"Afghanistan - wo kleine Kinder Panzer fahren."

14. August 2018

Wenn ich sage: "Ich komme aus Afghanistan", dann folgt ein Schweigen. Afghanistan. Krieg. Taliban. Korrupte Regierung. 

Afghanistan. Meine zerstörte Heimat. In der Schule war meine Stimme immer laut und deutlich, als ich antwortete, woher ich kam: „Ich komme aus Afghanistan.“ Dies war einer der Sätze, den uns mein Vater beigebracht hatte. Die Kinder staunten, wenn sie „Afghanistan“ hörten. Sie wussten gar nicht, wo sich das Land befand. So neu war ihnen der Name. Ein Kind sagte einmal im Unterricht „Aha. Afghanistan. Wo kleine Kinder Panzer fahren", und die anderen sagten es ihm nach. Das war der Satz, der zu einem Song innerhalb der Klasse mutierte. „Geh doch nach Afghanistan, wo kleine Kinder Panzer fahren.“ Ich überlegte? Was war ein Panzer? Ein Tier vielleicht? Wirklich nichts konnte ich mir darunter vorstellen. Eine weiße Fläche. Ein weißes Papier. Das war das Bild in meinem Kopf. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als wäre es gestern gewesen. Dabei ist es schon 14 Jahre her, so prägend war dieses Panzerlied für mich. Mein Heimatland habe ich nie mit Panzern und Gotteskriegern verbunden, bis ich die Fernsehbilder sah, die Bücher las, die über Afghanistan geschrieben wurden. Sie handelten von Krieg, Krieg, Krieg. Ich hatte davon nichts mitbekommen.

In Afghanistan genoß ich als kleines Mädchen die Sonne, den Regen, den Schnee und sogar den Bienenstich, an den ich mich heute noch ganz genau erinnere, so lebendig war diese Zeit. Ich verstand damals nicht, wo ich war und dachte nicht an Krieg und den Terror, der schon damals in Afghanistan präsent war. Kein Wunder, ich war auch ein kleines Mädchen, bevor ich mit sieben Jahren nach Österreich, Wien Simmering, kam. Ich lese über Afghanistan in den Büchern,  in den Zeitungen und lerne es ganz neu kennen. Gewalt, Terror, keine Zukunft für die Menschen. Ich bin schockiert, ich bin fassungslos. Ich schmiede Pläne. Ich will dieses Land retten, schließlich ist es mein Heimatland. Ich will den Kindern helfen, Waisenhäuser und Schulen bauen und die Taliban verbannen. Was für ein Traum! Ein unmöglicher Traum? Wie naiv von mir. Die ganze Welt hat Afghanistan aufgegeben. Die Menschen. Die Kinder. Es ist schwer, Afghanistan zu verstehen. Das Land weint in seiner umfassenden Schönheit. Es beweint seine Bewohner und die Zerstörung, die es erfahren hat. Es beweint vor allem den schlechten Ruf, den es bekommen hat. Diesen schlechten Ruf hat es vor allem in der Flüchtlingskrise bekommen. Junge Flüchtlinge am Praterstern.

Meine Stimme ist leise, wenn ich sage, ich komme aus Afghanistan. Ein beklemmendes Gefühl. Ich achte auf die Reaktionen. Kein so schönes Gefühl. Zu viele Schlagzeilen. Zu viele Taliban. Nein. Das ist nicht mein Afghanistan.

 

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