Wenn "Stone-Washed-Jeans" zum Tod führen....

07. Februar 2009

Heute habe ich einen unglaublichen Beitrag im Fernsehen gesehen. Zunächst dachte ich mir, dass es wieder so ein "typischer" Report wird, doch ich sollte mich gewaltig täuschen. Im Nachhinein war ich mehr oder weniger schockiert.
      Die Geschichte ist rasch erzählt: Arbeiter in der Türkei werden dabei gefilmt wie sie jene Jeans herstellen, die wir tragen. Auftraggeber: Ein großer und sehr bekannter Jeanskonzern. An und für sich nix besonderes. Jedoch: Was machen die Arbeiter genau? Sie sind so genannte "Sandstrahler". Das heißt, dass sie Jeans mit einer bestimmten "Strahlenpistole" beschießen, die herkömmliche Hosen ausbleicht oder zu "Stone-Washed-Jeans" werden lassen. Der Sand, der aus der "Pistole" kommt ist aber nicht ganz ungefährlich, weswegen die Arbeiter mit einem Mundschutz ausgestattet sind, um ja nichts davon zu inhalieren. Ein Arbeiter warnt das Fernsehteam sogar: "Wenn ihr durch den Strahl läuft seit ihr tot!" Nicht nur der Strahl an sich ist lebensgefährlich, sondern die Strahlenreste. Denn der Sandstrahl erzeugt feinsten Sandstaub der sich ablagert. Das Inhalieren dieses Staubs führt zunächst zu Lungenbeschwerden. Die Arbeiter nehmen diese Beschwerden nicht ernst und setzen ihre Arbeit fort. Doch da wissen sie ja auch nicht, dass sie nur noch wenige Wochen (oder höchstens Monate - je nach Verätzungsgrad der Lunge) zu leben haben!
       Die Fabrik in Istanbul, die sich übringes in einem Keller befindet, ist nicht die einzige "Sandstrahlfabrik" in der Türkei. Es gibt noch viel mehr - und diesbezüglich auch eine hohe Dunkelziffer. Die Arbeiter, die alle um die 20 Jahre alt sind, verdienen für das Ausbleichen der Jeans um die 300 Euro monatlich. Doch was nützt es ihnen, wenn sie dafür ihr Leben lassen müssen? Der Mundschutz den sie während der Arbeit tragen ist billig und mehr Atrappe denn wirksamer Schutz. Überall lagert sich der Sandstaub ab - und die Arbeiter atmen ihn ein. Zwangsläufig führt das Inhalieren des Staubes zu der Lungenkrankheit "Silikose". Wenn man Wikipedia Glauben schenkt, so ist Silikose "eine Lungenerkrankung, die durch Inhalation und Ablagerung von mineralischem Staub, insbesondere quarzhaltigem Staub, verursacht wird. Es kommt zur Bildung von knotenartigen Bindegewebeneubildungen, die zu Vernarbung der Lungen, Luftnot, Husten und Verschleimung chronischer Bronchitis und später Tod durch Erstickung führen können."  Verglichen mit dem Fernsehbericht kommt das in etwa hin.
         In Istanbul bekommt das Fernsehteam einen Tipp in den Süden der Türkei zu fahren. Nach der genauen Angabe,gelangt das Team an einen fast geisterhaften, nur spärlich besiedelten Ort. Im Fernsehbericht wird von 60 Einwohnern - nur Männern - gesprochen. Nach eigenen Recherchen habe ich herausgefunden, dass das Dorf Ambarliköy heißt und in Südostanatolien liegt. Es leben zwar auch Frauen dort, doch den größten Anteil stellen die Männer (von denen es ungefähr 60 gibt). Die Männer sind nicht zufällig hier, sie haben alle einen gemeinsamen Grund: Sie befinden sich in Ambarliköy um zu sterben. Der Großteil von ihnen war in einer der Fabriken in Istanbul tätig und hat dort auch die schockierende Diagnose erfahren. Nun sind sie alle hierhergekommen und warten mehr oder weniger auf den Tod - und es ist nicht irgendein Tod. Die Männer werden qualvoll ersticken. Diebezüglich meint ein Arzt auf Anfrage: "Beim Bestrahlen der Jeans spalten sich die Sandkörner unter dem Hochdruck der Kompressoren. Dabei tritt Silizium aus, reagiert mit dem Sauerstoff und verwandelt sich in Quarz. Über die Atemwege gelangt das Mineral in die Lungen, die damit nicht fertig werden und den Körper nicht mehr mit Sauerstoff versorgen können. Keuchen, Gewichtsabnahme, Husten und Schwäche sind die Symptome, das Ende ist der Tod durch Ersticken."
           Den Männern in der Türkei ist mehr oder weniger nicht zu helfen. "Die Operation ist in der Türkei nicht möglich, eine Transplantation im Ausland für einen unversicherten Habenichts aus dem Südosten nicht einmal denkbar." Statistiken des türkischen Arbeitsministeriums bestätigen: Bis zu 10.000 Männern haben in den letzten 20 Jahren mit den tödlichen Sandstrahlern gearbeitet und die meisten sterben im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. 

