Aufgewachsen zwischen Bratislava und Alexandria

24. Januar 2023

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Privataufnahme: Layla Ahmed

Arabische Kinderlieder singen und zum Skifahren in die Hohe Tatra fahren: Als Halb-Slowakin und Halb-Ägypterin, die in Wien geboren und aufgewachsen ist, war mein Leben schon immer etwas bunter.

„Was für eine interessante und unbekannte Mischung!“, ist meist das Erste, was ich zu hören bekomme, wenn man mich fragt, woher ich „wirklich“ komme. Meine Mutter ist gebürtige Slowakin und mein Vater Ägypter. Diese Kombination finden einige spannend, doch oft lässt die nächste Frage nicht lange auf sich warten: Wie kommt das zu Stande? Und wie läuft es bei euch zuhause ab? Wo die Liebe hinfällt, ist meine Antwort. Es kann nicht alles so harmonisch in einem multikulturellen Haushalt verlaufen, zumal die osteuropäische Kultur mit der arabischen kaum Ähnlichkeiten hat. Meine Eltern sind mit entgegengesetzten Werten großgeworden, haben unterschiedliche Erziehungsmethoden und sind jeweils in einem anderen Umfeld aufgewachsen. Eines haben sie allerdings gemeinsam: Beide haben selbst eine strenge Erziehung genossen und diese habe auch ich zu spüren bekommen. Trotz ihrer Unterschiede haben sie immer einen Weg gefunden, sich zu einigen, in dem beide etwas Toleranz zeigen.

Die Unterschiede habe ich erst im Teenageralter so richtig gespürt. Männliche Freunde zu haben ist für meine Mama normal - für meinen Vater jedoch unvorstellbar. Dass ich mit 13 begann, mit Freund:innen ausgehen zu wollen, war für meine Mama nie eine Diskussion wert. Mein Vater sah dies hingegen kritischer: Übernachtungen sind Tabu gewesen, genauso wie Jungs. Um ehrlich zu sein, war mein Vater schon immer auf das männliche Geschlecht allergisch und wollte von Jungs in meinem Leben auch nichts wissen, es sei denn, es waren meine Cousins. Es war weder für mich, noch für meine Eltern einfach, eine Mitte zwischen europäischer und arabischer Erziehung zu finden. Mein Vater wollte nicht, dass ich zu westlich aufwachse, jedoch war meine Mutter nicht mit all seinen Erziehungsmaßnahmen einverstanden. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht meinen Vater und sich selbst zufriedenzustellen, indem sie sowohl seine als auch ihre Erziehungsmethoden kombinierte.

Remix im Alltag: slowakische Filme und arabische Lieder

Wenn ich in meine Kindheit zurückblicke, kommen mir eigentlich nur positive Erinnerungen ins Gedächtnis. Zum Beispiel die vielen alten tschechoslowakischen Serien und Filme, die ich mit meiner Mutter anschaute, wie „S tebou mě baví svět“ (Mit dir macht die Welt Spaß). Da meine Mama aus Bratislava stammt, hatte ich es nie weit von meiner slowakischen Familie und habe sie oft gesehen. Skifahren im Winter in der Hohen Tatra war deshalb schon immer eine Familientradition, die auch eingehalten wird.

Aber auch die Kultur und Werte meines Vaters blieben nicht versteckt. Arabische Kinderlieder liefen bei uns auf und ab. Da mein Vater ein gläubiger Muslim ist, spielt auch der Islam eine Rolle in meinem Leben: Meine Schwester und ich sind immer zum Freitagsgebet mitgekommen und am Wochenende besuchten wir eine Koran- und Arabischschule. Mir wurde das Beten beigebracht und wir fasteten im Ramadan. Ich bin in Wien mit ägyptischen Kindern aufgewachsen. Dass ich ab und zu die Außenseiterin war, weil meine Mama keine Ägypterin ist und ich somit nicht „als ganze Ägypterin“ gesehen wurde, hat mich früher sehr belastet. Heute ziehe ich meine Vorteile daraus, nicht nur zwei-, sondern dreisprachig großgeworden zu sein, sowohl die slowakische als auch die arabische Sprache zu beherrschen und weltoffener zu sein als andere in meinem Alter. Trotzdem bekomme ich oft zu hören, dass ich mich entscheiden müsse, zu welcher Nationalität ich mich mehr identifizieren könne.

„Dein Vater ist Ägypter, du bist Ägypterin“

Oft weiß ich nicht, wo ich hingehöre und wo mein Platz in der Gesellschaft ist. In Österreich werde ich als „Ausländerin“ gesehen, in Ägypten bin ich sowieso die „Agnabeya“ (arab.: Ausländerin) und in der Slowakei denkt man, aufgrund der starken Gene meines Vaters, dass ich bei weitem keine Slowakin sein kann. Ägyptische Freund:innen und Familienmitglieder sagen dann ganz stolz: „Dein Vater ist Ägypter, du bist Ägypterin.“ Auch nicht-ägyptische Freund:innen meinen, ich sei für sie mehr Ägypterin, als Slowakin. Mit diesem Problem habe ich jahrelang zu kämpfen gehabt, doch heute ist mir klar, dass ich mich für meine Wurzeln nicht rechtfertigen muss. Ich weiß, dass es niemandem zusteht darüber zu urteilen, was ich bin oder nicht bin. Ich bin gebürtige Wienerin, stolze Araberin, und genauso auch Slowakin.

 

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