Der verlängerte Arm des Jenseits – Bestatter berichten

31. Oktober 2020

Allerheiligen – Das bedeutet in christlich geprägten Gesellschaften: Auf den Friedhof gehen, Kerzen anzünden und den Toten gedenken. Ein Feiertag für die Toten. Für BestatterInnen ist die Konfrontation mit dem Tod Alltag – rund ums Jahr. Der Tod trifft uns alle – die Art der Bestattung und des Trauerns unterscheidet sich dabei je nach Glaubensrichtung. VertreterInnen aus verschiedenen Religionen berichten. 

Außerhalb von Allerheiligen ginge es auf den Friedhöfen doch eher ruhig zu, erzählt Peter Holeczek, Leiter der Bestattung Wien. Er hat prominente Persönlichkeiten wie Otto von Habsburg oder Helmut Zilk auf ihrem letzten Lebensabschnitt begleitet und betont, dass es dabei eben keinen Unterschied mache, wo jemand herkäme: „Ich habe Menschen aus einfachen Verhältnissen und hochranginge Menschen aus Politik begleitet. Die Verbliebenen kommen oft mit denselben Problemen zu mir, egal aus welcher Schicht sie kommen. Der Tod trifft uns alle gleich.“ 

 

„Wir sehen jede Erde als Erde Allahs an“

Auch wenn der Zentralfriedhof Menschen jüdischen, islamischen, orthodoxen oder buddhistischen Glaubens unterbringt, bestehe laut Holeczek vor allem innerhalb türkischer und ex-jugoslawischer Migranten noch immer ein starker Wunsch nach Beisetzung im Heimatland. 

Filip Milunović, Priester der serbisch orthodoxen Kirche und Ali Ibrahim, Leiter des islamischen Friedhofs Wien, bestätigten das. Auch wenn sich seit der Gründung eines separaten islamischen Friedhofes 2008 vermehrt Menschen islamischen Glaubens in Wien begraben lassen, bemerke er, dass die Türkei da ein Spezialfall darstelle: „Viele wollen bei ihren Familien im Heimatland beerdigt werden und haben sich da auch schon ein Grab gekauft.“ Ob das nur ein Phänomen der älteren Generation sei, sei eher schwer abzuschätzen, so Holeczek: „Wie sich die neueren Generationen entscheiden, kann man beim Tod eben nicht so genau sagen.“ 

Obwohl der Koran bei dem Ort der Beisetzung keine Vorgaben macht, scheint es sich hierbei vielmehr um eine Tradition außerhalb des Glaubens zu handeln. „Wir sehen jede Erde als Erde Allahs an“, so Ali Ibrahim.

 

Die Ruhe liegt in Israel 

Wie breit das Aufgabenfeld von Bestattungsfirmen ist, erkennt man erst wenn man sich näher mit der Thematik beschäftigt. Von bürokratischem Papierkram über rituelle Waschungen bis Transport ins Ausland. Bestattungsfirmen ziehen ihre Fäden im Hintergrund des Geschehens, um die Familien so gut es geht zu entlasten. Mordechai Hammer, Friedhofsverwalter der israelitischen Kultusgemeinde, erzählt, dass er bei einem Todesanruf alles stehen und liegen ließe, um eine Bestattung so schnell wie möglich in die Wege zu leiten. Dabei spielen auch gewisse Fristen, die die Thora vorgibt, eine Rolle. Nach jüdischem Glauben befände sich die Seele nach dem Tod in einer Unruhe, da sie noch unter den Lebenden sei aber selbst nicht lebe. Erst nach dem Begräbnis fände die Seele Ruhe, deswegen solle man sie auch so schnell wie möglich beerdigen, damit sie zur Ruhe kommt. „Einmal habe ich um sechs Uhr einen Anruf bekommen, um acht Uhr war der Arzt da und um elf Uhr war der Leichnam im Flugzeug Richtung Israel. Schlussendlich fand die Beerdigung 12 Stunden nach dem Tod statt.“, teilt Hammer mit. 

 

Das Geschäft mit dem Tod 

Sterben kann auch recht kostspielig werden. „Die Preise beginnen bei günstigeren Bestattungen von 2.500 Euro, bis hin zu 16.000 Euro. In Israel gibt es, je nach Friedhof und Standort verschiedene Preise.“, erklärt Mordechai Hammer. 

