So lautete das Thema einer Sendung die ich mir soeben auf PRO 7 gegeben hab. Ich zapp herum im Fernsehen und stoße auf "U20 - Deutschland, Deine Teenager". Schnell war klar worum es geht: Eine junge Türkin, genauer gesagt 15 Jahre alt, steht im Clinch mit ihrem Vater. Worum gehts konkret?
     Yasemin möchte wie jedes Mädchen ihrer Altersstufe sein. Rausgehen, sich mit Freunden treffen und einfach Spaß haben. Logischerweise gewinnen ab ihrem Alter Jungs immer mehr an Bedeutung. Klingt ja nicht so schlimm möchte man meinen. Doch ihr Vater Adnan sieht das anders. Er ist eher der konservative Typ. Lebt zwar seit 30 Jahren in Deutschland, ist aber gänzlich von der türkischen Kultur überzeugt und möchte diese seinen Kindern vermitteln. Da passt es ihm nicht in den Kram, dass seine Tochter sich gerne mal ein wenig freizügiger anzieht (Hotpants, Minirock etc.). Immer wieder gibts deswegen Konflikte.
    Doch gerade die Konflikte rufen bei Yasemin gewisse Trotzreaktionen hervor. Heimlich schleicht sie aus dem Haus hinaus, um sich mit ihren Freundinnen und Freunden zu treffen. Haben sie sich mal getroffen, so ziehen sie um die Häuser, essen Döner, gehen in Cafés etc. und genießen ihre Freizeit, haben viel Spaß. Doch das Lachen nimmt schnell ein Ende.
   Yasemin sitzt mit ihrer Clique in einem Café als plötzlich ihr 13 jähriger Bruder Yakub auftaucht. Nicht gerade freundlich macht er ihr unmissverständlich klar, dass er im Auftrag des Vaters hier ist und sie sofort mit ihm nach Hause gehen muss. Was bleibt Yasemin anderes übrig als mitzugehen? Sie hat keine Wahl, denn sie weiß ganz genau, wenn sie nicht mitkommt gibts noch mehr Ärger als sonst.
    Als Yakub von einem PRO 7 - Typen gefragt wird warum er das denn macht und wieso er seine Schwester nicht einfach in Ruhe mit den Freunden Tee trinken lässt meint er: "Das ist so...Die Männer sind nun mal das stärkere Geschlecht und Frauen das schwächere. Und ich muss nun mal auf meine Schwester aufpassen, vor allem weil mein größerer Bruder jetzt nicht hier ist. Mädchen sollen nicht abends raus gehen, da gibts die ganzen Penner und so. Von denen kriegen sie dann eine auf die Fresse und wundern sich im Nachhinein." Mir hat es in diesem Moment die Sprache verschlagen, voll arg! Das aus dem Mund eines erst 13 jährigen! Mir ist schon klar was kulturelle Differenzen sind, jedoch lebt ja der Vater, wie bereits erwähnt, seit 30 Jahren in Deutschland. Das heißt, dass man doch erwarten kann, dass so etwas wie Anpassung statt gefunden hat. Natürlich soll man die eigene Kultur keinesfalls vergessen, das würde ich persönlich auch nicht wollen. Aber Anpassung in gewisser Weise muss schon sein. Ich mein, wenn es schon so weit geht, dass ein 13 jähriger so etwas von sich gibt, kann man sich die Einstellung des Vaters ungefähr vorstellen..
    Apropos Vater. Nachdem der kleine Bruder bei diesem gepetzt hat, dass die Schwester sich mit der Clique rumtreibt ist der Vater (so scheint es) total verzweifelt und am Boden zerstört. Er kann nicht mehr weiter, als Alleinerziehender, meint er, hat er es nicht so einfach mit einer rebellischen Tochter. Er sieht keinen anderen Ausweg, als mit Yasemin zur Erziehungsberatung zu gehen.
