NICHT WIE DIE ANDEREN

03. Februar 2014

Die Mitschüler nennen uns „Schlampe“ oder „Homo“, nur weil sie uns nicht in ihre Schubladen stecken können. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen und kämpfen Tag für Tag für unsere Rechte als junge Frauen und Männer. Das sind unsere Geschichten.

 

Von Albulena Osmanaj, Fatih Yalcin, Sita Comfort Ampofo und Marko Mestrovic (Fotos)

 

„MÄDCHEN HABEN NUR MODE UND SCHMINKE IM KOPF, MEHR NICHT.“

„Konzentriere dich lieber auf die Schule, anstatt auf die neueste Mode“, „Wenn du die Zeit, die du vor deinem Schrank verbringst,
doch lieber in etwas Sinnvolles investieren würdest...“ – solche Kommentare kommen von Familie, Freunden, Klassenkollegen
und sogar meinen Lehrern, aber mir ist das egal, denn ich liebe Fashion und das sieht man mir eben an. Was man mir anscheinend
auch noch ansieht, ist, dass ich dumm bin und nichts kann. Völliger Bullshit! Mode ist mein Hobby, so wie es für den einen Gitarre spielen ist. Wird der aber dafür als dumm abgestempelt? Nein! Ich dagegen ständig. Schreibe ich eine Eins auf eine Schularbeit, heißt es: „Du und eine Eins? Wie das?“ Die denken, dass ich den ganzen Tag nur vor dem Spiegel stehe und mir die Haare frisiere. Das stimmt nicht. Ich lese gerne, ich interessiere mich für Politik, Wirtschaft, Geschichte und vieles mehr – aber eben auch für Fashion und Make-up. Da ich die Schnauze voll von den Kommentaren hatte, wollte ich es wissen und habe mich einem IQ-Test unterzogen und siehe da, mit einem Intelligenzquotienten von 131 bin ich hochbegabt. Meine Klassenkollegen wollten das nicht glauben, die denken tatsächlich noch immer, dass Mode und Intelligenz sich nicht vereinen lassen. Ich habe mir überlegt, woher ihre Denkweise kommt. Wenn man sich erfolgreiche Frauen wie Angela Merkel ansieht, assoziiert man mit ihnen nicht unbedingt Mode und gutes Aussehen. Vielleicht würde man sie auch nicht ernst nehmen, würden sie sich herrichten. Obwohl, Michelle Obama ist immer modisch gekleidet und trotzdem sagt man ihr nicht nach, dass sie einfach nur als Modepüppchen an der Seite von Obama steht. Dass sie ihr ganzes Leben lang nur Einsen geschrieben hat und besser an der Uni war als ihr Mann, beweist einmal mehr, dass Schönheit und Intelligenz sehr wohl zusammenpassen. Trotzdem verbinden die meisten mit einer hübschen und stylischen
Frau Oberächlichkeit und Dummheit. Aber das Einzige, was hier dumm und oberächlich ist, sind diese Vorurteile. Ich kann als Frau auch auf mein Aussehen achten und trotzdem etwas im Köpfchen haben und Karriere machen – wann begreift ihr das
endlich?