Ali Ibrahim erläutert, die Nachfrage für den Transport in die Türkei sei so hoch, dass es mittlerweile verschiedene Fonds gäbe, wie z.B. den Cenaze Fonds (cenaze türkisch = Beerdigung), der von Mitgliedschaftsbeiträgen und Vereinen unterstützt wird. Der Cenaze Fonds übernimmt die Kosten des Transports in die Türkei. 

 

McKenna Phillips Hands

 

Rituale, um die Leere zu füllen 

Neben den Bestattungsfirmen, welche die Angehörigen unterstützen und entlasten, stellen religiöse Rituale und Praktiken eine seelische Stütze dar. Auch wenn jede Religion andere Glaubenssätze hat, bieten die Religionen gewisse Handlungsanweisungen, um mit der Trauer und dem Schock umgehen zu können. Allen gemein ist die Unterstützung durch das Umfeld der Verbliebenen. Im Islam und Judentum kommt man meist über mehrere Tage im Haus des Verstorbenen zusammen, um gemeinsam aus dem Koran oder der Thora zu lesen. „Das Gedenken an den Tod ist eine kollektive Verpflichtung. Jeder Muslim sollte für den Toten, ob er ihn persönlich gekannt hat oder nicht, beten.“, erläutert Ali Ibrahim. Ähnliches erzählt Mordechai Hammer: „Nach dem Begräbnis findet die Trauerwoche statt (Schiwa-Sitzen), dabei sitzt man auf niedrigen Hockern und betet und trauert gemeinsam.“. Auch im serbisch orthodoxen Kontext steht dem Lesen aus der Bibel eine zentrale Rolle zu. 

Dazu stellt das gemeinsame Essen auch eine Art Ritual dar. Ob es in Form eines Mitbringsels oder als gemeinsames Essen stattfindet, unterscheide sich länderübergreifend, teilt Hammer mit. Durch die Vermengung mit den jeweiligen Kulturen des Landes entstünden neue Rituale. Beispielsweise äßen russische Juden gemeinsam, wohingegen in anderen Ländern das gemeinsame Essen als freudvoller Akt des Beisammenseins gedeutet und im Kontext des Trauerns als deplatziert angesehen werde.

 

Leben und Wandel

 

Der Wandel als Lebensweg 

Die unterschiedliche Auslebung von religiösen Praktiken in den jeweiligen Ländern betonte Vizepräsidentin der buddhistischen Religionsgemeinschaft Marina Jahn: „In Japan gibt es beispielsweise das 49 tägige Trauerfest. Nach jedem siebten Tag wird den Toten gedacht und am 49. Tag findet ein Abschlussfest mit gemeinsamem Essen statt. Das sieht für Buddhisten in Thailand aber dann wieder anders aus.“ Im Buddhismus gibt es keine strikten Vorgaben oder Rituale, diese seien meist kultureller statt religiöser Natur. Zudem hat der Buddhismus einen ganz anderen Zugang zum Tod. Bei den monotheistischen Religionen steht oftmals der Wille Gottes im Vordergrund, der nicht angezweifelt werden sollte. „Der Tod wird im Buddhismus nicht immer als ein trauriges Ereignis angesehen. Natürlich ist Trauer zugelassen, aber der Tod setzt dem Leben des Verstorbenen kein Ende, sondern verwandelt es in etwas anderes.“, erklärt Marina Jahn. Der Lebensweg des Verstorbenen steht hier im Vordergrund. Während der Bestattung liest man aus den Schriften Buddhas. Die Trauerbewältigung ist hier nicht unbedingt durch Vorgaben der Religion geregelt, sondern durch persönliche und positive Unterstützung der Familienangehörigen. 

 

Der Tod existiert oft sehr isoliert von unserem eigenen Leben. Das fängt schon in unserer Sprache an. Ob es Umschreibungen wie „ins Gras beißen“, „abgehen“ oder „hinüberschlummern“ sind, man versucht den Tod so gut es geht zu umgehen. Verständlicherweise. An Tagen wie Allerheiligen wird uns der Tod vergegenwärtigt. 

Das kann auch schmerzlich sein: Der Mensch möchte den Tod verstehen; einen Sinn in dem Leiden finden. Der Tod übersteigt jedoch die Vorstellung des Menschen. Religionen haben auf diese Fragen ihre eigenen Erklärungen und sie können dadurch Trost spenden. Egal welches Land, welche Kultur oder Religion. Schlussendlich bleibt es doch ein großes Fragezeichen was danach folgt. Manchmal ist ein Fragezeichen aber auch nicht schlecht, um sich mal wieder auf die Suche nach Antworten im Jetzt zu begeben. 

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