Halal ist nicht genug

13. Juli 2015

Öko, vegetarisch oder vegan: Muslime von heute sind nicht mehr von gestern, nur halal essen reicht nicht mehr. 5 Mipster* über ihre speziellen Essgewohnheiten - auch im Fastenmonat Ramadan. Mahlzeit!


*(muslimische Hipster)
von Nour Khelifi und Schadi Mouhandes

Mipster, Halal
Foto: Christoph Liebentritt

„Meine Mutter respektiert mich endlich!“
Maysun, 17 Jahre alt, Veganerin

Maysun ist Veganerin, für ihre österreichisch-arabische Familie immer noch unverständlich. „Für meinen Vater gibt es nur Fleisch mit Fleisch als Beilage“, sagt sie und lacht. Anfangs ernährte sie sich vegetarisch, niemand in der Familie bemerkte diesen Umstand. Das Schnitzel beim Mittagessen schob sie ihrem Bruder heimlich auf den Teller. „Meine jordanischen Cousinen waren die ersten, die meine Nahrungsumstellung bemerkten“, erinnert sich Maysun. Danach fand sie durch Freunde zur veganen Ernährung. Monatelang recherchierte Maysun, ließ mit der Zeit ein tierisches Nahrungsmittel nach dem anderen weg, bis sie sich endgültig vegan ernährte. „Ich stand mal wirklich zwei Stunden im Hofer, um mir die Zutatenlisten von allen Lebensmitteln durchzulesen“, erzählt sie. Auch die gesunde Ecke beim DM hat sie komplett durchprobiert. Doch auch bei aller Disziplin macht die Schülerin Ausnahmen. Honig, oder einer typischen arabische Suppe mit Knochen, kann Maysun nicht widerstehen. Doch Maysuns Mutter wollte sie auf subtile Weise zum „richtigen Essen“ bekehren. Sie packte Maysun Wurst-und Käsebrote für die Schule ein, mittlerweile respektiert ihre Mutter den veganen Lebensstil mehr oder weniger. „Man kann arabisch sein und vegan leben“, sagt Maysun überzeugt. Durch die monatelange Recherche stieß sie auf arabische Gerichte, die ohne jegliche tierische Zutaten zubereitet werden. Ob Hummus, Tabouleh oder Couscous, für Maysun steht eine neue Tür offen. Schwach wird sie nur, wenn sie an einem Dönerstand vorbeigeht. Dieses Jahr ist es Maysuns erster veganer Ramadan, Bedenken hat sie deswegen keine. „Kann vielleicht nur etwas schwierig werden, wenn ich wo eingeladen bin“, sagt Maysun und grinst.

In der „Simply Raw Bakery“ in der Drahtgasse 2 im ersten Bezirk kann Maysun ohne Gewissensbisse vegan naschen.
 

Mipster, Halal
Foto: Christoph Liebentritt

„Wir haben unser Nutella selbst gemacht.“
Hatce, 19 Jahre alt, ernährt sich umweltbewusst

Vegan oder vegetarisch – Hatce hat beides ausprobiert und sich für keines der beiden entschieden. Vor kurzem erst wollte sie sich als Veganerin versuchen, das Resultat war ziemlich ernüchternd. „Ich hielt es eine Woche mit veganer Nahrung aus, danach bekam ich eine Magen-Darm-Infektion. Danke und nie wieder“, erinnert sie sich und lacht.  Auch der Vegetarismus ist keine Option für Hatce. Vielmehr ist es ihr wichtig, die Balance zu finden. Die gesunde Lebensweise hat sie von ihrer Mutter übernommen. „Wir haben daheim vieles selbst gemacht, Nutella zum Beispiel, aber auch Brot oder Marmeladen“, erzählt Hatce. Eingekauft wurde nur regional. Dieses Jahr lenkt Hatce ihren Fokus komplett auf ihre Ernährung, soziale Netzwerke spielten hier eine  große Rolle. „Ich habe angefangen ernährungsbewussten Menschen auf Instagram zu folgen“, sagt sie. Plötzlich waren Quinoa, Goji- und Acai-Beeren, auch als Superfood bekannt, keine Fremdwörter mehr. Auch das Trinken ist wichtig. Hatce trinkt jeden Morgen ein Glas warmes Wasser, um den Stoffwechsel anzukurbeln. Für den Ramadan empfiehlt sie eine Gemüse- und Obst-lastige Ernährung. „Besonders Nüsse und Haferbrei sättigen einen stundenlang.“

Im „Lemontree“ in der Gumpendorferstraße 70, im sechsten Bezirk, gönnt Hatce sich gerne mal ein paar gesunde Smoothies und Cupcakes mit ihren Freunden.

