Wo gehen Sie auf die Toilette, Herr Ehrenhauser?

17. April 2014

Martin Ehrenhauser ist EU-Spitzenkandidat von „Europa Anders“. Am Sonnte stürmte er aus einer ORF-Sendung und campiert seitdem auf dem Ballhauspaltz in Wien. Mit biber sprach er über nette Kellner im Landtmann, ein Hypo-Haftungsboykott und PR-Aktionen im Wahlkampf.

Von Marina Delcheva, Nikolina Novkovic und Marko Mestrovic (Foto)

 

biber: Seit Sonntag campieren Sie auf dem Ballhausplatz. Wie lange wollen Sie hier noch ausharren?

Ehrenhauser: Wir wissen noch nicht, wie lange die Reise geht und wohin sie führt. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich die nächsten Tage auch noch hier bleibe.

 

Wo gehen Sie eigentlich auf die Toilette?

Das ist ganz interessant. Viele Leute, auf die wir ein bisschen einen Unmut haben, verkehren im Landtmann. Aber die Kellner dort solidarisieren sich mit uns und lassen uns auf die Toilette. Bei ihnen bekommen wir auch heißes Wasser für Tee. Es gibt auch einige andere Kaffees, wo wir die Toiletten benutzen dürfen.

 

Sie fordern einen sogenannten Hypo-Haftungsboykott. Was bezwecken Sie konkret mit Ihrer Aktion?

Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die Art und Weise, wie wir Banken retten, ein großes Verbrechen ist. Wir betreiben eine Sparpolitik und sparen bei den Bildungskosten. Die Bankenrettung ist nicht systemrelevant. Menschen sind systemrelevant. Und deshalb möchten wir, dass Menschen die Möglichkeit bekommen aufzustehen und „nein“ zu den Haftungen zu sagen. Jedes Kleinunternehmen und jedes mittelständisches Unternehmen, das derart spekulativ wirtschaftet, wie es die Hypobank gemacht hat, und dann pleite ist, geht in Konkurs. Das ist ganz normal. Bei den Banken soll es plötzlich anders sein?

 

Sie wollen eine Volksabstimmung darüber, ob die Hypo gerettet werden soll?

Ein Begehren. Gestern haben wir ein Volksbegehren gestartet. Wir brauchen 8401 Unterschriften um eine Volksabstimmung über diesen Haftungswahnsinn durchzuführen. Das ist unser Ziel.

 

Die Hypo-Rettung ist nun ein eher innenpolitisches Thema. Wir befinden uns aber im EU-Wahlkampf. Welche Forderungen hat ihre Partei „Europa Anders“ auf EU-Ebene?

Wir wollen diese Europäische Union vom Kopf auf die Füße stellen: Den Rat abschaffen, zweite Kammer im Parlament, Interessen ins Europäische Parlament integrieren, Kommissionspräsident direkt wählen, Initiativrecht fürs Parlament und und und. Zweites wichtiges Thema ist die Standortkonkurrenz. Wir sind in einer Situation, wo transnationale Unternehmen Regierungen erpressen. Die gehen hin und sagen: Wenn ihr uns keine Steuererleichterung gebt, dann gehen wir. Klassisches Beispiel: Raiffeisen. Wollen nicht zahlen, drohen damit, dass sie nach Bayern gehen. So etwas kann man zum Beispiel entgegenwirken, indem man Lohn- und Steuerpolitik harmonisiert. Wir haben ein anderes großes Verbrechen und das passiert derzeit im Mittelmeer vor Lampedusa, wo wir massenhaft Menschen ertrinken lassen. Weil wir eine große Festung EU aufbauen – mit Frontex, mit Stacheldraht, mit Mauern.

 

Wie kann man dieses Problem lösen?

