"Wenn Bosnien ein Tor schießt, darfst du dich nicht freuen. Ansonsten kommst du ins Gefängnis!"

10. März 2009

Die bosnische Fußball-Nationalmannschaft ist nicht nur in der Heimat ein besonders heißes Thema. Auch im Ausland sorgen die Kicker von Miroslav "Ciro" Blazevic für viel Gesprächsstoff mit scharf. Die Fans sind vom bosnischen Fußballverband schwerst enttäuscht, doch in so einer Situation wie dieser denkt man sich: Jetzt erst recht!
      Worum geht's konkret? Am 28. März, das heißt in etwas mehr als 2 Wochen, spielt Bosnien gegen Belgien. An und für sich nix spezielles, würds nicht um etwas ganz Besonderes gehen. Denn wer hier gewinnt, hat allemal die Chancen sich für die Playoffspiele für die WM 2010 in Südafrika zu qualifizieren. Wer hier als Verlierer vom Platz geht, kann schon mal seine Hoffnungen für Südafrika begraben. Von dem her ist es klar, dass kaum ein Bosnier das "Spiel des Jahrzehnts" verpassen möchte. Jeder möchte mit dabei sein, wenn Edin Dzeko,Zvjezdan Misimovic&Co. in Belgien zum Sturm blasen. An und für sich ist das ja nichts ungewöhnliches - möchtest du dabei sein, kaufst du dir einfach eine Karte. Tja, so einfach wird's den bosnischen Fans aber nicht gemacht!
      Die Geschichte ist schnell erzählt: Die hohen Funktionäre in Bosniens Fußballverband sind klassische Sesselkleber, die vom Fußball keine Ahnung haben - weder theoretisch, noch praktisch (das heißt, dass sie noch nie in ihrem Leben gegen einen Ball getreten haben). Schaut man sich die anderen Fußballverbände an, die aus Ex-Yu enstanden sind, so ist es selbstverständlich, dass ehemalige Fußballgrößen die Spitzenfunktionen im jeweilgen Verband inne haben. So ist Slaven Bilic kroatischer Nationaltrainer, oder Dejan Savicevic Präsident des montegrenischen Fußballverbandes. Doch wer sind Iljo Dominkovic oder Munib Usanovic? Tja, das sind Leute, die den ohnehin angeschlagegen bosnischen Fußball noch weiter ins Verderben stürzen. Daher ist es nur allzuverständlich, dass die bosnischen Fans - allen voran die größte bosnische Fangruppe BH FANATICOS, gegen diese Personen "rebellieren". Gut, rebellieren mag vielleicht zu heftig ausgedrückt sein, aber sie zeigen desöfteren ihren Unmut gegenüber diesen Personen. So stehen bengalische Feuer bei Auswärtsspielen (bengalische Feuer sind grundsätzlich in allen Stadien verboten) an der Tagesordnung. Ziel dieser Aktionen: Den Verband dazu zu zwingen saftige Strafen an die UEFA bzw. FIFA zu überweisen. So lang bis es ihnen zu blöd wird und die Sesselkleber freiwillig zurücktreten und den Weg für bosnische Fußballgrößen wie Elvir Bolic, Sergej Barbarez oder Ivica Osim freimachen. Doch wer weiß wann das geschehen wird. Vor kurzem ist bekannt geworden, dass der Posten des Generalsekretärs, den Munib Usanovic innehat, erneut an diesen vergeben wird. Wenn er so weitermacht wird er wohl bald Titos Rekord in dieser Position übertreffen. Und so lange Personen wie Usanovic an der Macht sind werden sich Fangruppen wie die FANATICOS nicht beruhigen. Ich persönlich distanziere mich zwar von solchen Aktionen, da ich denke, dass sie letztendlich sinn- und zwecklos sind. Denn die gewissen Herrschaften werden ihre Stühle nicht räumen und was das rein sportliche betrifft, könnte es der UEFA bzw. der FIFA auch zu blöd werden. Konsequenz: Bosnien wird einige Spiele vor leeren Tribünen spielen müssen (was eigentlich unvorstellbar ist in Bosnien) oder es trifft sie noch härter und sie werden (bei wiederholtem Verstoß gegen die Stadionregeln) gar von einem Bewerb ausgeschlossen!
      Doch was hat das Ganze mit Belgien zu tun? Es ist offensichtlich, dass der Verband bzw. die Funktionäre Angst vor Unmutsäußerungen der Fans haben. Mit gezielten Maßnahmen möchte der Verband immer weniger Fans bei der Auswärtsspielen der bosnischen Mannschaft sehen. Doch wie ist das zu bewerkstelligen? Was hat sich der liebe Herr Usanovic einfallen lassen? Seine Idee war ein besonderer "Vertrag". Doch eines vorweg: Wer das "Spiel des Jahrhunderts"; das in Genk ausgetragen wird, nicht verpassen möchte und Bosnier ist, bekommt pro Person maximal vier Karten NUR für den Sektor, der für die bosnischen Fans reserviert sind. Insgesamt geht's dabei um ca. 3800 Karten. In einem Abkommen des belgischen und des bosnischen Fußballverbandes darf NUR der bosnische Verband Karten an seine Fans ausstellen. Über den belgischen Verband gibt's für bosnische Fans GARNIX. Denn, so Usanovic: "Der bosnische Verband ist nur für jene Fans verantwortlich, die auch über den Verband die Karten bekommen. Der Rest geht uns nichts an, daher gibt's für den Rest auch keine Karten!" Wer denkt, dass es mit einem Anruf oder persönlichem Vorbeischauen im Verband getan wäre, der irrt: Man muss sich für eine Karte fürs Belgien - Match zunächst "bewerben". "Bewerbungsunterlagen", die innerhalb einer bestimmten Frist beim bosnischen Verband eingereicht werden mussten: Passkopie, Meldezettel, Kopie eines bosnischen Personalausweises etc. etc. Doch damit war's auch nicht erledigt! Denn nach einer Woche würde der Verband einen telefonisch kontaktieren um ihm mitzuteilen, ob die "Bewerbung" erfolgreich war oder nicht. Doch der ganze Witz daran: Auf dem "Bewerbungsformular" war kein einziges Feld, das nach der Telefonnummer verlangte. Tja...einige die nicht nachgedacht haben, haben leider umsonst ihre Zeit verschwendet. Einige, die ganz gescheit waren, haben sich diesbezüglich beschwert. Letztendlich kamen auf eine Art und Weise (keiner weiß auf welche) um die 3000 Fans zu ihren Karten.
       Doch jeder, der die fußballverrückten Bosnier kennt, weiß, dass mindestens das dreifache an Fans in Belgien sein wird. Weiters gibt es genug Bosnier, die aus diversen Gründen einen schwedischen, österreichischen, holländischen, US-amerikanischen - oder sonstigen Pass haben. Und der Verband wusste sehr wohl um diese Herrschaften Bescheid. Vorab wollte man auch dieses "Problem" aus dem Weg räumen: Die Karten, die beim belgischen Verband zu kaufen waren, konnte man als belgischer Fan oder als "Neutraler" NUR PERSÖNLICH im Haus des belgischen Fußballverbandes in Brüssel kaufen. Zusatz: Jeder der Österreicher/Schwede/Belgier/sonstwas mit bosnischen Wurzeln ist, musste einen "Vertrag" unterzeichnen, in dem geschrieben steht, dass man nicht in den Landesfarben der "eigentlichen" Heimat ins Stadion kommt und keine Symbole oder Zeichen Bosniens an sich trägt. Man "outet" sich im Vertrag als Unterstützer der belgischen Nationalmannschaft und nimmt zur Kenntnis, dass man sich, insofern Bosnien ein Tor erzielt, "nicht freuen darf". Verstößt man gegen den Vertrag drohen administrative Strafen und in "schweren" ("schwer" ist hier nicht näher definiert) Fällen sogar Freiheitsentzug!
       Den Diaspora-Bosniern war das sowas von egal und mittlerweile ist das Spiel fast ausverkauft. Laut belgischen Nachrichten ist jede zweite Karte, die für dieses Match abgesetzt wurde, von einem Menschen mit bosnischem Hintergrund gekauft worden. Und wenn ins Stadion ca. 25000 Leute passen, kann man sich denken, wie es dann aussehen wird, wenn Bosnien ein Tor schießt. 13000 Leute wird man nicht gleichzeitig aus dem Stadion werfen können, ausser man bricht das Spiel ab :-)

