SO EMPFÄNGT WIEN FLÜCHTLINGE

Von Alexandra Stanic
Alle Fotos von Susanne Einzenberger

Alle Wege führen nach Deutschland. So scheint zumindest die Stimmung am Westbahnhof zu sein. Denn jeder, den ich gefragt habe, hatte nur ein Ziel: "Alemania!"

Rund 3650 Flüchtlinge waren am Montagabend am Westbahnhof angekommen. Der Flüchtlingsstrom geht mittlerweile zurück, die Züge sind nicht mehr so überfüllt. Wir waren heute einige Stunden am Westbahnohf, um uns ein Bild von der Situation zu machen. Was dabei rausgekommen ist? Wiens Bevölkerung zeigt Engagement, Organisationstalent und Menschlichkeit - eine Info am Rande: Der Großteil der Helferinnen war weiblich.

In manchen Momenten hat es so gewirkt, als wären mehr Journalisten und Fotografen als Flüchtlinge anwesend. Das Lieblingsmotiv der Kamera-Menschen waren übrigens Mütter mit Kleinkindern. Bei der Essensausgabe ist Arabisch zu hören, einmal schimpft eine Helferin mit Fotografen, die den Flüchtlingen den Weg versperren. Ich komme mir auch ein bisschen dumm vor, als ob ich nur störe. "Wie die Geier stürzen sie sich auf sie", meint ein befreundeter Fotograf und deutet auf eine Gruppe von Journalisten, die Flüchtlingen Mikrofone und Linsen ins Gesicht halten.

Auf Gleis Neun spreche ich einen jungen Mann an, der auf den Zug wartet. Wir kommen ins Gespräch, er erzählt mir, dass er zehn Tage gereist ist und jetzt weiter nach Deutschland will. Wir haben nicht viel Zeit, er steigt mit einer Gruppe in den Zug ein. Ich werde stutzig: Wollte er nicht nach Deutschland? Dieser Zug wäre aber nach Bregenz gefahren. Ich frage bei einem ÖBB-Mitarbeiter nach, er erklärt mir, wo die Flüchtlinge hinmüssen. Ich hole die zehn Jungs aus dem Zug und begleite sie zum richtigen Waggon.

Später unterhalte ich mich mit einem Jungen, der vor zwei Jahren selbst aus Syrien nach Österreich geflüchtet ist und jetzt als Übersetzer aushilft. Abudi ist 18 Jahre alt und spricht außerordentlich gut Deutsch. Er hilft mir bei der Kontaktaufnahme zu einer jungen Frau, die uns erzählt, dass sie einen Monat lang mit zwei kleinen Kindern, ihrem Mann und ihrem Neffen gereist ist. Eine Woche waren sie zu Fuß unterwegs - es war kein Schlepper zu finden. Sie wirkt müde, während sie von Syrien erzählt und warum sie flüchten mussten: "Überall waren nur Bomben. Viele unserer Familienmitglieder sind noch dort, sie haben kein Geld, um zu fliehen."

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