    Dort angekommen, sucht der Erziehungsberater das Gespräch mit den Konfliktparteien - also Yasemin und ihrem Vater Adnan. Der Psychologe dürfte einiges bewirken, denn nach langer Zeit können sich der Vater und die Tochter in die Augen sehen und offen über ihre Probleme reden. Sie sagt, dass sie nicht mehr kontrolliert werden möchte und der Vater meint, dass sie eine Art Kompromiss schließen können. Yasemin darf rausgehen, muss aber wieder regelmäßig zur Schule und Hausaufgaben machen etc. Aber einen Freund darf sie nicht haben - das würde zu weit gehen. "Du weißt, dass du in unserer Kultur als Mädchen erst dann einen Freund haben darfst, wenn du heiraten möchtest." Mit einem Nicken nimmt Yasemin das zur Kenntnis.
     Was Yasemins schulische Leistungen betrifft, so waren diese miserabel. Von einem Gymnasium sackte sie bis in die Sonderschule ab. Selbst dort konnte sie in einigen Fächern nicht einmal beurteilt werden - so oft hat sie geschwänzt. Doch am Ende des Beitrags wird Yasemin als brave Schülerin dargestellt, die sich voll und ganz auf ihren Abschluß konzentrieren möchte und die Freizeitgestaltung ein nettes Bonuszuckerl ist, das sie zu schätzen weiß. Der Vater ist einsichtig geworden und Yasemin darf sich auch freizügiger kleiden - zwar keine Miniröcke, aber knallenge Jeans dürfen es schon sein.

Am Ende der Sendung bin ich zunächst ein wenig geschockt gewesen. Ich selbst bin Moslem, aber meilenweit von so einem Kulturverständnis entfernt. In meiner familiären Umgebung habe ich so etwas noch nie mitbekommen und bin - ganz ehrlich - auch froh darüber. Die Religion an sich spielt in meinem Leben und in dem meiner Familie keine große Rolle - aber vielleicht ist genau das der springende Punkt. Vielleicht ist die Religion der Punkt an dem sich "konservative" von "liberalen" Moslems unterscheiden. Religion wird dann eventuell nett mit Kultur umschrieben.
    Allein schon die Art und Weise wie der kleine Bruder von Yasemin geredet hat, hat mich negativ erstaunt. Denn das Leben, dass das 15 jährige Mädchen führt ist mehr von Regeln, Zwängen und Verboten geprägt als von Freiheit. Und das kanns doch nicht sein im 21. Jahrhundert, oder? Wie seht ihr das? Ist der Grat zwischen Religion und Kultur kleiner als man zu denken pflegt?
   Ich bin mir sicher, dass die Geschichte dieses Mädchens kein Einzelfall und vor allem nicht ein auf Deutschland beschränkter Fall ist. Was mir noch in diesem Zusammenhang auffällt (das ist jetzt meine subjektive Meinung und persönliche Erfahrung!) ist, dass wenn - banal gesagt - es sich um solche muslimischen Fälle handelt, die türkischen Mädchen viel strenger erzogen werden als z.b. bosnische Mädchen. Sind wir aus Ex - Yu in dieser Hinsicht liberaler oder ist die Türkei so ein homogenisiertes Volk, dass die Mädchen bis zur Heirat kaum frei sind? Denn das Arge ist ja, dass viele Frauen selbst nach der Heirat nicht glücklicher sind und dass sich an ihrem Leben, das sie bis dato führten, wenig bis gar nichts geändert hat.
    Schade, denn für KronenZeitung - Leser und andere solcher Art werden dann alle in einen Topf geworfen, aber die Türkei steht dann in noch einem schlechteren Licht dar, als sie ohnehin schon bei diesen Menschen ist. Und das muss doch wirklich nicht sein. Aber was tun? Wie die eigene Kultur beibehalten, aber sich dennoch an heutige "Standards" anpassen? Das ist wohl die große Frage, die es zu beantworten gilt. Doch von der Lösung sind viele leider meilenweit entfernt bzw. wollen auch meilenweit entfernt bleiben...