Doch wieso wird dagegen nichts unternommen? Es gibt viele Sichtweisen das zu kritisieren. So kann man meinen: Ist das nun einmal der Kreislauf des Kapitalismus? Oder: Wir wissen nicht wie die Jeans hergestellt werden - wir sind lediglich die Konsumenten am Markt. Doch, ich wage zu behaupten, dass selbst wenn Leute wissen würden wie die Jeans hergestellt werden, sie diese dennoch kaufen würden. Denn dadurch, dass die Jeans gekauft werden, verschonen sie dennoch nicht das Leben des türkischen Arbeiters. Und dem großen Jeanskonzern ist's wurscht, denn hauptsache das Geld stimmt. Doch das ist ja das Erschütternde! Die Konzerne wissen unter welchen Bedingungen die Jeans gebleicht werden! Das muss sofort gestoppt werden!
     Es gibt zwar neuere Methoden, wie der Einsatz von Laserstrahlern. So werden die Jeans von Maschinen bestrahlt und es sind keine Menschenleben im Spiel. Doch diese Technologie ist natürlich sehr kostspielig, weswegen große Konzerne weiterhin zu der billigeren Variante greifen und die Jeans "per Hand" bestrahlen lassen. Gerade in der Türkei, wo in vereinzelten Gebieten eine extrem hohe Arbeitslosigkeit herrscht, kommt die Arbeit für die Menschen wie gerufen. Über mögliche Konsequenzen werden sie selbstverständlich nicht informiert. Dass hier die Regierung nicht ins Spiel kommt wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben. Hauptproblem: Die türkischen Behörden reagieren viel zu langsam, was auch daran liegt, dass der Graubereich der Wirtschaft nur sehr schwer zu kontrollieren ist.
 
Die ganze Situation wird von einem türkischen Mediziner beschrieben: "Es ist besonders empörend zu sehen, dass arme junge Leute sterben, um reichen jungen Leuten zu ermöglichen, der Mode von künstlich abgetragenen Jeans zu folgen." Doch was können wir "einfache" Leute dagegen tun?

Kommentare

 

SHOCKED!
Der letzte satz ist eigentlich der schlimmste...
"Doch was können wir "einfache" Leute dagegen tun?"

 

joj bruke. gestern hab ich nen kommentar dazu geschrieben. war so müde von der DA, dass ich nicht gut gespeichert hab.

also jetzt die kurzfassung:

überall wo man billig klamotten bekommt, klebt blut und steckt ausbeutung dahinter. hab doku über kik geschaut. 30euro monatslohn und ständiger sexueller missbrauch durch vorarbeiter an jungen mädchen in bangladesh.
wenn man sich aber die teuren sachen kauft? leistbar? nö!
vor allem, weil ich weiß, dass sogar markenklamotten nicht immer unter tollen arbeitsbedingungen produziert werden. in meinem nachbardorf wurden teile für gucci produziert. anschließend kommt nur das teure etikett drauf und fertig.

