SPOTTED: Muslima mit Dosenbier

13. August 2018

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österreich
Foto: Maryam Ghanem

Ein Alltag voller intrapersoneller Konflikte – das ist das Kleingedruckte jeder bi-kulturellen Erziehung. Zur Veranschaulichung, hier ein Einblick in die Gedanken einer österreichischen Muslima auf der endlosen Suche nach einer goldenen Mitte.

Ich, eine unübersehbare Muslima, sitze nun da, auf Gottes grüner Erde (dies da wäre explizit die abgetretene Wiese des Votivparks), Stiegl zu meiner Linken, Ottakringer zu meiner Rechten. Dosenbier, wohin das Auge nur reicht. Inmitten einer studentischen Gruppe, deren Mitglieder mir relativ unbekannt bis sehr unbekannt sind. Ich fühle mich so österreichisch wie noch nie. Der typische Unialltag eben, nicht?

Nicht. Zumindest nicht für die wenigen Muslime, die ich kenne. Denn die, die ich tatsächlich als FreundIn bezeichnen würde, könnte ich allesamt auf einer Hand abzählen. Mein Freundeskreis besteht aus grob geschätzt 80 Prozent Nicht-Muslimen. Mit der Zeit fiel mir auf, dass das gar nicht die Norm ist, woraufhin ich mir folgende Frage stellte: Was stimmt nicht mit mir?

Als gebürtige Wienerin mit Migrationshintergrund durfte ich eine bi-kulturelle Erziehung genießen. Meine Eltern übernahmen die ägyptisch-islamische, während die Schulen mir die österreichische nahelegten. Wenn auch alle Erziehungsmaßnahmen meine Person geprägt haben, bin ich am Ende des Tages doch mehr Österreicherin als alles andere. Wieso das so ist? Eine berechtigte Frage, auf deren Antwort ich selbst noch nicht gekommen bin. Theorien und freudsche Analysen beiseite – was heißt das nun für mich und meinesgleichen? Das heißt, Kompromisse stehen für uns an der Tagesordnung. Sich anpassen, ohne seine Werte ablegen zu müssen. Dadurch, dass ich meinen Glauben nicht gerade auf eine latente Weise praktiziere – ja, ich trage ein Kopftuch –, komme ich oft in unangenehme Situationen. Wie neulich, auf besagter Wiese mit meinen Mitstudierenden. Mit Saufenden interagieren, ohne selbst saufen zu müssen. Mir sind die schiefen Blicke (annehmbarer) muslimischer Menschen nicht entgangen, trotz meiner Anstrengung, diese zu ignorieren. Das können Muslime gut: Judging at first sight.

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Grafik: Maryam Ghanem

Was genau gibt ihnen Anlass, mir gegenüber solch eine verurteilende und abfällige Haltung einzunehmen? Die Tatsache, dass ich von Bierdosen umzingelt bin? Oder diese, dass ich mich als Angehörige des Islams unter Nicht-Angehörigen des Islams befinde? Dass ich mich als weibliche Angehörige unter Nicht-Angehörigen befinde? Heißt das konkret, ich darf mich als überzeugte Nicht-Trinkerin nicht mit Trinkern abgeben? Fragen über Fragen, die allesamt zu einer Antwort führen: Das Leben als österreichische Muslima ist auch so schon schwer genug, also lasst mich in Ruhe muslimische Österreicherin sein.

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