Wenn Männer mir die Welt erklären

11. September 2018

Weltoffen, urban, links – und natürlich Feministen. Ein Label, mit dem sich viele junge Männer – besonders in der universitären Sphäre – fast wie selbstverständlich  brüsten. Aber Feminismus scheint für viele leider eher Trend zu sein als Überzeugung, denn zumindest mit Alltagssexismus scheinen sich die wenigsten wirklich zu befassen. Die männliche Auslegung von Feminismus scheint primär auf Gleichbehandlung hinauszulaufen, nicht aber auf Gleichstellung. Ich meine nicht die Gleichstellung vor dem Gesetz, sondern die Gleichstellung von Frauen in den Köpfen vieler Männer.

Mansplaining ist ein Phänomen, das Frauen ständig erleben und dass diese mangelnde Gleichstellung gut repräsentiert. Die Meinungen und das Wissen von Frauen werden trotz aller Gleichbehandlungsabsichten immer noch unter diejenigen unserer Vorzeige-Feministen gestellt. Als Mansplaining wird die Angewohnheit von Männern bezeichnet, Frauen die Welt, ihr Leben oder einfach alles erklären zu wollen, egal welche Expertise ihre weiblichen Gesprächspartnerinnen vorzuweisen haben. Das betrifft sogar Frauen in Führungspositionen, Hierarchie scheint hier nur Formalität. Über Mansplaining wurde schon viel geschrieben und in den sozialen Netzwerken debattiert, aber anscheinend noch nicht genug, um einen Unterschied zu machen.  

In den letzten zwei Tagen habe ich Mansplaining in seiner geballtesten Form erleben und ertragen müssen. Meine Mitbewohnerin E. und ich suchen derzeit nach einem kompatiblem Neuzugang für unsere WG.  Wir haben die rund 80 Online-Anfragen auf etwa 8 InteressentInnen reduziert, die wir zum Kennenlernen eingeladen haben, darunter vier Studenten, die sich in ihrer Bewerbung mehr oder weniger als weltoffen, urban und links beschrieben. Vier Männer, von denen wir uns einmal mehr die Welt erklären lassen mussten – unsere eigene Welt!

Das Fundament seiner Worte ist sein Geschlecht

Weil ich über dieses respektloses Verhalten uns gegenüber unzählige Seiten schreiben könnte, hier mal das - klischeehafteste - Highlight : Unser erster Besucher, nennen wir ihn C., war restlos begeistert von der Wohnung und machte einen guten ersten Eindruck. Nachdem meine Mitbewohnerin und ich standardgemäß kurz schilderten, was wir so machen, kam der erste Kommentar zu E.s Karriereplänen: „Naja, Psychologie hat ja nicht so wirklich Zukunft oder?“, er drehte sich zu mir, „Und mit Journalismus findet man sicher keinen Job mehr, der Journalismus ist doch tot. Warum studierst du das überhaupt?“ Ich schaute meine Mitbewohnerin ungläubig an: Für uns war das Gespräch so gut wie beendet, jegliche Sympathie wie weggeblasen. C. versuchte mir dann  trotzdem zu erklären, dass die Medienbranche in Schwierigkeiten stecke, dass niemand mehr Zeitung lese und dass ich mit meinem Studium wohl zum Scheitern verurteilt wäre. Ich werde nie verstehen, was sich Männer davon erwarten: Dankbarkeit oder Bewunderung für ihre unerbetene, unangebrachte und unreflektierte Meinung? Er fundiert seine Worte nicht inhaltlich, sondern auf seinem Geschlecht.

Leider empfinden es viele Frauen in so einer Situation als notwendig, sich zu rechtfertigen. E. und ich haben noch die Kurve gekriegt; nach jahrelanger Übung. Wir erläuterten C. kurz und knapp unsere Ansichten dazu: Dass niemand so reden sollte, der selbst keine Erfahrungen in diesen Branchen gemacht hat. Dass wir nach fünf Jahren und einigen Praktika wohl selbst sehr gut einschätzen können, was uns erwartet. C. ignorierte das gekonnt. Er ging zum nächsten Thema über: der Nahe Osten. Er begann mir über ein Buch zu erzählen, das er irgendwann mal gelesen hatte und fragte mich nach meiner Meinung. Ich habe neben meinem Journalismusstudium einen Bachelor in Arabistik und Islamwissenschaften gemacht und dieses Buch gehört zur Standardliteratur. Ich unterbreitete ihm konstruktiv meine Ideen dazu, wollte selbst nicht in den Erklärmodus verfallen. Damit hatte C. nicht unbedingt gerechnet; dass ich mich auskannte und eine Meinung hatte. Diesmal war die Unterhaltung von seiner Seite aus schnell abgehakt. Es ist wohl unnötig zu sagen, dass wir ihm das freie Zimmer nicht übergeben haben.

„Ich bin wichtiger als du.“

Mansplaining setzt sich aus den englischen Wörtern „man“ und „explaining“ zusammen: ein Mann erklärt. So banal das auch erscheinen mag: Dieser subtile Alltagssexismus bestätigt – und  bekräftigt – immer wieder unausgesprochene Hierarchien. Ob unbewusst oder vorsätzlich, Männer dominieren meistens die Kommunikation und sehen ihre Deutungshoheit als selbstverständlich und unanfechtbar. Ihre Message: Meine Meinung ist wichtiger als deine. Ich bin wichtiger als du. Beim Mansplaining geht es um Machtstrukturen, die auch die jungen, feministischen Männer nicht aufbrechen können – oder wollen – solange sie die Meinungen von Frauen nicht ernst nehmen und ihnen ihr Wissen absprechen.

Zum Mansplaining könnte an dieser Stelle noch so viel mehr gesagt werden und natürlich will ich hier nicht alle Männer als Sexisten abstempeln, daher lieber ein Buchtipp: „Men Explain Things to Me“ oder „Wenn Männer mir die Welt erklären“ von der amerikanischen Autorin und Feministin Rebecca Solnit. Nicht nur Lektüre für Frauen…

 

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