 

Mipster, Halal
Foto: Christoph Liebentritt

„Kekse fehlen mir so richtig.“
Kürsat, 23 Jahre alt und laktoseintolerant

Seine Diagnose erhielt der Student vor einem Jahr, seitdem fallen eine Menge Lebensmittel für ihn weg. Nutella oder Kekse, alles mittlerweile ein No-Go für Kürsat. „Als ob es nicht reicht, dass ich in der Zutatenliste nach Gelatine  oder Alkohol Ausschau halten muss, kommt jetzt auch noch Laktose hinzu“, sagt er resigniert. Dennoch gibt es auch jede Menge laktosefreie Varianten für Kürsat, wie laktosefreie Milch oder Käse. Die Milch schmeckt süßer, der Käse ist etwas härter, einen richtig großen Unterschied schmeckt man jedoch nicht heraus, sagt Kürsat. Auch für ihn ist dieses Jahr der erste Ramadan mit einer neuen Ernährungseinstellung. Zuhause ist das Essen mittlerweile kein Problem mehr, der 23-Jährige weiß, was er vermeiden muss. „Wenn gekocht wird, fragt meine Mutter auch nach, ob dieses oder jenes für mich noch okay ist“, erzählt Kürsat und beißt in den veganen Burger hinein. „Schmeckt wie Fleisch. Aber nur fast“, bemerkt er und lacht. Was macht er aber zu Ramadan, bei all den Fressgelagen? „Fleisch gibt es sowieso immer und in großen Mengen, also passt es eh.“ Richtig aufpassen muss Kürsat nur, wenn es um Baklava geht, da viel Butter im Spiel ist. „Mehr als ein, zwei Stück kann ich nicht essen, mehr kann mein Körper auch nicht vertragen“, meint er.

In der „Swing Kitchen“ (Schottenfeldgasse 3, 1070) isst Kürsat seinen veganen Cheesecake.

 

Mipster, Halal
Foto: Christoph Liebentritt

„Mittlerweile habe ich bis zu 100 Tees.“
Alexander, 28 Jahre alt mit Unverträglichkeiten bis zum Abwinken

Wir kommen nicht mehr mit, als Alexander all seine Allergien und Unverträglichkeiten aufzählt. Gurken, Knoblauch und Kirschen haben wir uns gemerkt. „Wenn jetzt Kirschen vor mir liegen, dann greife ich gleich zu und denk nicht zweimal nach“, sagt er und lacht. Schließlich kann er sich nicht allem entsagen. Der 28-Jährige achtet auf seine Ernährung, ist stets darauf bedacht zu wissen, von wo seine Nahrung kommt und was sie enthält. Nur so kann er das Risiko für sämtliche Unverträglichkeiten niedrig halten. Problematisch wird es nur zu Ramadan,  wo man „links und rechts“ eingeladen wird. „Da kann ich schwer sagen: Das esse ich nicht.“ In seinem Freundeskreis ist er jedoch nicht für seine Unverträglichkeiten, sondern für seine selbstgemixten Erfrischungen berühmt. „Letzten Ramadan fing ich mit dem Brauen von verschiedenen Tees an“, sagt Alexander. Anlass dazu waren die erschreckend hohen Preise für ganz banale Teemischungen in sämtlichen Bobo-Cafés. „Da dachte ich mir, das kann ich auch. Also experimentierte ich mit Maté- und Schwarztee, Lavendel, Minze und diversen Früchten als optische und kulinarische Beilage“, erklärt er uns und deutet auf die Glasflasche Mate-Tee mit Honigmelone. Eine geniale und gesunde Erfrischungsidee für den Ramadan.

Im „Zsam Zsam“ in der Vivenotgasse 8 im 12ten genießt Alexander gerne seinen Tee.

 

Mipster, Halal
Foto: Christoph Liebentritt

„Ich esse nichts was Augen hat.“
Mona, 20 Jahre alt und Vegetarierin

„Meine Familie versteht bis heute nicht, warum ich kein Fleisch esse“, erzählt die angehende Schneiderin Mona. Wenigstens Hühnchen sollte sie doch essen, das sei sowieso kein Fleisch, meinen ihre Verwandten. Erst als Mona ihren Angehörigen klarmachte, dass sie einfach nichts essen möchte, das Augen hat, respektierte die Familie ihre Entscheidung. Kurz versuchte die 20-Jährige auch vegan zu leben, doch im Ägyptenurlaub musste sie feststellen, dass daraus nichts wird. „Ich hatte die Möglichkeit zwischen jeden Tag nur Kartoffelchips zu essen oder einfach wieder auf vegetarisch umsteigen“, erzählt Mona. Mittlerweile verzichtet Mona neben Fleisch auch auf Fisch. „Es gibt viele Arten der vegetarischen Ernährung, ich selber merke aber, dass ich weder Fisch noch Fleisch brauche, um mich gesund zu ernähren“, meint Mona. „Meine Blutwerte liegen immer im Topbereich, deswegen lasse ich gewisse Argumente nicht gelten, die auf mein Ernährungsverhalten abzielen“, sagt sie. Auch im Ramadan ist das vegetarische Leben kein Problem. Monas Mutter weiß mittlerweile, worauf sie zu achten hat. Ansonsten gibt es immer die berühmten Beilagen, auf die man zurückgreifen kann.

Das „Mr and Mrs Feelgood“ in der Paniglgasse 22, 1040, bietet Mona eine Menge an vegetarischen Alternativen.

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