Arbeiten im Paradies

13. Juli 2015

Unsere Redakteurin Alexandra Stanic hat sich auf die Suche nach dem perfekten Arbeitsplatz gemacht und ist fündig geworden: Bali. Dort hat sie mit „digitalen Nomaden“ gesprochen, die im wahrsten Sinne des Wortes das Beste aus ihrem Job machen.

Von Alexandra Stanic

Hubud, Ubud, Bali, Arbeiten, Paradies,
Fotos by Hubud

Reisfelder soweit das Auge reicht. Im Hintergrund hört man das Hupen von Scootern - sie sind das Hauptverkehrsmittel der Balinesen. Das Gebäude, in dem wir uns befinden, besteht aus einer urbanen Bambuskonstruktion, am Eingang liest man „Welcome to Hubud“. Affen klettern an den Ästen entlang, direkt über dem hauseigenen Café. Am Menü heute: Avocado-Brötchen, Wassermelonen-Shakes und vegane Brownies mit Cashewnüssen.

Auf der breiten Terrasse sitzen an mehreren Tischen und Sitzkissen konzentrierte Köpfe und starren auf ihre MacBooks. Manche führen gerade Skype-Meetings, andere arbeiten in Photoshop an einem Logo. Auf dem Bildschirm einer etwa 35-jährigen Frau mit britischem Akzent ist ein Excel-Dokument zu erkennen, sie telefoniert nebenbei. Die Menschen sind braungebrannt und scheinen international zusammengewürfelt zu sein, als kämen sie aus einer Benetton-Werbung. Da wäre ein Mittzwanziger mit Afro, eine zierliche Asiatin mit kurzen schwarzen Haaren und eine lachende Blondine, die aus Deutschland stammen könnte. Und alle arbeiten gerade. Sie befinden sich mitten im Paradies und verbringen ihre Zeit tatsächlich mit Arbeit. Zu ihrem Arbeitsplatz haben sie den co-working space Hubud ernannt - zumindest vorübergehend. Denn die Unternehmer, die hier Mitglieder sind, bezeichnet man als digitale Nomaden.

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Fotos by Hubud

Digitale Nomaden

Manche dieser digitalen Nomaden bleiben nur ein paar Wochen, andere mehrere Monate oder sogar Jahre. Einer von ihnen ist Sinisa Krisan. Der gebürtige Serbe ist vor ein paar Jahren nach Bali gekommen, weil er dort an einer Weiterbildung seines Arbeitgebers teilgenommen hat. Damals verlängerte er seinen Aufenthalt und erkundete die Insel. „Die Entscheidung, hier zu bleiben, ist mir nicht schwer gefallen“, erzählt der 35-Jährige lachend. Sinisa ist Produktdesigner und arbeitet für ein internationales Unternehmen in der Web-Entwicklungsbranche. Sein Alltag ist ähnlich wie bei jedem anderen: Morgens ist es stressig, er arbeitet meistens von 9 bis 17 Uhr, muss aber auf die Zeitumstellung Rücksicht nehmen. „Ubud ist eine nette und überschaubare Kleinstadt, man findet immer jemanden, mit dem man kurz etwas unternehmen kann, selbst während der Arbeitszeit“, beschreibt Sinisa seine tägliche Routine. Während seine Arbeitswoche ähnlich ist wie bei uns, also abgesehen von den paradiesischen Temperaturen, den entspannten Balinesen und den tropischen Früchten, klingt sein Wochenende wie der perfekte Urlaub. Denn Ubud ist ein guter Ausgangspunkt, um die gesamte Insel zu bereisen. Surfen, Tauchen, Wanderungen zu Vulkanen, Wasserfällen, Reisfeldern - das alles ist in einer Stunde mit dem Scooter zu erreichen.

