Kooperationen zu gehen. Um in Rumänien erfolgreich zu sein, müsse man die dortigen Netzwerke kennen und verstehen.

Starke Netzwerkpflege sieht auch Hans Zepic gefordert: „Das gesamte Alltagsgeschäft gestaltet sich in Rumänien informeller als bei uns. Es gibt dort kein berufliches Gespräch ohne sich vorher über Privates auszutauschen, um Vertrauen herzustellen. Und während man in Österreich stärker nach Profilierung strebt, wollen Rumänen im Job oft nicht auffallen und teilen Verantwortung gerne mit anderen“, erklärt Zepic, Manager der OMV-Tochter Petrom, die Nachwirkungen des Kommunismus.

 


Türkei: Taktgefühl vor Tempo

In der Türkei finden österreichische Unternehmen attraktive Expansions- und Arbeitsbedingungen vor, entsprechend viele Firmen sind bereits vor Ort. Doch auch hier treffen, gerade was die Kommunikation und den sozialen Umgang betrifft, zwei Welten aufeinander.

„Für technokratisch ausgebildete Westeuropäer ist es oft schwierig, hinter die Kulissen zu blicken und das Unausgesprochene zu erspüren. Das hat nichts mit Esoterik zu tun, sondern damit, dass in der türkischen Kultur durch die Blume kommuniziert wird, und die Dinge selten direkt angesprochen werden. Direkte Meinungsäußerung ist in der deutschsprachigen Kultur ein Zeichen von Ehrlichkeit, in der türkischen Kultur gebietet es die Höflichkeit, der Meinung anderer nicht offen zu widersprechen“, erklärt Caglayan Caliskan, der seit Jahren als interkultureller Strategieberater österreichische und deutsche Unternehmen in der Türkei betreut.

Um diese unterschiedlichen Verhaltensweisen muss ein Expat wissen, ansonsten sind Missverständnisse und Konflikte vorprogrammiert. Denn während Europäer etwa gerne schnell zum Ziel kommen und die Sache mehr zählt als die Beziehung, halten es die Türken genau andersherum: Taktgefühl und persönlicher Austausch gehen vor Tempo. „Es ist ganz einfach, entweder wir machen Geschäfte mit unseren Freunden, oder wir machen unsere Geschäftspartner zu unseren Freunden – es gibt keine andere Möglichkeit. Das hat nichts mit Freunderlwirtschaft zu tun, aber wir wollen wissen, mit wem wir es zu tun haben“, so Caliskan über die Beziehungsorientierung seiner Landsleute.

Sensibilität ist auch zum Thema Gesichtsverlust in der Öffentlichkeit gefragt. Hier können bereits die Fragen in großer Managerrunde zu gekränktem Stolz führen, wenn die Fragen eines Vorgesetzten nicht beantworten werden können. Das wird von türkischen Mitarbeitern als öffentliches Bloßstellen verstanden“, erklärt Helmut Wltavsky, Integrationsmanager der OMV in Istanbul.

„Durch die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen fühlt man sich hier sofort wohl. So steht das türkische arkadaş sowohl für Freund als auch Kollege“, beschreibt OMV-Kollege Fabian Wedam, Finance Integration Manager der Petrol Ofisi, die Mentalität der Menschen in der Türkei.

 

 

Vorbereitung hilft
Wedam ist mit seiner Familie für sein OMV-Mandat nach Istanbul übersiedelt und hat zuvor wie seine Kollegen Zepic und Wltavsky das interkulturelle Trainingsprogramm der OMV absolviert. Abgehalten werden diese Trainings von Beratern aus den jeweiligen Gastländern. Das interkulturelle Training soll den Expats dabei helfen, kulturelle Codes zu entschlüsseln und Hintergründe zu verstehen. Denn das das Wissen und Verständnis darüber, erspart den Managern viel eigenen Frust und vor allem die Ablehnung und den Widerstand ihrer Mitarbeiter vor Ort.

Die Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz kann aber auch schon im heimischen Alltag beginnen. So ist ein Besuch bei der jeweiligen Botschaft des Landes ratsam, um sich vorzustellen und hilfreiche Kontakte zu erfragen. Gerade Ost- und Südeuropakompetenz kann man sich in Österreich bestens aneignen. Allein in Wien leben 110.227 Serben, Montenegriner und Kosovaren, 19.673 Rumänen und 73.205 Türken (Quelle: Statistik Austria, Stand 1.1.2010). Jede Menge Gelegenheit also, um in diese Communitys einzutauchen! Die Fähigkeit sich mit einer fremden Kultur auseinanderzusetzen und einen offenen Geist braucht es in jedem Fall – hier wie dort.

Bereich: 

Kommentare

 

Ich bin dir furchtbar dankbar für deinen Artikel, nicht nur weil er schön geschrieben wurde sondern auch, weil er zu mehr offenerem Umgang und Kennenlernen der jeweiligen Kultur einlädt.
Eine kleine Anmerkung bezüglich Türkei und durch die Blume sprechen habe ich noch, in Wien ist es ebenso durchaus üblich durch die Blume Meinungen und Einstellungen mitzuteilen.

Das könnte dich auch interessieren

Empowerment Special, Helin Kara, Zieh dich mal an wie eine richtige Fau
Oversized Klamotten sind voll im Trend...
Empowerment Special, Luna Al-Mousli, Sei netter zu den Österreichern
  Von Luna Al-Mousli, Fotos: Zoe...
Empowerment Special, Banan Sakbani, Wenn Blicke stärken
Banan Sakbani kennt das Gefühl, für ihr...

Anmelden & Mitreden

3 + 0 =
Bitte löse die Rechnung