Die Blauen Türken

04. September 2014

Dass auch Migranten die FPÖ wählen, ist längst bekannt. Vor allem unter den Serben hat Heinz-Christian Strache viele Fans. Doch auch Türken können sich für HC begeistern.

 

Von Olivia Mrzyglod und Onur Kas
Fotos: Christoph Liebentritt und Niko Havranek

 

A echter Wiener im Gemeindebau. Stiernacken, Springerstiefel, kahlrasiert. Oder doch Elite-Student, Burschenschaftler oder aufgeklärter EU- Kritiker? Egal wie man sich den typischen FPÖ-Wähler vorstellt, kaum jemand hat Mustafa aus Favoriten vor Augen. Parolen wie: „Wien darf nicht Istanbul werden“, oder „Daham statt Islam“ machen HC für Türken unwählbar. Für alle Türken? Nein, auch unter den türkischstämmigen Österreichern gibt es vereinzelt FPÖ-Fans. Wir hören uns in der Community um und erfahren, warum Türke sein und Blau wählen nicht immer ein Widerspruch ist.

 

Gefällt HC-Strache, Herkunft Türkei

Zuerst versuchen wir unser Glück auf den Straßen. In Favoriten wagen wir einen Lokalaugenschein. Vielleicht finden wir einen Strache- Wähler? Die häufigste Reaktion ist: „Nie. Damit schneiden wir uns doch nur ins eigene Fleisch.“ Wie findet man nun einen FPÖ-Anhänger mit türkischem Background? Die Antwort: Eintauchen in die digitale Welt. Wir öffnen die einzelnen „Strache for President“, „Blutgruppe HC positiv“ und andere FPÖ-Fan Seiten. Dann wird gefiltert. Heimatland: Türkei. Facebook sei Dank! Ein „Gefällt mir“ lässt sich nicht mit einer Wählerstimme gleichstellen, deswegen fragen wir nach. Neben etlichen, die „nur liken, um sich über die Posts aufzuregen“ fanden wir sie: die blauen Türken.

 

Name: Aydin Tursun, Alter: 28, Beruf: Bauleiter, Herkunft:Türkei

JA zur FPÖ, weil:

Ich bin alevitischer Kurde mi türkischen Wurzeln. Zwar ein Moslem, aber mit alevitischer Glaubensrichtung. Bei uns tragen Frauen kein Kopftuch, gehen nicht in die Moschee und haben eigene Glaubenseinrichtungen. Wir werden in vielen sunnitischen Ländern als Ungläubige dargestellt, weil wir westlich ausgerichtet sind. Da es diese Unter- drückung der Frau in Österreich nicht gibt, bin ich der Meinung, dass solche Menschen hier nichts zu suchen haben. Für mich sind das Integrationsverweigerer. Genau das verlangt die FPÖ. Ich hingegen bin dem österreichischen Staat sehr dankbar. Für mich ist es eine Ehre in so einem wunderschönen Land leben zu dürfen. Deswegen habe ich auch Pflichten zu erfüllen. Wer diese nicht wahrnehmen will, sollte auch die Konsequenzen dafür tragen. Als Erdogan in Wien war, war ich Gegendemonstrant. Seine Anhänger sagen: Es ist wirtschaftlich so super in der Türkei. Sie verehren ihn wie einen König. Da frage ich mich: Warum gehen sie dann nicht zurück? Sie wollen mit den christlichen Werten nichts zu tun haben und bilden Parallelgesellschaften. Das sieht man in Problembezirken deutlich. Als Österreicher wäre ich da auch Rassist. Bei den Protesten wurden schon die Fahnen der IS (Anm. „Islamischer Staat“) geschwenkt. Menschen, die Hass gegen andere Völker oder Religionen hegen, die brauchen wir in Österreich nicht! Andere Parteien gehen darauf nicht ein. Die FPÖ hingegen schon. Deswegen wähle ich sie.
Schlecht an der FPÖ:

Es stört mich sehr, dass die FPÖ Verbindungen zur rechtsextremen Szene hat. Allerdings sind die Linken genauso mit der linksextremen Szene verbunden.
Widerspruch?

