"Was bedeutet Kreditwürdigkeit?", fragte Papi die 11-jährige Tochter

22. Dezember 2010

Stellt euch folgende Situation vor: Ihr steigt in die U-Bahn, nachdem ihr gerade 2 Stunden Rechnungswesen hattet. Ihr setzt euch hin, in der Hoffnung, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen und verschont zu bleiben von Begriffen wie "Kassabuch" oder "Kostenrechnung". Und was passiert? Neben euch platziert sich ein Mann mittleren Alters, gegenüber ein Mädchen, das höchstens 10 ist. Und auf einmal fängt der Herr neben euch an, vom Finanzamt zu reden.

 

Anfangs dachte ich, er telefoniert, aber als er dann eine Frage gestellt hat, überriss ich erst, dass er mit der Kleinen redet. "Also, welche Abgaben gehen ans Finanzamt und wann?" Und das Mädchen redet halt drauf los (kein Plan was, hatte genug von Rechnungswesen). Schön und Gut. Mein erster Gedanke war, dass er sie aufzieht und, dass sie ihm eins ausgewischt hat, weil sie die Antwort (bei einem seiner Telefonate aufgeschnappt hat?!) wusste. Aber auf einmal fing der Typ an, sie Sachen zu fragen wie "Was ist die wichtigste Regel in der Buchhaltung?" oder "Mit welcher Begründung setzt du einen Preis an?" Krank, oder? Ich meine, sie war wirklich blutjung, sie war allerhöchstens 11 !! Als sie ihm nicht beantworten konnte, was denn die wichtigste Regel sei, wurde er total ungut und kam mir eher vor wie ihr Lehrer, der sie gerade abprüft. Oder eher wie einer MEINER Lehrer, der mich gerade abprüft. Dann ging es weiter mit der Kreditwürdigkeit und auf was die Bank genau achtet, bevor sie einen Kredit hergibt. Ich meine, es ist sicher nicht schlecht, Kinder früh mit der Realität zu konfrontieren, aber das ist doch total übertrieben?! Er hat das nicht auf lockere Art und Weise gemacht, sie stand unter Druck - das merkte ich an ihrer Mimik und Gestik. Seine nächste Frage war, wie ein Kassabuch funktioniert und was der Kassastand am Ende jeden Tages ist und hat mit irgendwelchen Rechnungen angefangen..

 

Ich bin dann (Gott sei Dank) ausgestiegen und habe nicht mitbekommen, was denn nun die Lösung der Rechnung ist. Mir tut das Mädchen aber definitiv Leid, viel hat sie anscheinend nicht von ihrer Kindheit... Mich hat in ihrem Alter nicht interessiert, welche die wichtigste Regel in der Buchhaltung ist.

Kommentare

 

Zu deiner Erzählung fällt mir folgendes ein was mir meine Mutter vor über 20 Jahren erzählt hatte.

Zur Vorgeschichte: Meine Mutter arbeitete als Kindermädchen bei einer sehr konservativen jüdischen Familie und passte auf die 6 und 10 jährigen Kinder auf.

Sie war etwas bestürzt, weil die Kinder kaum Spielsachen, oder zumindest nicht solche Spielsachen hatten wie wir anderen Kinder in dem Alter. Keine Aktionfiguren, keine Fussbälle oder Rennautos von Matchbox. Bücher gab es aber zuhauf. Die Kinder vertrauten ihr an, das sie 10 Stunden an Tag alles mögliche lernen mussten. Der 10-jährige sprach fließend 6 Sprachen, konnte Rechnungswesen und und und...

Ich dachte mir nur: "Schön, die werden es weit bringen. Dafür ist ihre Kindheit im Arsch." Die Kinder baten schließlich meine Mutter einige Spiele für ihren Computer zu schmuggeln, denn spielen auf dem Computer war auch streng verboten. Ich gab ihnen meine Kopien von "Monkey Island" bis "Pinball", alles was so bei mir herumlag. Ein bisschen Rebellion meinerseits gegen ihre strengen Eltern. Ich hoffe ich konnte den beiden damals wenigstens etwas Spass geben ;-)

Aber der Eindruck der Geschichte ist geblieben.

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Sich zu verstellen ist simple Selbsttäuschung.

 

ich frage mich, wie viele der wirtschaftsbosse-freaks so eine kindheit gehabt haben. alle? :-S

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