Verliebt, verlobt, verheiratet - das Ja-Wort via Whatsapp

14. August 2018

Zu Zeiten von Tinder und Co. ist es längst zur Normalität geworden, potenzielle Partner*innen auf dem Smartphone herbeizuwischen. Die Eltern von Muhammad haben das Onlinedating allerdings auf ein ganz neues Level gehoben und ihren Sohn kurzerhand per WhatsApp-Videoanruf verlobt – mit einem Mädchen, das er auch nur über die Handy-App kannte.

Muhammad ist Mitte 20, aus Syrien und lebt seit fast drei Jahren in Wien. Und wie das so ist, lernte er über Freunde und Freundes-Freunde eine österreichische Studentin kennen. Die beiden hatten ein paar Dates, aber der Funke wollte nicht so richtig überspringen. Kurze Zeit später verlobte er sich dann mit einer Syrerin – über einen WhatsApp-Videoanruf, denn sie wohnt in Damaskus. Muhammds Eltern sahen in der Tochter eines Bekannten die perfekte Partnerin für ihren Sohn. Seine Mama steckte ihm ihre Nummer zu und sie schrieben einige Zeit hin und her. Ein paar Videoanrufe später steht die Verlobung offiziell fest. Eine Fernbeziehung der besonderen Art.

Dass die Mutter sich selbst nach einer Schwiegertochter umsieht, ist in vielen arabischen Ländern nichts ungewöhnliches. Man kann nur spekulieren, ob Muhammads Eltern nun Angst hatten, dass er sich in eine Nicht-Muslima verliebt oder in Wien zu tiefe Wurzeln schlägt. Aber eine Handy-App kann auf unbestimmte Zeit keine Beziehung aufbauen oder aufrechterhalten, die keine Basis hat: weder gemeinsame Erlebnisse, noch Erinnerungen oder Zärtlichkeit. Die sozialen Medien sind ein wunderbares Tool, um Freundschaften oder Beziehungen über die Ferne zu führen; ein Privileg unserer Generation. Aber eine Bekanntschaft über Videoanrufe, Facebook und Instagram erstmal auf so eine Vertrauensebene zu katapultieren, ist wohl selten erfolgreich.

Einige von Muhammads syrischen Freund*innen sind schon mehrere Monate mit Partner*innen anderer Nationalitäten oder Religionen liiert. Interkulturelle Beziehungen sind nicht nur aufregend, sondern auch die ultimativen Integrationsbeschleuniger. Muhammads Eltern tun ihm keinen Gefallen damit, ihn mit einer Online-Verlobung an seine Heimat binden zu wollen. Wenn ihm der Glaube oder die Herkunft seiner Zukünftigen wichtig sind, dann wird er auch in Wien sein Glück in der arabischen Community finden, wenn er möchte - mit einer Person, die er nicht nur über den Bildschirm kennt.

Muhammad und seine Ex-Habibi haben nach neun Monaten Schluss gemacht, online natürlich . Aber kein Grund für seine Mutter, das Experiment Whatsapp-Ehe aufzugeben: Sie hat ihm bereits eine neue Handynummer besorgt.

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