Der co-working space Hubud liegt in der Stadt Ubud auf der indonesischen Insel Bali, die ein beliebtes Ziel von Aussteigern ist. Der Name setzt sich aus „Hub“, was auf Englisch so viel wie „Knotenpunkt“ und Ubud, dem Namen der Stadt zusammen. Die Besucher sind Fotografen, Schreiber, Grafiker, Designer, IT-Menschen, Start-Up-Gründer, kurz: Jeder, der keinen fixen Arbeitsplatz will und/oder an seiner Geschäftsidee feilt. Es gibt mehrere Möglichkeiten der Mitgliedschaft, die monatlich 22 bis 275 Dollar kostet.

Das Phänomen der digitalen Nomaden ist aber keineswegs auf Bali zu Ende. Überall dort, wo es warm ist und das Internet gut funktioniert, setzen sich immer mehr Menschen mit Geschäftssinn ab. Aber Bali und speziell Ubud stehen auf der Liste ganz oben. Die Erhaltungskosten auf Bali sind irrsinnig niedrig und so ziemlich jeder, der kein Einheimischer ist, aber auf Bali lebt, kann sich mindestens eine Haushaltskraft leisten. Die meisten waschen ihre Wäsche noch nicht einmal Zuhause. Apropos Zuhause: Unternehmer, die sich hier absetzen, organisieren anfangs eine Unterkunft via Airbnb und suchen sich dann vor Ort ein Haus (mit Pool), das sie zum Spottpreis mieten.

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Foto by Marko Mestrovic

„Workation“

„Workation“ nennt man das, eine Mischung aus Arbeit und Urlaub. Risyiana Muthia, deren Spitzname Sisie ist, kennt die Vorteile von Hubud nur zu gut. Die 30-jährige Balinesin ist Hubuds Pressesprecherin. „Man muss sich diesen Platz wie einen riesigen Pool an Kreativität vorstellen“, versucht Sisie zu erklären. „Es geht darum, Wissen und Können miteinander auszutauschen und sich durch die Motivation anderer inspirieren zu lassen.“ Tatsächlich wirken die Menschen, die das Gemeinschaftsbüro nutzen, wie Freunde, die zusammenarbeiten. Anders als in Hubud sind in den meisten co-working spaces auf Bali auch Einheimische. Da der Ort Ubud aber zu den touristischsten Plätzen gehört, dominieren hier die Ausländer. „Aber wir veranstalten immer wieder Events, um unsere Mitglieder mehr von Balis Kultur zu zeigen.“ Außerdem gibt es rund 45 Workshops monatlich - das geht vom gemeinsamen Brainstorming bis hin zu Feedback-Stunden und einem eigenen Business-Coach. Selbstverständlich darf jedes Mitglied teilnehmen. „Wir wollen weder ein Druckshop, noch ein Cybercafé sein“, stellt die 30-Jährige klar. „Hubud soll Menschen miteinander vernetzen und helfen, sich auf ihre Geschäftsidee zu fokussieren.“

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Fotos by Hubud

Aber nicht nur Erwachsene nutzen Hubud. Während ich mich mit Sisie unterhalte, laufen zwei etwa zehnjährige Mädchen an mir vorbei. Sisie bemerkt meinen neugierigen Blick und klärt mich auf: Laura und Milla nutzen Hubud, um zu lernen. Die beiden russischen Mädchen besuchen eine Online-Schule, für ein paar Monate leben sie mit ihrer Mutter in Ubud, danach geht es nach Südamerika. „Die beiden sind die digitalen Nomadinnen, ich bin nur da, um auf sie aufzupassen“, erklärt ihre Mutter Yulia lachend. Lernen im Paradies klingt fast noch besser als arbeiten im Paradies. Aber irgendeinen Nachteil muss es geben. Abgesehen vom Heimweh und den Affen, die dir die Wasserflasche klauen, wenn du nicht vorsichtig genug bist. Ich hacke bei Sinisa nach: „Okay, einen gibt es. Das Gesundheitssystem auf Bali ist meiner Meinung nach sehr schlecht. Selbst wenn du eine gute Versicherung hast, heißt das nicht, dass du eine qualitative Behandlung erhältst.“ Trotzdem plant Sinisa länger zu bleiben. „Ich habe keinen fixen Zeitplan - vielleicht geht es in einer Woche zurück nach Serbien, vielleicht erst in einem Jahr.“

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