Für diese Menschen müsst ihr jetzt zuhause bleiben.

20. März 2020

Die Ausgangsbeschränkungen wurden heute morgen nochmals um drei Wochen verlängert. Das ist gut so. Die Menschen, auf die wir momentan am meisten achten sollten, rufen auf, dass ihr wirklich alle, soweit es geht, zuhause bleibt. Auch wenn sie jung sind, man ihnen teilweise nichts ansieht und man meinen könnte, dass sie gesund und fit sind – die Risikogruppe hat viele Gesichter. 

 

Lena, 26 - „Meine chronische Erkrankung hat mich auf die Quarantäne vorbereitet“

Foto: Leticie Pellicer
Foto: Leticie Pellicer

Ich bin ein Schmetterlingskind – die medizinische Bezeichnung ist Epidermolysis bullosa. Mir fehlt in der Haut ein Eiweiß, das bedeutet, dass die Hautschichten nicht so gut aneinander haften, und ich oft Blasen und Wunden bekomme.Ich muss allgemein mehr aufpassen – Bestimmte Kleidungsstücke, wie zum Beispiel zu harte Schuhe kann ich nicht tragen. Schifahren oder Geräteturnen sind für mich auch tabu. Ansonsten kann ich aber ein normales Leben führen. Man will in seinem Umfeld natürlich nicht als schwächer dastehen. Ich bin mir blöd vorgekommen, als ich meinen Freunden gesagt habe, dass sie mir jetzt nicht mehr die Hand geben sollen und so weiter – und wurde nicht so wirklich ernst genommen. Bis dann die Ausgangssperre kam. Meine Ärztin hat mich vor einigen Tagen kontaktiert und mich darüber informiert, dass ich zur Risikogruppe gehöre – da mein Körper allein für die Wundheilung sehr viel Energie aufwendet. Was ich aber auch gelernt habe: Meine chronische Krankheit hat mich sehr gut auf die Quarantäne vorbereitet. Dass man manchmal zurückstecken muss, ist für mich nicht neu. Ich denke, dass das für viele jetzt eine veränderte Wahrnehmung ist, dass nicht alles so laufen muss, wie geplant. Ich finde, wir sollten alle aufeinander schauen – da geht es nicht darum, dass unsere Freiheit eingeschränkt wird, sondern dass wir uns selbst und andere schützen.“

Max, 8 Monate – Gespräch mit seiner Mama „Wenn ich das Virus ins Krankenhaus schleppe, stirbt mein Sohn"

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Mein Sohn ist acht Monate alt und hat einen schweren Herzfehler. Er hatte im Jänner eine Herz-OP und wir sind seitdem auf der Intensivstation, da er von dem Beatmungsgerät nicht so schnell wegkommt. Wenn alles gut geht, dürfen wir das Beatmungsgerät danach mit nach Hause nehmen – wann das sein wird, kann aber noch niemand sagen. Er hatte mal von einem Schnupfen eine Lungenentzündung bekommen und musste danach reanimiert werden – ich hoffe aber, dass er gesünder wird, wenn er älter ist. Ich bin jetzt mit ihm im Krankenhaus und schlafe im Elternzimmer – ich darf hier nicht raus, auch nicht an die frische Luft, denn wenn ich das Virus hier reinschleppen würde, würde mein Sohn sterben und die anderen Kinder hier auch. Die Mamis, die von hier raus müssen, um sich um ihre anderen Kinder zu kümmern, tun mir mehr leid, für sie ist die Ansteckungsgefahr höher. Für uns wäre es das schlimmste, wenn sich jemand vom Personal ansteckt.  Ich bin alleinerziehend, wenn man zu zweit ist, ist das denke ich leichter. Aber wir haben keine Wahl. Ich bekomme hier das Patientenessen und kann hier auch mein Gewand mit der Hand waschen – es geht schon irgendwie. Ich spiele meinem Sohn auf Youtube Vogelgezwitscher vor- dann holen wir zumindest so den Wald ein wenig zu uns. 

