Ibizagate: So denkt Simmering

21. Mai 2019

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FPÖ Simmering
Vor der FPÖ-Zentrale in Simmering hängen noch die Wahlplakate mit dem Ex-Vizekanzler (c) Anna Caterina Helm

Dunkler Himmel, leichter Regen und immer wieder dringen Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Nicht nur das Wetter in Simmering ist wechselhaft. Wir haben uns in Wiens blauem Bezirk umgehört, was die Leute zum Ibizagate, Straches Rücktritt und den verkündeten Neuwahlen zu sagen haben.

Von Anna Caterina Helm, Cecilia Tradowsky und Lisa Kiesenhofer

Auf einer Bank bei der U-Bahn-Station Simmering sitzt Eva (62). Am Ibiza-Video kritisiert sie vor allem die Missachtung der Privatsphäre Straches. „Des is a Frechheit, jetzt mit dem ganzen Datenschutz und so“, ärgert sie sich. Hinter dem Rücktritt stecke eine gewisse Taktik: „Er ist sehr intelligent und weiß genau, was er tut.“ Auch nach dem politischen Skandal bekennt sich Eva immer noch zu Strache und der FPÖ. Für die Wienerin gibt es nämlich nur eine Farbe – die ihres Pullovers (blau).

Eva
Trotz des Ibiza-Skandals gibt es für Eva nur eine Farbe - nämlich Blau. (c) Anna Caterina Helm

Entsetzt, enttäuscht, erleichtert

„Der musste schon lange weg. Es sollte eigentlich die gesamte Regierung zurücktreten.“, denkt Edi (24) über den Skandal. Als wir ihn auf das Video ansprechen, lacht er und schüttelt den Kopf. Er schenkt der Politik wenig Vertrauen, meint er. Es ändere sich sowieso nichts für Arbeitenden. Deshalb geht er auch nie wählen. 

Edi
Zum Ibiza-Video fällt Edi nur ein Wort ein: Lächerlich. (c) Anna Caterina Helm

Wählen würde sie gerne, darf aber nicht. Nurgül (35) ist nicht wahlberechtig, obwohl sie seit 19 Jahren in Österreich lebt. Sie interessiert sich für das politische Geschehen und weiß immer, was in ihrem Grätzl abgeht. „Sie ist unsere Park-Bürgermeisterin“, scherzen ihre Freundinnen. Weniger zum Lachen findet sie die aktuelle Politik. „Strache ist ein Faschist, der alle Ausländer in einen Topf wirft“, ärgert sie sich. „Gott sei Dank ist er jetzt weg!“

nurgül
Die "Bürgermeisterin des Parks": Nurgül würde gerne wählen, darf aber nicht. (c) Anna Caterina Helm

Ganz anders empfindet Elisa (55): Sie ist entsetzt und enttäuscht, sagt sie, aber wirkt dabei fast zynisch. „Die machen das eh alle. Nur der Strache war zu blöd und hat sich erwischen lassen“, regt sie sich über die Aktion der ehemaligen FPÖ-Spitze auf. „So deppat bin net amoi i.“ Nach diesem Vorfall weiß sie nicht, wem sie bei den Neuwahlen ihre Stimme geben soll. Sie drückt ihre Tschick im Aschenbecher aus und bedauert: „Die san alle gleich.“

Im Vorbeigehen äußert sich ein junger Familienvater auch zu dem Thema: „Schade wegen Strache. Schade, dass er so reingelegt worden ist.“

Rote unter Blauen

Aber wir treffen in Simmering nicht nur auf Blauwähler. Ali (25) freut sich schon auf die Neuwahlen. Somit habe sein Favorit, die SPÖ, mehr Chancen. Von der FPÖ und von Strache hat er noch nie viel gehalten: „Strache ist selbst schuld, dass er gehen musste. Verräter haben bei uns keinen Platz.“

ali
Verräter haben für Ali keinen Platz. (c) Anna Caterina Helm

Auch Johann (69), der es sich mit einem Bier auf einer Bank gemütlich gemacht hat, begrüßt die Neuwahlen: „I bin ja a Roter.“ Strache habe immer den Saubermann gespielt und mache jetzt selber so einen Blödsinn. Seinen Rücktritt hält er für notwendig und mit der Rechtfertigung des Kanzlers ist er auch nicht zufrieden: „Kurz war mal wieder zu kurz angebunden.“

Claudia (49) bedient ihre Gäste in einem verrauchten Beisl auf der Simmeringer Hauptstraße. Als wir sie auf die Ibiza-Videos ansprechen, wirkt sie genervt. Wahrscheinlich hat sie schon viele Diskussionen darüber mitgehört. Trotzdem lässt sie uns wissen: „Die haben eh alle Dreck am Stecken, die Roten noch viel mehr.“ Ob sie im Herbst überhaupt wählen geht, weiß sie noch nicht. Aber sie ist sich sicher, die politische Lage wird weiter eskalieren. „Wenn es ganz arg wird, wander ich nach Polen aus.“

Auch am Abend ist die Sicht im elften Bezirk noch immer nicht klar – weder am Himmel, noch in der Regierung. Es ist warm, aber wir wissen nicht, ob bald ein Sturm aufzieht. Genauso wenig wissen wir, was in Österreich politisch auf uns zukommt. Ob Straches Rücktritt sein endgültiges Aus bedeutet, oder ob es doch ein Comeback gibt – auch darüber waren sich die Befragten heute nicht einig. Jedenfalls bleibt Simmering für jedes Wetter gerüstet.

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