Influencer*innen Party in Döbling eskaliert mit über 800 Gästen

03. August 2020

„Wir sind auf der Gästeliste“ schreibt mir ein Freund über Instagram und schickt daraufhin ein Foto. Auf dem Foto ist eine Villa abgebildet mit Informationen zu einer Party, die genau an diesem Samstag, den 01. 08. 2020, stattfinden soll. In der 600m^2 großen Villa im 19. Bezirk soll in einigen Stunden eine Homeparty mit über 800 Gästen steigen. Die genaue Adresse und weitere Informationen sind top-secret. Die Nachricht solle man auf keinen Fall weiterleiten. Magier, Pokerspiele, Saxophonisten, Drinks, Snacks und Burger sollen die Party unvergesslich machen.

Gewinner und Verlierer in der Krise?

Ich zeige die Nachricht meiner Mitbewohnerin. Während sie mich mit einem skeptischen Blick ansieht, denke ich mir in diesem Moment was für Privilegien man besitzen muss, um so eine Party schmeißen zu können. Vielleicht stellt diese Party symbolisch unser Klassenproblem dar. Während die einen auf der privilegierteren Seite sorglos Party machen können und trotz Polizeibesuch keine ernsthaften Konsequenzen tragen müssen, verlieren die anderen ihre Jobs, verlieren Familienangehörige an Covid-19, erkranken selbst daran oder können seit Monaten ihre Familien nicht besuchen. Die zwei Veranstalter, zwei selbst ernannte „Digital Marketing Pros“, verweigern online jegliche Kritik und verteidigen mit aller Kraft die Veranstaltung. „In der aktuellen Krise gibt es Gewinner und Verlierer“ schreibt einer dieser Gastgeber auf Instagram. „Nur du selbst entscheidest auf welcher Seite du danach stehst.“ Er ist ein Hustler, der hart arbeitet und immer positiv denkt. Zumindest benutzt er immer wieder diese Hashtags und scheint seine Karriere auf diesen Werten aufzubauen. Dabei vergisst er, dass beispielsweise alleinerziehende Mütter, die während der Corona-Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben und somit ihre Familien nicht finanziell unterstützen können, sich es tatsächlich nicht selbst aussuchen können, ob sie Verlierer und Gewinner sein wollen. Wer will schon in dieser Krise freiwillig Verlierer sein?

Viel Kritik, wenig Einsicht

Die Sicht auf die Realität wird einem vielleicht erschwert, wenn man als Wohlstandsmensch in Geld schwimmt und an solche Probleme nicht denken muss. Ich sehe am Sonntag wie meine Freundin Emina (auf Instagram @realtalkwithemina) schreibt: „Gott sei Dank durften gestern Abend 800 Menschen eine fette Party auf engstem Raum in einer Villa im 1190 Wien feiern, aber ich darf nicht nach Bosnien reisen und meine Familie sehen.“ Seitdem hagelt es an harter Kritik – sowohl auf Twitter und Instagram, als auch durch Zeitungen wie Die Heute. Einer dieser Veranstalter verteidigt die Feier in dem er klar stellt, dass beim Eingang das Fieber der Gäste gemessen worden ist und zusätzlich Masken und Desinfiziermittel verteilt worden sind. Ich mache einen Screenshot von dem Post und schicke es dem Freund, der mich ursprünglich eingeladen hat und tatsächlich dort war. Ich frage ihn, ob das wirklich so gewesen ist. Er antwortet mit einem „Nein.“ Der andere Veranstalter lässt sich die Kritik wohl nicht anmerken – stattdessen bedankt er sich bei den Gästen und gibt bekannt, dass schon bald die nächste Party steigen würde.

Selbstinszenierung ist wichtiger als gemeinschaftliche Solidarität

Und schlussendlich ist das die bittere Wahrheit. Den Rich-Kids ist es egal, ob sie durch die Veranstaltung von fetten Parties andere Personen in Gefahr bringen oder nicht – hauptsache es lässt sich eine gute Instagram-Story machen und man kann sich so gut wie möglich als „work-hard-party-harder“ Hustler im Internet inszenieren. Und obwohl das uns vielleicht als kleines Beispiel im Hinblick auf unser Klassenproblem erscheint, ist es global tatsächlich genauso: Während Blogger*innen, Influencer*innen und die Oberschicht weiterhin Parties schmeißen oder sich im schlimmsten Fall in ihren 800m^2 großen Villen für 14 Tage unter Quarantäne stellen müssen, muss die Arbeiter*innen-Klasse, Personen im Pflegebereich und alleinerziehende Mütter die schwerwiegenden Konsequenzen der Krise ertragen.

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