 

David, 21 - „Es geht um das größere Bild“

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Ich habe Diabetes Typ 1. Das ist eine Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankung. Ich muss mir durch eine Pumpe Insulin zuführen, das sieht aus wie ein kleiner Pager. Jedesmal wenn du isst, steigt dein Blutzucker an. Die Herausforderung bei mir ist, dass ich mein Insulin auf einem guten Level halte. Ohne Insulin bekommt mein Körper keine Energie. Ich bin momentan bei meinen Eltern im Waldviertel und bin froh, nicht in der Stadt zu sein. Das mit dem Insulin muss ich sowieso machen, Corona oder kein Corona. Aber ich bin auch nur ein einzelner Mensch in dem ganzen System und finde, dass alle sich an die Maßnahmen halten sollen – da geht’s um das größere Bild. Ich will, dass die Leute wissen, dass man Krankheiten wie meine nicht sieht – nicht jeder, der gesund ausschaut ist auch gesund. Diese Menschen haben dann sofort ein höheres Risiko für alles.

 

Birgit, 30 -„Man kann das eindämmen, wenn man solidarisch ist“

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Bei mir sind es zweierlei Probleme: Ich habe zum einen Endometriose, das bedeutet, dass mein Immunsystem sehr geschwächt ist. Wenn ich meine Periode habe , dann ist das usus, dass ich krank werde. Zum anderen hatte ich vor neun Wochen einen anaphylaktischen Schock beim Haare Färben und habe seitdem Probleme mit dem Kreislauf, dem Herzen und der Lunge. Ich nehme auch Cortison gegen meine chronische Bronchitis, und zähle somit laut WHO auch zur Risikogruppe. Was mich abschreckt, ist, wie wenig sensibilisiert scheinbar manche Menschen sind – es sammeln sich nach wie vor viele auf einer Straßenseite an, ohne Sicherheitsabstand. Ich wünsche mir ein respektvolles Miteinander. Man kann das ganze ziemlich schnell eindämmen, wenn man solidarisch ist, denke ich. Nur, weil junge Menschen ihre Erkrankung vielleicht nicht plakativ nach außen tragen, heißt das noch nicht, dass sie nichts haben. Und auch allgemein für alle: Auch wenn man keine Vorerkrankungen hat, heißt das nicht, dass der Verlauf so leicht ist, wenn man sich ansteckt. Egal, was man von der ganzen Situation hält – nehmt es ernst. Das ist bei vielen offensichtlich noch nicht angekommen. 

 

Emina, 22- „Hustet doch in ein Taschentuch“

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Ich mache mir hauptsächlich Sorgen um meinen Vater, der Diabetes hat. Ich selbst habe Hashimoto – das ist eine Autoimmunerkrankung, die man sich so vorstellen kann, dass meine Schilddrüsenhormone Achterbahn fahren. Mal habe ich eine Überfunktion und bin hyperaktiv und dann wieder eine Unterfunktion und bin komplett platt. Ich habe meine Ärztin nicht deshalb kontaktiert, aber ich bin trotzdem vorsichtig. Deshalb: Leute, bitte, wenn ihr schon rausgehen müsst, hustet nicht, ohne euch ein Taschentuch vor den Mund zu halten. Du weißt nie, wer vor dir steht. Nehmt Rücksicht auf eure Mitmenschen. Bei mir kommt noch dazu, dass ich bosnischen Migrationshintergrund habe, und ich habe das Gefühl, dass das viele aus der Community nicht so ernst nehmen, wie die Österreicher. Ich würde mir wünschen, dass sich vor allem die gesunden Menschen gerade an alles halten.

 

Wer zählt zur Risikogruppe?
Laut dem Sozialministerium werden hinsichtlich vulnerabler Gruppen und in Bezug auf einen schweren Krankheitsverlauf durch eine SARS-CoV-2/Covid-19-Infektion zumeist ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen als Risikogruppen genannt.
Österreich hat sich unter Berücksichtigung der Definitionen der wichtigsten Institutionen (WHO, ECDC, RKI, BAG, NHS, CDC) auf folgende vulnerable Gruppen festgelegt:
  • - Ältere Menschen (65+) (insbesondere mit chronischen Erkrankungen), 
  • Menschen die unter Folgendem leiden:
  • - (chronische) Atemwegs- bzw. Lungenerkrankungen inkl. COPD
    - Diabetes
    - Herzkreislauferkrankungen
    - Krebserkrankungen
    - Bluthochdruck
    - Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen

 

 

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