WTF ist BIPoC?

12. April 2021

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BIPoC
Foto: Sandra Schmidhofer

Ein neues, politisch-korrektes Trendwort hat Eingang in den Sprachgebrauch meiner Social-Media-Blase gefunden: BIPoC. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen.

Was haben Schwarze, Indigene und People of Color gemeinsam? So einiges – zumindest wenn es nach Befürworter:innen des neuen Trendbegriffes BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) geht. Der Begriff kommt aus den USA und wird mittlerweile auch bei uns benutzt, um nicht-weiße Menschen zu betiteln. Entstanden ist BIPoC aus einer Kritik an dem in den USA weit verbreiteten Begriff People of Color (kurz PoC, meint nicht-weiße Personen). Das Argument: Die Bezeichnung PoC würde die Vielfalt und Unterschiede innerhalb nicht-weißer Gruppen nicht sichtbar machen. BIPoC soll dem entgegenwirken, indem zwischen Schwarzen (Black), Indigenen (Indigenous) und, sieh mal da, allen anderen People of Color unterschieden wird. Wer sind diese „anderen“ Poeple of Color? Warum haben Latin@s, Araber:innen oder Asiat:innen keinen Anspruch auf eine explizite Nennung? Sind sie überhaupt mitgemeint?

In den USA wird das Hervorheben Schwarzer und Indigener dadurch begründet, dass sie historisch und nach wie vor besonders von systematischem Rassismus betroffen sind. Den Begriff BIPoC zur Beschreibung der österreichischen nicht-weißen Gesellschaft heranzuziehen, ist allerdings fragwürdig. Mir wäre jedenfalls keine österreichische, indigene Bevölkerungsgruppe bekannt. Dafür fehlt die Benennung von Gruppen, die hierzulande häufig von Rassismus betroffen sind: Muslim:innen, Osteuropäer:innen, Türk:innen – sind sie auch BIPoC? Oder sind sie dafür zu weiß?

Die Hautfarbe ist nicht relevant, klärt Google mich auf. Denn "schwarz" und "weiß" meint keine Hautfarben, sondern soll symbolisch für ungleich verteilte Machtverhältnisse stehen. Habe ich mir bisher schon schwer getan, festzustellen ob ich als Halb-Österreicherin und Halb-Madagassin eigentlich weiß oder schwarz bin, bin ich nun verwirrter denn je. Mal im Ernst: Was muss man studiert haben, um hier einen Überblick zu haben? 

Pseudo-intellektuelle Blase

Neben der Frage, wer mit BIPoC (mit)gemeint ist, stellt sich auch die Frage, wer bei Debatten um Antirassismus überhaupt noch mitreden darf. Wenn ich mit meiner dunkelhäutigen Mama über die Situation von BIPoC-Frauen (oder besser noch BIPoC-FLINT – nein, das ist kein Modelabel) spreche, sieht sie mich nur fragend an: „Bi-Was?“. Warum so komplizierte, fremdsprachige Wörter? So werden all jene aus der Diskussion ausgeschlossen, die keine Ahnung haben, was diese Begriffe bedeuten. Und das sind nicht wenige – im Gegenteil: Je mehr ich zu dem Thema lese, desto mehr habe ich das Gefühl, dass kaum jemand weiß, was bzw. wer mit BIPoC konkret gemeint ist.

Von der Vielfalt zum Einheitsbrei

Sollte die Bezeichnung BIPoC eigentlich Diversität unter People of Color aufzeigen, wird der Begriff im echten Leben eher gegenteilig verwendet: Nicht-weiße Menschen werden zu einer homogenen Gruppe gemacht, die sie in Wahrheit nicht sind. Denn ein dunkelhäutiger österreichischer Medizin-Student hat mit einer nordamerikanischen Reservatbewohnerin sicherlich weniger gemeinsam, als mit seinem weißen WG-Kollegen. Der Alltag meiner schwarzen Freundin, die ihre Abende mit Averna Sour und „Raven im Flex“ verbringt, könnte sich vom Alltag meiner christlichen, madagassischen Cousine nicht stärker unterscheiden. 

Auch wenn ich die Romantik im Kampf gegen Rassismus damit zerstöre: Wir sind nicht alle eins, nur weil wir nicht weiß sind. Diese Idee beruht schlussendlich auf demselben falschen Bild, das den Rassismus, den wir bekämpfen wollen, erst bedingt: Der Vorstellung, dass unsere Welt nur aus weißen und nicht-weißen Menschen besteht.

Was haben wir von einem Begriff, der so vage und homogenisierend ist? Manche sagen: Indem wir nicht-weißen Menschen einen Namen geben, bestärken wir sie im Kampf gegen Unterdrückung. Das so entstehende Wir-Gefühl führt zu Empowerment, so die Theorie. Das mag sein. Doch die Gegenargumente schlagen meiner Meinung nach stärker ins Gewicht. Außerdem: Erreichen wir Empowerment nicht umso mehr, wenn wir die Menschen, die wir meinen, explizit benennen und sie nicht hinter unklaren Überbegriffen verstecken? 

 

 

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