Ich bin mein Boss

04. Juli 2013

 

 

UM EIN UNTERNEHMEN ZU GRÜNDEN, benötigt man mindestens zwei Dinge: eine gute Geschäftsidee und – wie so oft im Leben – Geld. Zumindest bei der Idee kann man sich selbst helfen, danach wird es schwieriger. Wer selbst nicht genug Geld auf der Seite hat und nicht die Familie anschnorren kann, muss mit der Bank reden. Die ist aber bei der Kreditvergabe streng.

ALLER ANFANG IST SCHWER

Das weiß auch Sladjana Petrović. Sie stammt aus Bosnien und führt ihren Friseursalon seit 2010 in der Märzstraße. „Ich habe sogar mein Auto verkauft, damit ich genug Geld für das Geschäft habe“, sagt sie. Nur so konnte sie die Kosten stemmen. „Bei Unternehmensgrün- dungen ist mit großem Abstand die Finanzie- rung das Hauptproblem. Vor allem Migranten fehlen oft die Sicherheiten, die Banken für Kredite seit dem Basel-III-Abkommen noch stärker benötigen“, weiß auch Hans Arsenovic, Landessprecher der Grünen Wirtschaft Wien.

Wer das Geld schließlich zusammen hat, kann die Arbeit anpacken. Aber der Glaube, dass alle Unternehmer sofort viel verdienen, ist falsch. „Als Angestellte habe ich mehr bekom- men“, sagt Sladjana ehrlich. Warum wird man dann überhaupt Unternehmer? Ein Unterneh- men zu führen ist doch eine große Belastung.

„Ein eigener Salon ist etwas ganz Anderes. Und als die Kunden am Weltfrauentag das Geschäft gestürmt haben, war das sehr stressig, aber auch ein großes Glücksgefühl“, strahlt sie. Ein großer Anreiz für die Unternehmensgründung ist die Tatsache, dass der Gewinn mit niemandem – außer der Finanzministerin – geteilt werden muss.
Man arbeitet für den eigenen Erfolg. Die Kehr- seite ist die große Verantwortung, die man selbst im Chefsessel trägt. Sladjana schildert die größte Herausforderung ihrer jungen Kar- riere als Unternehmerin. „Das Abschätzen der Kosten im ersten Jahr, das habe ich dann schrittweise gelernt. Und auch, dass ich nur dann zum Arzt gehen sollte, wenn ich wirklich krank bin.“

KRANK SEIN KOSTET

Denn wer Arbeiter oder Angestellter ist, erhält Krankengeld ab dem ersten Tag des Krankenstandes. Für Unternehmer herrschen schärfere Bestimmungen. Erst nach Ablauf von 42 Tagen bekommt man Geld vom Staat. Da aber Ein

Personen-Unternehmen (EPU) vollkommen auf sich selbst gestellt sind, sind sechs Wochen ohne Einkünfte eine schwere Last. Erschwe- rend kommt hinzu, dass Unternehmer auch einen Selbstbehalt in der Krankenversicherung haben. Nach jeder ärztlichen Untersuchung werden nämlich bis zu 20 Prozent der Kosten fällig.

Darin sieht Peko Baxant, Direktor des So- zialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Wien, die größte Problematik. „Ich spreche bewusst von ‚Eine-Person-Unternehmen‘ und nicht von ,Ein-Personen-Unternehmen‘, weil der Begriff weder grammatikalisch noch in- haltlich richtig ist. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens. Entgegen dem weit verbreiteten Glauben sind EPUs zur Gänze auf sich selbst gestellt. Ihre wahre Lebensrealität ist zum Teil wirklich tragisch. Weder der Marktstandler, noch der Taxifah- rer oder die Friseurin haben als Unternehmer ein großes, finanzielles Polster, um sich den Krankenstand leisten zu können. Viele haben oft sogar keine andere Wahl, als krank arbeiten zu gehen. Sie können es sich schlichtweg nicht leisten, zuhause zu bleiben und sich auszuku- rieren“, so Baxant, der sich für die Abschaffung des Selbstbehalts einsetzt.

