„Ich habe durch Corona hunderttausend Euro verloren!“

02. Juli 2020

Mehmet Kocak ist seit den 90er Jahren fester Bestandteil der migrantischen Gastro-Szene in Wien. Trotz Corona blickt er mit seinem Event-Center im Stadtrand optimistisch in die Zukunft. Um zu überleben, dürfe man sich nicht auf die staatlichen Unterstützungen verlassen, erzählt er im biber-Interview.


Von Amar Rajković, Fotos: Zoe Opratko

Mehmet Kocak
Foto: Zoe Opratko

BIBER: Mehmet, wie viel Geld hast du vom Staat seit Ausbruch von Corona erhalten?

MEHMET KOCAK: Ich habe vom AMS rund 1900€ für die Kurzarbeit bekommen. Dazu noch 1000€ von der Wirtschaftkammer im Rahmen des Härtefallfonds.

Der Landtmann-Besitzer Berndt Querfeld beklagte in einem Standard-Interview die schleppenden Staatshilfen. Er erwarte ein Sterben der österreichischen Kaffee und Gasthäuser. Wie sieht es mit der Restaurant-Szene im migrantischen Milieu aus?

Alle jammern, aber ich kenne kein einziges Restaurant in Favoriten, das zusperren musste. Die drei Monate waren natürlich nicht gut, aber jetzt läuft doch alles wieder.

Die Regierung stand in der Kritik, weil die Hilfen zu langsam ausbezahlt wurden, die Abwicklung zu kompliziert war.

Müssen wir über Politik reden? Auf andere schimpfen entspricht nicht meinem Charakter. Ich mag das nicht.

Wie geht es mit deinem Event-Center weiter?

Die meisten geplanten Hochzeiten im Zeitraum von März bis August wurden abgesagt. Dadurch habe ich ca. 30.000€ Umsatz im Monat verloren. Blöderweise fiel der Fastenmonat Ramadan heuer  mitten in die Corona-Zeit. Auch da musste ich auf den Umsatz von ca. 100.000€ verzichten. Seit Juni haben wir wieder geöffnet und es geht langsam bergauf.

Aber Mehmet, als richtiger Wiener müsstest du doch jammern und dein Leid beklagen.

Ich habe in meinem Leben schon zwei Lokale verloren und jammere nicht. Ich habe das damalige „Etap“ meinem Sohn übergeben. Er hat es leider nicht geschafft, es erfolgreich zu betreiben und musste zusperren. Auch das Restaurant in der Operngasse im 1. Bezirk mussten wir schließen.

Liegt das an deiner Mentalität? Viele Migranten kamen aus Ländern, in denen sie keinen Cent vom Staat gesehen haben und trotzdem irgendwie überleben mussten.

Ich bin in den 90er Jahren aus Yozgat nach Wien gekommen. Ich habe im damaligen Etap als Kellner angefangen, bevor ich es selbst übernommen habe. Das Einzige, was ich aus dieser Zeit bereue, ist, dass ich keinen ordentlichen Deutschkurs belegt habe.

Etap
Der Betrieb im Etap-Event-Center kommt nur langsam auf Touren. Foto: Zoe Opratko

Warum hast du dein Herzensprojekt, das „Etap“ im 16. Bezirk aufgegeben?

Die Restaurants haben mich nach über 20 Jahren todmüde gemacht. Ich wollte was anderes machen und habe deswegen 2009 viel Geld in die Hand genommen und in das Event-Center, das ich heute führe, investiert. Es ist eine leichtere und vorhersehbarere Arbeit als im Gastrogeschäft. Ich kann leichter vorausplanen, weil ich ganz genau weiß, dass 100 Leute zur Hochzeit kommen. Im Restaurant weißt du nie, wie der nächste Tag sein wird. Darauf hatte ich keine Lust mehr.

Woher kommen die zahlenden Kunden?

60-70% kommen aus der türkischen Community. Dazu haben wir Gäste aus Albanien, Bosnien und autochthone Österreicher. Ich habe als Unternehmer niemals Politik thematisiert, aus diesem Grund kommen die Leute von überall. Wir hatten auch eine armenische Hochzeit hier, diese Woche gibt es eine persische.

Seit dem Lockdown haben schon wieder Hochzeiten stattgefunden. benehmen sich die Menschen anders?

Die Menschen sind viel vorsichtiger. Es kommt vor, dass 100 Gäste auf der Liste stehen, aber nur 70 oder 80 auftauchen, weil sie Respekt vor großen Menschenmengen aufgrund von Corona haben. Eine Ausnahme war letztens eine tschetschenische Hochzeit, bei der 120 Gäste erschienen sind. Wegen der strengen Corona-Bestimmungen habe ich im Nebenraum kurzerhand Tische und Sessel aufgestellt. Somit war das Problem gelöst!

Gibt es für den Sommer bereits viele Reservierungen?

Viele Menschen rufen an und hoffen, dass wir jetzt günstiger sind. Der Trend geht weg von großen hin zu kleineren Hochzeiten. Im August sind ein paar Termine frei, September und Oktober ebenfalls. Aber das wird schon, da mache ich mir keine Sorgen.

Woher sollen die Leute vom Etap-Event-Center erfahren? Machst du Werbung?

Nein, Werbung brauche ich nicht. Die Leute wissen, dass ich gute Arbeit mache, sie kennen meinen Namen.

Bist du ein Chef, der alles kontrollieren muss?

Kocak schaut zu seiner Mitarbeiterin und beginnt zu grinsen. Ich muss überall eingreifen, ich muss überall helfen. Ich packe auch selbst an. Ich kann nicht anders. (lacht)

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