Naja, sei's drum, ich bin auf jeden Fall zu meinen Tickets gekommen. Wie ist dabei nicht entscheidend. Auf jeden Fall freue ich mich und ich will einfach nur guten Fußball sehen. Wenn möglich mit einem Sieg meiner Mannschaft. Selbst wenn sie nicht gewinnen, kann ich sagen, dass ich beim "Spiel des Jahrzehnts" dabei war. Denn mich interessiert nur der Fußall und eine gute Atmosphäre. Und nicht irgendwelche absurden Vertragswerke, die genau das kaputt machen.

Kommentare

 

kommt mir alles so bekannt vor.

jetzt hat das zwar nichts mit dem match zu tun, aber mit dem saftigen fußballgeld, welches manche herrschaften für sich beanspruchen.

nach dem krieg war das fußballgeschäft eines der erfolgreichsten. in meiner stadt flossen förderungen für fußballmannschaften, bau eines stadions etc.
und leute, sesselfurzer, die bis dahin keine ahnung von fußball hatten, rochen den braten und wollten mit von der erfolgreichen partie sein.
es wurde viel geld für "pripreme" - vorbereitungstrainigs im ausland ausgegeben. wobei dort an schönen stränden, riesenbäuche mit von der partie waren, die sich als irgendwelche geschäftsmänner des fußballklubs ausgaben.

auf einmal interessierten sich so viele burschen für diesen sport, weil sie sahen, wie die fußballer mit geld überschüttet wurden und durch die stadt mit sporttaschen als arbeitskleidung unterwegs waren.
und egal, welche situation im land herrscht. für fußball scheint das geld nie knapp zu sein, weil die ??richtigen?? leute wissen, wo die kohle zu holen ist.
und die wird man einfach nicht los. es geht hier nicht um qualifikation, sondern um eine freundalwirtschaft, damit sie auf diesen sesseln bleiben.

bzgl. der karten. unfassbar. kann nur den kopf dabei schütteln, dass der verein eine derartige lächerlichkeit zumutet. aber überrascht mich irgendwie nicht.

 

Ich wünsche Bosnien viel Glück und ich hoffe dieses Spiel geht 0 zu 5 aus.
Mit solchen ominösen Verträgen kann man Fußball auch töten.

Ich dachte Fußball verbindet?

F R E C H H E I T ! -.-

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