Erdoğan gegen Abtreibung

31. Mai 2016

Erdogan

Erdogan
OZAN KOSE / AFP / picturedesk.com

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach sich gestern in einer Rede in der Jugend- und Bildungsstiftung in Istanbul gegen Empfängnisverhütung aus. Muslimische Familien hätten die Pflicht, Kinder zu bekommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Erdoğan in das Privatleben der Türken und vor allem Türkinnen einmischt. So äußerte er sich in der Vergangenheit kritisch gegenüber Abtreibungen, Kaiserschnitten und der Pille danach. Abtreibung und Ehebruch sollten nach Erdoğan gar gesetzlich verboten werden. Außerdem rät er türkischen Frauen, mindestens drei Kinder zu bekommen. Der ehemalige österreichische Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer teilt eine ähnliche Einstellung zum Thema Frauen und Abtreibung. Er fordert eine verpflichtende Bedenkzeit für Frauen, bevor sie eine Abtreibung vornehmen lassen. In dem von ihm verfassten „Handbuch freiheitlicher Politik“, wird die Gebärmutter als „Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in Österreich“ beschrieben. Ich habe versucht, auf der Facebook-Seite von Norbert Hofer mit Frauen, die seine Abtreibungs-Äußerung gutheißen, sachlich zu diskutieren. Doch sie ließen sich nicht von ihrer Unterstellung, Österreich nimmt Flüchtlingskinder auf, rät aber den eigenen Leuten zur Abtreibung, abbringen. Ihre persönliche Meinung zum Thema Abtreibung konnte ich nicht ändern, aber die Frage, wieso sich Politiker im 21. Jahrhundert öffentlich zu solchen privaten Entscheidungen äußern, bleibt.

Entmündigung

Wenn ein Politiker sich in die Art der Verhütung und den Akt der Abtreibung einmischt, ist das für mich eine Form der strukturellen Gewalt und Entmündigung der Bürger. Es ist allein die Entscheidung der Frau, ob sie eine  Abtreibung vornimmt. Wenn Herr Hofer von einer Bedenkzeit spricht, signalisiert er damit, dass Frauen leichtfertig abtreiben und gesetzlich erst dazu bewegt werden müssen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Was für ein Bild wirft man hier auf Frauen? Naive, impulsive Weibchen, die mal eben zur Abtreibung gehen wie zur Maniküre? Keiner hat das Recht, Frauen zu unterstellen, sie würden ihre Entscheidung zur Abtreibung nicht gut durchdacht haben. Keiner hat das Recht, Frauen die Abtreibung zu verbieten. Das kann man gar nicht oft genug sagen!

Rechtlich gesehen

In Österreich ist der Abbruch einer Schwangerschaft seit 1975 straffrei, wenn er bis zum dritten Schwangerschaftsmonat von einem Arzt nach vorheriger Beratung durchgeführt wird. In der Türkei ist der Schwangerschaftsabbruch bis zur 10. Schwangerschaftswoche erlaubt, wobei es immer wieder Diskussionen gibt, diese Frist auf vier oder fünf Wochen zu reduzieren. In Irland ist Abtreibung übrigens erst seit 2013 unter gewissen Umständen legalisiert worden, nur damit nicht der Eindruck entsteht, das Thema würde nur muslimische Länder wie die Türkei betreffen. Die Abtreibung ist sowohl im Islam, als auch im Christentum eine Sünde.

So lange kämpfen so viele mutige Frauen für ihre Rechte, die trotzdem ständig und heute noch in Frage gestellt werden. Würde die Abtreibung beispielsweise in der Türkei abgeschafft werden, würden sich viele Frauen für den Schwangerschaftsabbruch in die Hände von Pfuschern begeben und ihre Gesundheit riskieren. Dass Politiker das in Kauf nehmen und sich nun wieder vermehrt öffentlich gegen die Abtreibung aussprechen, bedeutet einen großen Schritt zurück ins Patriarchat. 

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