Sag‘, wie hast du’s mit der Volksmusik?

23. Juni 2017

Passen die österreichische Jugend und Volksmusik zusammen? Schwerlich. Die Jugend vom Balkan tut sich dabei offenbar leichter. Die Musikwissenschaftsstudentin Dijana Popović und ich begeben uns auf die Suche nach einer Erklärung.

„Dreh mal Volksmusik auf!“ Diesen Satz wird man unter jungen ÖsterreicherInnen eventuell in einem Dorf in Tirol öfters zu hören bekommen. In Wien dürfte die Wahrscheinlichkeit aber gegen Null gehen. Hits der „Ursprung Buam“ oder „Der Kraftspender“ werden allenfalls mit 2,1 Promille im Blut lautstark mitgegrölt und selbst dann vernimmt man noch eine leise Stimme im Hinterkopf, die einen anfleht, mit dem Blödsinn aufzuhören. Auf dem Balkan läuft das Spiel anders – zumindest hege ich den Verdacht. Nicht selten werden meine Ohren auf den Straßen Wiens mit Volksmusik vom Balkan konfrontiert, abgespielt von zumeist Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Während man als österreichischer Jugendlicher mit Ächtung und Exil rechnen muss, sollte man beim Hören von Volksmusik erwischt werden, ist es am Balkan scheinbar kein Problem. Ich bin verwirrt. Es ist höchste Zeit dieses Mysterium zu lüften. Die Musikwissenschaftsstudentin Dijana Popović ist Bosnierin, in Kärnten aufgewachsen und lebt nun in Wien. Ich habe der Insiderin ein paar Fragen gestellt.

BIBER: Wie nennt man eigentlich die Volksmusik am Balkan?

Dijana: Ich kann für Bosnien, Serbien, Montenegro und Mazedonien sprechen. Hier könnte man die Volksmusik in „narodna muzika“ und „zabavna muzika“ unterteilen. Narodna, wortwörtlich Volk, wird, wenn man so möchte, tendenziell von älteren Personen präferiert. Zabavna, wortwörtlich Spaß, ist hingegen moderner und wird vermehrt von der flotten Jugend rezipiert.

Was der beiden hörst du lieber?

Sowohl als auch. Um es anschaulicher zu machen: Bei einem Discoabend auf der Ottakringer Straße wird zu Beginn zabavna muzika gespielt. Je später es wird, desto älter und klassischer werden die Lieder und es geht mehr in die narodna muzika-Schiene hinein. Vom Neuen zum Alten lautet also das Motto. Narodna muzika ist außerdem das Standardrepertoire auf Hochzeiten. Die Eltern als Veranstalter könnten dabei als Financiers eine maßgebliche Rolle bei der Wahl der Playlist spielen.

Kann man also zusammengefasst sagen, die Volksmusik ist beliebt unter jungen Erwachsenen und Jugendlichen vom Balkan?

Durchaus. Sicherlich nicht bei allen, aber viele wissen sie zu schätzen.

In Österreich würde ein Städter hundertprozentig schief angeschaut werden, wenn er plötzlich lautstark Volksmusik hören würde. Am Balkan ist das weniger ein Problem?

Cooler ist es natürlich, wenn man moderne Musik hört. Aber die Jugendlichen kennen sehr wohl die Klassiker und singen sie auch mit. Es hängt stark von der Situation ab. Man muss auch dahingehend differenzieren, dass bei der moderneren Musik andere Themen besungen werden als bei narodna muzika. Themen wie Fortgehen, exotische Reiseziele, schnelle Autos, etc. stehen hoch im Kurs. Narodna muzika stützt sich hingegen stark auf Metaphern. Der Spielraum zur Interpretation ist enorm groß und es dreht sich oft um Liebe. Als Kind weiß man nicht, was das bedeuten soll. Aber wenn man erste Erfahrungen mit Liebeskummer macht, dann identifiziert man sich plötzlich auch mit diesen Liedern.

Siehst du Gemeinsamkeiten bei österreichischer Volksmusik und jener vom Balkan?

Die steirische „Quetschn“ und das Akkordeon sind sich sicherlich ähnlich und spielen in beiden Kulturen eine große Rolle.

Woran könnte es liegen, dass die Hörerschaft in den beiden Kulturen so stark auseinander geht?

Du siehst das aus einer sehr urbanen Sichtweise. Ich bin in Kärnten aufgewachsen und auf Kirtagen und diversen Festen hören Menschen Volksmusik. Auch Freunde von mir vom Land sagen, sie können diese Musik durchaus genießen. Es gibt große Unterschiede was Stadt und Land anbelangt.

Ist das am Balkan auch so, dass Leute in der Stadt tendenziell weniger Volksmusik konsumieren?

Würde ich schon sagen, ja.

Wien ist allerdings eine Stadt. Woran liegt es also, dass man zwar fast keine österreichische Volksmusik zu hören kriegt, aber sehr wohl Volksmusik vom Balkan?

Das liegt zu einem Teil sicherlich daran, dass die Wurzeln der Leute am Balkan liegen. Die Musik ist ein Teil unserer Wurzel, die wir nicht verleugnen wollen. Musik idealisiert und ist zusätzlich mit Stolz behaftet.

Über die Musik identifiziert man sich also mit der ursprünglichen Heimat?

Ich denke, man bringt mit dieser Musik ein Stück Heimat nach Wien. Man liebt natürlich auch Wien, aber ein Teil von einem klebt am Balkan. Dieser Teil will auch raus und das macht er zum Beispiel, wenn man in Discos geht. Es gibt zudem einen Unterschied von der ersten Generation zur zweiten Generation. Meine Eltern haben es so gehandhabt, dass sie hier gearbeitet haben und das Geld anschließend in Bosnien investierten. Das primäre Zuhause war Bosnien. Die zweite Generation lebt hier, arbeitet hier, studiert hier und ist damit viel stärker an Österreich gebunden. Es besteht darüber hinaus aber immer noch eine Sehnsucht nach der Wurzel. Über die Musik wird diese zu einem Teil kompensiert. Die Musik vermittelt den „Spirit“ des Landes. Musik ist aber mit dieser wichtigen Aufgabe natürlich nicht alleine: Ein Burek isst sich anders als ein Wiener Würstchen.

Zur Person: Dijana Popović studiert im Masterstudiengang Musikwissenschaften. Sie selbst ist Bosnierin, hat aber auch mit österreichischer Volksmusik Erfahrung gesammelt, schließlich wuchs sie in Kärnten auf.Dijana Popovic

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