Es geht uns nicht gut

15. März 2016

Stell dir vor, du hörst im Radio, dass mitten am Schwedenplatz in Wien eine Bombe explodiert ist und du genau weißt, dass deine Familie gerade dort ist.

Von Teoman Tiftik

Du würdest wahrscheinlich sofort zum Handy greifen und anrufen. Bei mir war es so, als ich am Sonntag von dem Anschlag in Ankara gehört habe.


Kizilay heißt der Bezirk, wo die Bombe hochging, die unschuldige Menschen mit in den Tod riss. Dort sind Busstationen, Geschäfte und Cafes, der Platz ist quasi der Schwedenplatz von Ankara. Eine der nobelsten Gegenden, ich selbst war während meiner vielen Familienbesuche oft dort. Mein Cousin antwortete auf meine Frage, ob es ihm gut gehe mit trauriger Stimme: “Wenn du wissen willst, ob wir leben… ja wir leben, aber gut - nein gut geht's uns nicht.”

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Burhan Ozbilici / AP / picturedesk.com


Keine Solidarität für Türken
Auf Facebook machte sich eine Welle der Solidarität breit, aber nur unter Türken. Es gab kaum eine Anteilnahme meiner anderen Freunde. Auch einen Tag später bin ich schockiert, wie wenig präsent dieses Thema in der heimischen Medienlandschaft ist. Wo sind die Sondersitzungen, Solidaritätskundgebungen und “Je suis”-Bilder, die für Paris, Boston, und Charlie Hebdo durch die Welt gingen? Konnte man nicht sogar über Facebook per Knopfdruck ein bisschen Mitleid spenden und Profilbilder einfärben? Sämtliche Wahrzeichen auf der ganzen Welt wurden mit den französischen Nationalfarben beleuchtet, um ein Zeichen zu setzen.
 

Türkei ist kein Kriegschauplatz
Versteht mich nicht falsch: Es ist kein Neid. Ich finde es gut, wenn Menschen stark bleiben und Zusammenhalt demonstrieren. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es keine guten und bösen Anschläge gibt. Jede Explosion, jedes Menschenleben, das genommen wird, ist schlecht. Das gilt nicht nur für westliche Städte, sondern auch für Syrien, Beirut, Palästina, Nigeria und alle anderen Städte, in denen täglich Menschen sterben. Es ist eine Schande für uns, dass wir Attentate in manchen Ländern mittlerweile als normales Tagesgeschäft einordnen. Mein Cousin hat Recht. Es geht uns wirklich nicht gut.

 

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