Für mich ist Integration nicht gleich Assimilation. Ich bin mit zehn Jahren nach Österreich gekommen und bin sehr gut integriert. Wenn eine Partei das verlangt, kann ich das nur unterstützen. Bei Slogans wie „Daham statt Islam!“ denke ich an die ganzen Massaker, die zurzeit unter der IS passieren. Diesem „Islam“ fühle ich mich nicht zugehörig.

 

 

Name: Luki Donaustadt (seine Freunde nennen ihn so, seinen echten Namen verrät er uns nicht), Alter: 18, Beruf: Wachmann, Herkunft: Türkei

JA zur FPÖ, weil:

Ich wähle Strache, weil er Österreich schützen will. Er will, wie ich, dass keine Einwanderer mehr nach Österreich kommen. Wir haben bereits zu viele Ausländer, die sich nicht anpassen können. Ich habe mich integriert, das müssen die anderen auch. Da, wo ich wohne (Donaustadt), finde ich die Situation mit der Integration gut. Im Gegensatz zum zehnten oder elften Bezirk hört man wenigstens Deutsch auf den Straßen. Das ist gut. Wenn Leute herkommen wollen, sollen sie die Sprache können. Daheim können sie sprechen, was sie wollen. Aber in der Öffentlichkeit soll Deutsch gesprochen werden. Ich kann auch sehr gut Türkisch und Deutsch. Neben der Sprache ist es wichtig zu arbeiten. Wer nach Österreich kommt, soll es so machen wie mein Vater und sofort eine Arbeit suchen. Wer nicht arbeitet hat kein Recht zu bleiben.
Schlecht an der FPÖ:

Mir gefällt nicht, dass HC zu allgemein schimpft. Die, die sich integriert haben, können eh nichts dafür. Da sollte er unterscheiden. Wenn sich Leute nicht integrieren können und sich nicht an die Regeln halten, sollte man sie nicht sofort abschieben. Zuerst sollte man ihnen die Chance geben, sich auszubilden. Wenn sie diese Möglichkeit nicht wahrnehmen, stattdessen nur Dreck machen, sollte man sie abschieben.
Kein Widerspruch?

Wenn Strache solche Aussagen macht, wie „Zu viel Fremdes tut niemandem gut“, fühle ich mich davon nicht angesprochen. Ich habe mich integriert. Er spricht damit Leute an, die sich nicht an die Gesellschaft angepasst haben. Vieles sagt er nur, um radikale Wähler auf seiner Seite zu haben. Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass er etwas gegen Türken oder Serben hat, die sich anpassen.

 

Name: Anil Uğurlu*, Alter: 20, Beruf: Schüler, Herkunf: Türkei

JA zur FPÖ, weil:

Ein Hauptgrund, die FPÖ zu wählen, ist deren Asyl- und- Fremdenpolitik. Ich wohne in der Nähe eines Asylantenheims und habe mich intensiv mit der Thematik beschäftigt. Darüber könnte ich stundenlang reden.  Wenn man nach Österreich kommt, und nicht arbeiten geht, generell nichts Produktives macht, regt mich das auf. Meine Eltern sind aus der Türkei. Sie arbeiten beide 40 Stunden und wir können gut leben. Auch ich arbeite neben der Schule, damit es uns besser geht. Einen großen Teil des Gehalts müssen wir versteuern. Und für wen? Für Leute, die herkommen und mit Drogen dealen, kriminell sind und nur vom Staat leben! Wenn ich es schaffe, neben der Schule geringfügig zu arbeiten, werden es diese Asylanten wohl auch schaffen, irgendwo legal angemeldet zu arbeiten. Mein Cousin ist vor einigen Jahren nach Österreich gekommen, war keine zwei Monate arbeitslos und arbeitet seitdem durchgehend. Wer sucht, der findet!
Schlecht an der FPÖ:
Als Migrant ist es schwer Herrn Strache zu 100 Prozent zu unterstützen. Er drückt sich mit Wahlslogans wie „Daham statt Islam“ völlig falsch aus. Das macht ihn wieder unsympathisch. Meiner Meinung nach verliert er mit solchen Aussagen viele potentielle Wähler. So was könnte man viel geschickter machen. Schlussendlich sollte es nicht an der Religion liegen, ob man in Österreich sein darf, oder nicht.
Widerspruch?

