Kindergärtnerin mit Niqab sorgt für Erregung!

22. Oktober 2015

...eine unterbezahlte, übermüdete Pädagogin alleine mit 15 ein- bis dreijährigen Kindern nicht.


Von Dudu Kücükgöl

Seit die Krone über einen Kindergartenausflug berichtet hat, an der eine Frau mit einem Niqab (Gesichtsschleier) teilgenommen haben soll, sind alle um das Wohl unserer Kinder besorgt. „Wie soll sie unsere Werte vermitteln? Wie ihrer pädagogischen Aufgabe gerecht werden?! Die Kinder müssen Angst doch haben!“

Eine Niqab-Diskussion möchte ich nicht führen. Ich trage keinen Niqab, er ist nicht meine Wahl. Andere Frauen tragen ein oder kein Kopftuch, lange oder kurze Haare, Männerhosen oder Miniröcke - das ist ihre Wahl. Überhaupt leben und kleiden sich Menschen, wie sie möchten und das ist richtig und wichtig so. Es geht nämlich schlicht und einfach niemanden etwas an, wenn sich unsere Mitmenschen in unserer Demokratie ihrer verfassungsmäßig gewährleisteten Freiheiten erfreuen.

Ich frage mich nur, wo all diese um das Wohl unserer Kinder besorgten Menschen bisher waren und warum sie erst jetzt ihrer Sorge so viel Ausdruck verleihen. Seit Wochen versuchen nämlich Kindergartenpädagoginnen in Wien selbst durch Proteste und Demonstrationen auf die Themen aufmerksam zu machen, die für sie wichtig sind: Sie fordern bessere und einheitliche Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung, einen Betreuungsschlüssel, der wissenschaftlichen Erkenntnissen über die frühkindliche Förderung entspricht und damit bessere Betreuung für unsere Kinder.

Wer sich für das Wohl unserer Kinder interessiert, sollte sich anhören, was sie zu sagen haben und die Missstände, auf die sie hinweisen, zum Beispiel in diesem ausführlichen Interview mit zwei Pädagoginnen. Leider erzielen die Pädagoginnen mit ihren Forderungen nicht halb so viel Aufmerksamkeit, wie eine Frau, die eigentlich nur in Ruhe ihre Religion praktizieren möchte. Aber das Problem der Aufmerksamkeit kann man vielleicht lösen.

Vor kurzem haben indigene, kanadische Aktivistinnen eine solidarische Aktion gestartet, weil ihnen niemand zugehört hat. Aus dem VICE-Bericht:
Während in Kanada indigene Frauen unter Gewalt und Rassismus leiden und es eine lange Liste von vermissten und entführten Frauen gibt, konzentrierte sich der „frauenpolitische“ Wahlkampf des konservativen (bald nicht mehr) Premierministers auf den Verbot des Niqab. Daraufhin verhüllten die kanadischen Aktivistinnen mit Schalen ihren Kopf und ihre Gesichter und fragen: #DoIMatterNow. Auf Deutsch ungefähr: „Bedeute ich jetzt was?“ Oder frei übersetzt: „Interessiert sich jetzt jemand für mich?“

Sie machen sich aber damit keineswegs lustig über die Frauen, sondern nehmen eine klare solidarische Haltung ein: "Indigene Frauen kämpfen für das Recht sicher und in der Kontrolle über unsere Körper zu sein. Anstatt eine Untersuchung zu starten, um den systematischen Rassismus aufzudecken, der zu einer Epidemie von vermissten und ermordeten, indigenen Frauen geführt hat, attackiert Harper unsere muslimischen Schwestern für die Wahl ihrer Kleidung. Premierminister Harper, es ist mein Körper, meine Kleidung und meine Entscheidung.“

Vielleicht sollten die Kindergartenpädagoginnen das nächste Mal einfach in Niqabs auftauchen, wenn sie möchten, dass ihnen jemand zuhört?

Kommentare

 

Nagut: Bei der Kopftuchsache ist es eben so, dass es nicht darum geht, ob man mit zweierlei Maß misst, oder ob das jetzt Widerstand gegen gesellschaftlich erzwungene sexistisch-freizügige Frauenkleidung ist, oder ob eine Frau das Kopftuch aus freier Entscheidung oder aufgrund von Zwang trägt. Nein.
Wenn das Kopftuch aus religiösesn Gründen getragen wird geht es darum, dass es ganz unabhängig von der persönlichen Geschichte der Trägerin ein Symbol ist.
Ein Symbol für Unterdrückung und für Ungleichbehandlung.
Ein Symbol dafür, wie Religion sich über rechtsstaatliche Grundrechte hinwegsetzt und genutzt wird um Frauen zu kontrollieren.
Es ist ein Symbol gegen Feminismus und für das Patriarchat.

Und zwar, weil es ein religiöses Gebot ist, nachdem sich nur die Frauen, aber nicht die Männer richten sollen. Die Frauen müssen, die Männer müssen nicht. Soisses. Das ist eine Ungleichbehandlung. Punkt. Wenn der Stoff aus religiösen Gründen getragen wird kann man das objektiv-logisch nicht anders sehen und auch nicht in ein ich-wehre-mich-gegen-sexistisches-Modediktat umfärben.

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