Das kann man machen, indem man erstens den Zugang zu Asyl legalisiert. Es kann ja nicht sein, dass die Menschen nur illegalerweise nach Europa kommen können um Asyl anzusuchen. Zweitens ist es wichtig, dass wir die Verantwortung dafür gerecht und solidarisch verteilen. Es kann nicht sein, dass nur Italien und Griechenland damit zu Recht kommen müssen.

 

Sie fordern also einen gemeinsamen Mindestlohn und eine gemeinsame Steuerpolitik. Österreich ist eines der reichsten Länder in der EU. Wenn man jetzt über den Durchschnitt verteilt, glauben Sie nicht, dass Österreich eines jener Länder wäre, die etwas verlieren würden? Z.B. beim Lohnniveau, bei den Budgeteinnahmen durch Steuern…

Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass wir in Europa davon profitieren. Weil es ja darum geht, diese Abwärtsspirale einzudämmen. Wir verlieren permanent. Wenn wir das Niveau angleichen, können wir diese Spirale endlich stoppen.

 

 

Ein Thema, dem in Ihrem Wahlprogramm viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist Netzneutralität und die Vorratsdatenspeicherung. Die Netzüberwachung ist aber ein globales Problem. Wie kann die EU verhindern, dass ihre Bürger von ausländischen Geheimdiensten ausgespäht werden?

Wir müssen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedsstaaten unterscheiden. Geheimdienstliche Aktivitäten werden von den Mitgliedsstaaten durchgeführt. Die EU ist natürlich ein wichtiger wirtschaftlicher und politischer Akteur in der globalen Politik. Dementsprechend wäre es auch wichtig, dass hier Druck ausgeübt wird auf Länder, die derartige Maßnahmen machen. Auch diese ganze Terrorismuspolitik, die gemacht wird. Wir müssen die ganzen Projekte, die in der letzten Dekade durchgeführt wurden, evaluieren und schauen, was Sinn macht. Vorratsdatenspeicherung: Abschaffen!

 

Letzte Woche lag „Europa Anders“, ein Bündnis aus KPÖ, Piraten und der Wandel, in Meinungsumfragen bei zwei Prozent. Für den Einzug ins EU-Parlament brauchen Sie mindestens fünf. Erhoffen Sie sich durch diese Kampier-Aktion mehr Stimmen?

Wir können natürlich nicht leugnen, dass wir im Wahlkampf sind. Und natürlich leugnen wir nicht, dass die Aktion Teil des Wahlkampfs ist. Das war klassischer Aktionismus um der Materialschlacht, der man im Wahlkampf ausgesetzt ist, eine kreative Idee entgegen zu setzen. Und wenn uns danach ein paar Leute mehr wählen als davor, nehmen wir das gerne an.

 

Wenn die Aktion hier vorbei ist, können Sie ihr Feldbett zusammenklappen und nach Hause gehen. Viele Menschen können das nicht und müssen weiterhin auf der Straße schlafen. Finden Sie ihre Obdachlosen-Aktion diesen Menschen gegenüber respektvoll?

Uns haben ganz viele etwas vorbei gebracht. Wenn diese Menschen etwas benötigen, dann sind sie ganz herzlich eingeladen vorbei zu kommen und sich etwas zu nehmen. Zweitens werde ich einen großen Teil meines Einkommens, in der KPÖ-Graz wird das beispielsweise gemacht, für soziale Zwecke spenden. Wir möchten danach ein Zeichen setzen, dass man das auch anders machen kann. Das ist wirklich ein großes Problem und Sie können sicher sein, dass wir niemanden vor den Kopf stoßen wollten.

 

Martin Ehrenhauser ist Spitzenkandidat von „Europa anders“ – ein Bündnis aus KPÖ, den Piraten und „der Wandel“. Er ist der erste EU-Spitzenkandidat, den wir im Rahmen unserer Interviewserie treffen. Und weil sein Büro gerade ein Zelt vor dem Bundeskanzleramt ist, haben wir ihn dort auf seinem Feldbett interviewt.

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