Balkan-Food in da Hood!

07. November 2011

Spät aber doch behandeln heimische Supermärkte die Zuwanderer nicht mehr wie Exoten, sondern rangeln sich mit Spezialprodukten um sie. Und die sind oft günstiger als beim Türken oder Jugo-Laden ums Eck.

 

„Oh mein Gott!“, rief Admir, als er unlängst vor einem Ethno-Regal stand. „Gazoza?!“ Das mazedonische Getränk hat es tatsächlich in die österreichischen Supermärkte geschafft. Bis vor Kurzem hatte er Gazoza noch im Kofferraum von Mazedonien über die österreichische Grenze gekarrt.

Ethno-Produkte aus der alten Heimat, so wie dieses Erfrischungsgetränk, werden in Wien vermehrt angeboten. Während Sudžuk und andere Produkte vom Balkan oder der Türkei vor einigen Jahren nur in türkischen Läden zu finden waren, kann man sie heutzutage in fast jedem großen Supermarkt kaufen. Die Palette ist zwar noch immer weit kleiner als etwa beim Türken; Basics wie Ajvar oder serbischer Šljivovica sind aber meist dabei. 33 Prozent der Wiener haben ausländische Wurzeln. Supermärkte und auch Discounter haben dieses Potential entdeckt und bieten in ihren Filialen das an, was sie aus ihrer Heimat schon kennen und lieben.

„Es hat was mit Heimweh zu tun“ sagt Sanela. Sie fährt nur ganz selten in ihre Heimat Serbien und freut sich, dass es manche Produkte auch hier zu kaufen gibt. Während früher türkische Läden die erste Anlaufstelle dafür waren, wechselt sie mittlerweile ab, seit etwa die Geflügel-Pastete Argeta oder der serbische Minas Kaffee fixer Bestandteil des Spar-Sortiments sind. Dort wurde die Produktpalette in den Filialen mit hohen Migrantenanteile nach Kundenerhebungen deutlich ausgeweitet.

Dass die Ketten ein ordentliches Stück vom wachsenden Konsum-Kuchen der Zuwanderer abschneiden wollen, zeigen die Preise: die können durchaus als Kampfpreise bezeichnet werden.

Preisschlacht

Das zeigt sich etwa beim Frühstück. Was wäre ein türkisches Frühstück ohne türkischen Schwarztee? Ayşe kaufte früher ihren Tee beim Türken ums Eck und zahlte dafür  € 3,29. Eine Freundin hat sie auf das Angebot in Merkur aufmerksam gemacht. Jetzt kauft sie ihren Tee dort um € 2,89. „Die Kunden kommen zu uns, weil wir diese Produkte billiger anbieten können“, sagt Nenad Stanković, Filialleiter der Merkur-Filiale in der Amalienstraße. Ein biber-Preisvergleich bestätigt die Behauptung (siehe Infokasten). Auch bei den anderen gängigen Produkten gewinnen die Österreicher den Preiskampf.

Türkenmehl statt Finis Feinstes?

Die Preise und der Reiz neuer Geschmäcker locken auch Österreicher verstärkt an. Nenad hat beobachtet, dass ungefähr 30 % mehr Österreicher auf diese Produkte auf das Ethno-Food aus der Türkei oder Ex-Jugoslawien zugreifen als im Jahr zuvor. Als Beispiel führt er das türkische Mehl an. Dieses hat sich in Tests gegenüber anderen Mehlsorten bewährt. Es soll glatter, weißer und feiner sein und wurde deshalb in das Sortiment aufgenommen.

Aber nicht nur die österreichischen Läden bemühen sich um neue Käuferschichten. Auch die türkischen Läden sind davon abgegangen, sich exlusiv an Landsleute zu wenden. Seit geraumer Zeit haben einige türkische Ketten eigene Regale mit Produkten vom Balkan, die zum Teil besser ausgestattet sind als bei der Ösi-Konkurrenz. Und Österreicher kaufen sowieso längst auch im türkischen Supermarkt ein.

Extrawünsche

Der Kampf um den Halal-Markt ist schon längst entfacht. Um Wettbewerbsfähig bleiben zu können, hat Merkur Halal-zertifiziertes Fleisch eingeführt, nachdem türkische Läden lange Zeit ein Halal-Monopol hatten. Nicht nur Fleisch ist für Migranten ein großes Thema, sondern auch Genusswaren wie Sonnenblumenkerne, die unter Türken fließbandmäßig konsumiert werden.

Verkostung vor Ort

Der Weg von der Heimat nach Österreich ist ein langer, nicht nur geografisch. Ob ein heimisches Produkt auch hier angeboten wird, hängt nicht von seinem Visum ab, sondern auch von der Nachfrage. „Wenn die Kunden ein bestimmtes Produkt fordern, probieren wir diese persönlich aus und entscheiden dann, ob wir es anbieten oder nicht“, sagt Nenad.  Zielpunkt schickt seine Experten durch die ganze Welt, um nach neuen Produkten Ausschau zu halten. Dabei müssen sie nur darauf achten, dass sie auch in deutscher Sprache gekennzeichnet sind, wie es das Gesetz verlangt. Nenad, der passionierte Weinkenner, hat bei einem Urlaub in Kroatien und Montenegro zwei Weinsorten für sich entdeckt. Diese hat er daraufhin in seiner Filiale eingeführt und nach den ersten Umsatzerfolgen auch anderen Filialen schmackhaft gemacht.

Treue Stammkunden

Das Endzeitalter der türkischen Läden ist dennoch nicht angebrochen. Das Angebot in den österreichischen Läden wächst ständig, trotzdem ist es bei Weitem kleiner als bei den türkischen Händlern. Was sind schon einige Regalmeter gegen ein ganzes Geschäft voller Spezialitäten, denken sie diese. „Wir haben unsere Stammkunden. Wir fürchten uns nicht vor der Konkurrenz“, sagt der Aycan-Filialleiter Haydar Demir selbstsicher. Sein Angebot sei größer, sagt er und die Preisunterschiede spielt er herunter.

Safiye ist eine von den vielen Migranten und Migrantinnen, die vom Preiskampf profitieren. Früher kaufte sie in türkischen Läden ein, um Zutaten für traditionelle Gerichte zu bekommen. In den österreichischen Supermärkten besorgte sie nur Mineralwasser, Waschmittel und was sonst noch im Sonderangebot war. Jetzt freut sie sich, dass der Ösi-Supermarkt in Gehweite ihrer Wohnung viele Produkte aus ihrer Heimat anbietet. Allerdings: „Bis ich das Fladenbrot beim Österreicher kaufe, wird es noch lange dauern.“

 

Text: Muhamed Beganović , Ayper Cetin
Fotos: Philipp Tomsich

 

 

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Kommentare

 

gazoza klingt bombastisch. bei uns heißt es "gassosa"

 

...jaa  mir gings genauso als ich die originale gazoza im zielpunkt gefunden hab, hab mich gefreut wie ein kleines kind zu weihnachten :D....uur geil!!einfach...sonst muss man ja immer wen anflehen wenn er "runter" fährt das er ein paar flaschen mitnimmt!:D

 

jetzt fehlen nur noch Stobi Flips..... obwohl, die gibt es in manche Etsan Filialen :D

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