Nein. Ich habe schon viele ähnliche Aktionen von ihm gesehen, in denen er auch „integrierte Ausländer“ mit einbezieht. Da fühle ich mich angesprochen.

 

 

Stimmen aus dem Netz

Yunus, 18, Türkei*:

ich habe die FPÖ schon zweimal gewählt. ich wähle sie, damit, wenn sie es mal schaffen die SPÖ zu übertreffen, die meisten auswandern müssen, weil sie hier eh nur Blödsinn machen.Die ganzen Trottln, die sich nicht integrieren können, gehören raus.

Mehmet, 19, Türkei*:

An der FPÖ gefällt mir, dass sie ihre Ideologie immer verfolgen und nie aufgeben und sie nie ändern. Wenn sie versprechen die Islam- bekennenden Bürger nach Wahlsieg nicht zu unterdrücken, werde ich sie wählen!

Enes, 19, Türkei*:

Er (HC) hat zwar etwas gegen mein Land und meine Religion, aber hassen tu ich ihn nicht. ich gebe ihm recht, dass Ausländer arbeiten sollen. immerhin arbeiten meine Eltern und ich auch. Meine Geschwister gehen zur Schule. so sollte es sein.

 

 

 

 

 

Warum auch Türken FPÖ-Fans sind

„Wer sich nicht integriert, hat in Österreich nichts zu suchen.“ Diese oder ähnliche Aussagen kennt man von FPÖ-Wählern. Aber sie kommen auch von Türken, die österreichischer sind, als die Österreicher. Trotz Slogans wie „Türkei nicht dabei.“ oder „Wien darf nicht Istanbul werden.“, wählen sie die Blauen. Sie sind gut integriert und ihr Wienerisch ist kaum von anderen Ur-Wienern zu unterscheiden. Sie sind in der Regel Erdogan-Gegner und sehen Kopftücher als Unterdrückungstextilien an. Die Rede ist von den „Blauen Türken“. Sie teilen zwar das Alles-in- den-Topf-werf-Prinzip der FPÖ nicht. Wenn aber die Freiheitlichen zwischen „guten“ und „schlechten“ Ausländern unterscheiden, dann zählen sie sich zu den „Guten“.

Angst

Von negativen Begleiterscheinungen der Globalisierung sind auch Österreicher mit Migrationshintergrund betroffen. Man hat Angst, dass sich durch immer mehr Zuwanderer die eigene Lebensqualität verschlechtert. Das Gerechtigkeitsgefühl, wie sie typischerweise bei Inländern vorhanden ist, spielt dabei eine besondere Rolle. Während man gerne seine eigenen Integrationsbemühungen hervorhebt, indem man einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, Steuern zahlt und sich der österreichischen Mentalität entsprechend benimmt, geht man grundsätzlich von einer mangelnden Leistungsbereitschaft und Integrationswillen etwa bei Asylwerbern aus. Oft entsteht der Eindruck, dass sie für das Nichtstun vom Staat bezahlt werden, während die eigenen Leistungen unbeachtet bleiben. Ganz nach dem Motto: „Ich arbeite wie ein Wahnsinniger für einen Hungerlohn, während die anderen Migranten alles in den A*** geschoben bekommen.“ Bei der Gemeinderatswahl 2015 in Wien wird es darum gehen, auch solchen Leuten jenseits der FPÖ ein gutes Angebot zu machen. Viele davon sind nicht unbedingt Rassisten, sondern Protestwähler, die glauben, dass Politiker ihre Sorgen nicht ernst nehmen.

 

von Onur Kas
kas@dasbiber.at

 

Foto by Marko Mestrovic

 

 

* Name von der Red. geändert

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