 

...

ist ja nicht nur in der modebranche, dass die armen wegen den vorlieben der reichen leiden müssen... na ja anscheinend ist das zu einem naturgesetz geworden...

schlimm+traurig

 

aber würdet ihr auf die modetrends verzichten?

diese weltläden, die anscheinend fair handeln, sind auch nicht gerade billig. dort kostet schon ein hüfttuch 30 euro.

auf der homepage von chris lohner gibt es caftans zu kaufen. ein caftan kostet 120 inkl mwst. , davon gehen 30 euro an LICHT FÜR DIE WELT.

chris lohner kauft die stoffe von den frauen in afrika. zahlt ihnen mehr geld, als sie dafür bekommen würden und lässt es zu caftans nähen.

wenn das die einzige möglichkeit wäre, dass man ausbetung von menschen in der kleiderindustrie verhindern könnte.
würdet ihr caftans tragen?

http://www.chrislohner.com/

 

ich zahl für eine diesel jeans oder pepe auch 150-210 euro, und die werden gott weiß wo und wie produziert..
das ist es ja, dass man so viel zahlt und trotzdem so eine scheisse abläuft, dass leute daran sterben..

 

in der türkei gibt es reiche als auch arme menschen. istanbul dageben ist einer der modernsten städte in der türkei. dort herrschen die größten märkte für textilien und mode. das problem ist nur, dass es dennoch zu viele nicht berufserfahrene menschen geben, die aus dörfern reisen um textilien zu produzieren. daraus folgt, dass die chefs das ausnützen und natürlich nicht nach teueren, sicheren bleichmitteln greifen sondern so billig wie möglich wie hier auch erwähnt wurde, der sandstrahl höchstpersönlich. das was hier erklärt wird sind nun mal chemikalien, die durch das billigsein für die arbeiter bei der produktion schädlich sind. chefs stellen billige, unerfahrene arbeiter ein.... arbeiter erleben solch von gefahren und chefs verkaufen die waren (so sind die absichten)!!!!!
türkei ist auch strikt dageben und schämt sich dafür, doch können nichts dageben tuen, da es zu viele solch von jeanskonzernen gibt und kaum zu stoppen sind. türkei ist leider gottes nicht im stande alles unter kontrolle zu halten, da unser staat nicht vollkommen entsprechend des gerichtes sich gewendet haben. ein arbeiter namens demir berichtete, dass alle arbeiter durch das vertrauen des staates arbeiteten und sie leider betrogen wurden. den auftraggebern ist dies auch total egal :) hauptsache sie verdienen ihr geld und wenn auch menschen dafür sterben müssen. die chefs dort sind sozusagen mörder!!!!!!!! türkei ist kaum im stande was dagegen zu tuen doch ALLE firmen weltweit, die importiere wird sich auch weigern, jeans nicht zu kaufen ;)

 

...Konsumverweigerung, Konsumverweigerung und nochmals Konsumverweigerung und das als öffentliches Statement oder zumindest kritisch die Ware hinterfragen.

Aber eh hinter fast jedem T-shirt steht ein Baumwoll-sklave oder Kinderarbeit aus Usbekistan. Die Bauwolle kommt nach Indien, wird dort verarbeitet und zurück nach Europa. Das Etikett Made in EU - ja eh!

Ist schrecklich, wie verdeckt alles abgeht.

Da habe ich auch mal einen Doku-Film gesehen über die Herstellung von Turnschuhe (ging um Nike). In Asien genau genommen China gehts ja auch voll ab laut einem Spiegel Artikel, keine Umweltauflagen, keine Arbeitsrechte, schwangere Mitarbeiterinnen wurden in den Bauch geschlagen, dass das Kind abgeht, etc...

Es gibt Industrie- und Handelszweige die auf "political correctness" setzen. Was bedeutet, dass sie wissen woher Ihre Resourcen kommen und unter welchen Umständen produziert wird - Fair Trade.

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