„BIST DU SCHWUL ODER WAS?“


Es ist Samstag, 14 Uhr: Ich bin in einer Redaktionssitzung, die meisten Jungs in meinem Alter sind noch restfett am Schlafen Sonntag: Ich beim Schauspielern für eine neue Serie. Danach diskutiere ich mit meinen Kollegen über das Schulsystem oder die
Politik – die meisten Jungs in meinem Alter diskutieren über Fußball und Mädls. Nur weil ich nicht der typische 17-jährige Wiener Türke bin, muss ich mir von anderen Burschen anhören, dass ich schwul bin. Wir schreiben das 21. Jahrhundert und diese Hinterwäldler glauben ernsthaft, dass man schwul sein muss, um andere Interessen zu haben als sie. Mittlerweile berühren mich diese Beschimpfungen nicht mehr. Ich habe erkannt, dass solche Beleidigungen entstehen, weil Männer noch immer nicht im Stande sind, ihre Gefühle offen zu zeigen. Deshalb machen sie einen auf aggressiv um stärker dazustehen. Heutzutage findet Mobbing unter jungen Männern nach wie vor statt. Es reicht, nicht die typisch „männlichen“ Hobbys zu haben, um fertiggemacht zu werden. Als ich mich entschieden habe, bei der Jugendredaktion der Fernsehsendung CU-Television (Okto-TV) mitzumachen, wurde mir das zum Verhängnis. Ich habe dort als Moderator angefangen, moderiere unter anderem Festivals und bekomme Geld für das, was ich liebe. Seitdem werde ich von anderen Jungs als „Schwuchtel“ beleidigt und bedroht. Ich habe trotzdem weitergemacht. Jetzt bin ich in der Redaktion nicht nur Moderator, sondern auch Redakteur, ich mache von der Idee bis zum Schnitt alles selber. Ich sage euch eines: In der Redaktion sind viel mehr hübsche Mädls als bei euch auf der Fußballtribüne oder beim Fortgehen. Ich soll jetzt der Komische sein, nur weil ich meine Zeit sinnvoll nutze, meinen Traum lebe und weiß, was ich will? Geht ihr nur lieber weiter pumpen, saufen und feiern – wir sprechen uns dann noch einmal in 10 Jahren.


„SCHLAMPE!“

Ich komme ursprünglich aus Ghana, bin aber in Österreich aufgewachsen. In meiner Kultur ist es so:
Wenn man ein Mädchen ist, darf man keinen Freund haben. Fortgehen ist tabu. Bin ich fortgegangen, gab es gewaltige Konsequenzen. Die Jungs aber dürfen alles. Sie dürfen eine Freundin haben, man klopft ihnen dafür sogar anerkennend auf die Schulter. Sie können fortgehen, trinken und anziehen, was sie wollen. Zieht ein Mädchen einen Minirock und High Heels an, heißt es gleich: „Schlampe!“ Und das ist sogar in Österreich so. Selbst Mädchen untereinander beschimpfen sich als Schlampen, dabei sollten wir doch zusammenhalten, gemeinsam für unsere Rechte kämpfen. Mittlerweile hat sich der Begriff „Schlampe“ schon so durchgesetzt, dass sich Freundinnen untereinander so nennen, ohne es böse zu meinen. Auch immer mehr Jungs werden als männliche Schlampen betitelt. Wieso konnte man dafür nicht ein neues Wort erfinden, sondern benutzt das weibliche „Schlampe“? Das ist ungerecht. Das Schlimmste sind die Frauen, die sich mit Macho-Männern solidarisieren. So meinte eine Bekannte neulich: „Wenn ich ein Junge wäre, würde ich auch alle Mädchen ficken und dann damit angeben.“ Geht‘s noch? Klar haben Mädchen hierzulande mehr Rechte als woanders. Aber das heißt nicht, dass sich die Einstellung in den Köpfen der Menschen verändert hat. Es gibt noch immer diese Klischees: Mädchen müssen gut in der Schule sein, wohlerzogen, auf ihren Ruf achten, nicht zu viele wechselnde Partner haben – und Jungs? Umso mehr Probleme sie machen, desto cooler sind sie. Je mehr Freundinnen sie haben, desto beliebter sind sie. Als eine Kollegin mit schlechten Noten nach Hause kam, meinte ihre Mutter: „Du bist eine Schande für die Familie! Wärst du bloß ein Junge, dann wären mir die schlechten Noten egal.“ Als der Bruder einer anderen Schüler-biber-Redakteurin seinem Vater erzählte: „Ich bin jetzt mit der Klassenschlampe zusammen“, lobte ihn sein Vater. Dass daneben seine Tochter stand, die auf keinen Fall einen Freund haben darf und sich dieses abwertende Gerede über Frauen anhören musste, interessierte ihn nicht. Solange sich diese Einstellung in den Köpfen der Leute nicht wandelt, wir nicht sensibler umgehen mit dem, was wir sagen, können wir auch in Österreich nicht von Gleichberechtigung
sprechen!

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Kommentare

 

a bisserl "gay" kommt der gute schon rüber,...

ist aber nicht nicht negativ gemeint- steh halt zu deinen Vorlieben.
Respekt, abi!

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