AUSDAUER UND HARTE ARBEIT

Unternehmer zu sein bedeutet auch, sich um alle anfallenden Aufgaben selbst zu kümmern. Ibrahim Erkurt und sein Bruder Eray stam-

men beide aus Antalya. Gemeinsam betreiben sie in der Nähe der Märzstraße im 15. Bezirk eine Shisha- und Cocktail-Bar. Ibrahim er- zählt: „Wir haben unser Lokal vor der Eröffnung selbst renoviert. Das bedeutet, wir sind nach Feierabend von unseren ‚normalen‘ Jobs hergekommen und haben weitergearbeitet, bis alles fertig war. Freizeit hatten wir damals nicht viel“, schmunzelt er.

Keiner der beiden hatte davor Erfahrung als Unternehmer. Zwar hatte Ibrahim früher in einem bekannten Cateringunternehmen gearbeitet, aber eine Shisha- und Cocktail-Bar zu schupfen ist völlig anders. „Natürlich wa- ren wir zu Beginn ein wenig unsicher. Aber mittlerweile sind wir über uns selbst hinausgewachsen und stolz auf die Arbeit, die wir leisten, besonders auf unsere hauseigenen Shisha-Kreationen wie die ,Red Bomb‘.“

Inzwischen ist das Lokal mit orientalischem Flair ein beliebter Treffpunkt für Shisha-Fans. Auch jetzt, drei Jahre nach der Eröffnung, sind die Tage lang. Ein neuer Schanigarten wird ebenfalls noch diesen Sommer eröffnet.

 

 

 

GROSSE LERNKURVE

Roland Mosh betreibt sein Handyfachgeschäft seit mehr als zehn Jahren. Der Unternehmer mit israelischen Wurzeln hat sich in der Nähe des Schwedenplatzes angesiedelt. „Ich wollte schon immer Unternehmer sein“, sagt er, „aber um das zu schaffen, muss man ständig dazu- lernen.“ Gerade im Bereich des Mobilfunks hat

sich die Technik rasant entwickelt. Vor zehn Jahren waren die Wün- sche der Kunden überschaubar. Sie beschränkten sich auf den Einbau von Leuchtantennen, oder dem Tausch des Handy-Covers. Heute sind es komplexe Aufgaben wie der Tausch des Touchscreeens und Wasser- schäden an teuren High-End-Mobiltelefonen und Tablets. Mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten war neben dem täglichen Geschäft keine leichte Sache.

„Ich bin ein Arbeitsmensch, ich mag immer etwas tun“, sagt Roland, der neben Hebräisch, Deutsch, Englisch auch Russisch beherrscht. „Die Kundschaft freut sich darüber. Das ist eben Service!“, schmunzelt er.

Anfangs denkt man gar nicht daran, welche zusätzlichen Fähigkei- ten noch notwendig sein könnten, um alles am Laufen zu halten. „Ich hatte am Anfang keine Ahnung von Buchhaltung und musste mir das ganz schnell beibringen.“ Das sind Notwendigkeiten, die für ein dauerhaftes Bestehen eines Unternehmens sorgen. Und wenn sich dann die Erfolge einstellen, lohnt sich die Mühe. „Ich habe meine Freiheit über die Selbstständigkeit gefunden“, sagt Roland zufrieden.

GUTE PLANUNG LOHNT SICH

Die ersten drei Jahre gelten als die schwierigsten im Leben eines Unter- nehmens. Im ersten und zweiten Jahr des Bestehens werden viele För- derungen und Nachlässe gewährt. Daran gewöhnen sich manche Unternehmer, bei denen es im dritten Jahr dann ordentlich kracht. Nach dieser Frist werden nämlich die Voraus- und Nachzahlungen für Steu- er und Sozialversicherung fällig. Für schlecht geplante Unternehmen ohne Geld im Sparschwein, kann das schnell die Zahlungsunfähigkeit bedeuten. Dann kann der Traum vom Unternehmertum schnell zum Albtraum werden. Um das zu vermeiden, berät die Wirtschaftskammer Jungunternehmer in Rechtsfragen, Finanzierungsmöglichkeiten und auch Sozialversicherungsthemen und Förderungen.

Brigitte Jank, Präsidentin des WKW: „Unsere Erfahrungen zeigen, dass künftige Unternehmer, die sich im Vorfeld sorgfältig und professionell auf die Selbstständigkeit vorbereiten, die besten Chancen haben, erfolgreich zu sein. Um den Bedürfnissen migrantischer Unternehmer Rechnung zu tragen, bieten wir Beratungen, Informationsbroschüren und Veranstaltungen auch in den jeweiligen Muttersprachen an.

 

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