„Aber bist du wirklich trans?“

13. September 2023

Nikki ist 21 und trans. Mit Biber spricht sie darüber, warum Transpersonen in Österreich von der Zwei-Klassen-Medizin betroffen sind – und über gesellschaftlichen Druck. Außerhalb und innerhalb der LGBTIQ+ Community.  

Von Emir Dizdarević, Foto: Zoe Opratko

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Nikki ist 21 und trans. ©Zoe Opratko

Das war so ein surrealer Moment“, erzählt die heute 21-jährige Nikki von dem Tag, an dem sie das erste Mal Östrogen und Testosteron-Blocker genommen hat. „Es hat sich so angefühlt, als hätte mein ganzes Leben eine Stimme ununterbrochen in meinem Kopf geschrien. Als ich das erste Mal Hormone genommen habe, ist es auf einmal still geworden und ich habe mich einfach wohl und glücklich gefühlt.“

Bis zu diesem befreienden Schritt hat es für Nikki 19 Jahre gedauert. Ihre Geschichte beginnt in der Steiermark, wo sie als Bub wahrgenommen wird. Als sie etwa vier Jahre alt ist, merkt sie zum ersten Mal, dass etwas nicht stimmt. Sie fühlt sich nicht als Bub, sondern als Mädchen. Das sagt sie auch den Erwachsenen in ihrer Umgebung. „Die haben dann einfach ‚Nein‘ gesagt und ich habe ihnen geglaubt.“ Schließlich kennen Erwachsene die Welt besser als Kinder, das wurde Nikki damals so eingetrichtert.

 

„Kann es sein, dass du trans bist?“

 

In der Pubertät sucht Nikki ihre Identität und beschreibt sich in dieser Phase als schwuler Mann. „Ich war schon immer sehr feminin und hatte vermehrt weibliche Freunde. Das wird oft Schwulen zugeschrieben und ich habe mir deswegen einreden lassen, dass ich schwul bin.“ Zudem konnte sich Nikki nicht vorstellen, „der Mann“ in einer Heterobeziehung zu sein. Doch auch das Schwulsein fühlt sich für Nikki befremdlich an. Das erste Outing geschieht durch eine Freundin, der Nikki ihre Gefühle beschreibt: „Kann es sein, dass du trans bist?“, fragt sie die Freundin damals.

 

Ihre Transition (Anmerkung: Geschlechtsangleichung) beschreibt Nikki in zwei Phasen. Einer sozialen und einer körperlichen Transition. Ihre soziale Transition beginnt im Freund:innenkreis, wo sie beginnt, sich bei ihren liebsten Menschen zu outen. „Ich wurde akzeptiert, ohne mich körperlich zu verändern. Für mich war das einfach ein sicherer Raum, in dem ich mich ausprobieren konnte. Das war sehr wichtig.“

Für ihre körperliche Transition nimmt sich Nikki Zeit. Zwischen den beiden ersten Lockdowns zieht sie nach Wien und spürt, dass sie sich damit vielleicht zu viel Veränderung auf einmal zumutet. Erst nach einem halben Jahr geht sie das erste Mal zu einer Beratungsstelle und merkt für sich: Termine für psychotherapeutische Begleitung zu kriegen, ist sehr schwierig und mit dem Studium nicht zu vereinbaren. Nikki studiert in dieser Zeit an einer Privatuni und die Termine, die sie erhält, fallen meist in die Unterrichtszeit. Therapie und Studium sind für sie nebeneinander nicht sinnvoll zu machen. Als Nikki ihrer älteren Schwester von ihrer Transition erzählt, beschließt diese, sie finanziell zu unterstützen. Statt auf Krankenkasse wird Nikki seither privat medizinisch betreut.

 

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©Zoe Opratko

Langwieriger Prozess zur Hormontherapie

 

Bevor man mit einer Hormontherapie beginnen kann, braucht es eine dreifache Diagnostik: ein psychotherapeutisches, ein klinisch-psychologisches und ein psychiatrisches Gutachten. Das sehen die „österreichischen Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus“ vor. Nur speziell ausgebildete Personen können diese Gutachten ausstellen und die Wartezeiten sind oft lang. „Man kann sich das so vorstellen: Bei den öffentlichen Beratungsstellen kriegt man die Liste mit den Spezialist:innen erst nach zehn Sitzungen und muss dann alle durchtelefonieren.“ Bei ihrer privat gezahlten Therapie bekommt sie eine Liste bereits nach zwei Sitzungen, inklusive Empfehlungen, welche Personen gut zu ihr passen könnten. „Für mich ist das eine Zwei-Klassen-Medizin“, sagt Nikki.

2022. Als Nikki zum ersten Mal Hormone nimmt, fühlt sie sich „wie neu geboren. Ich hatte keine Ahnung, dass ich mich so toll fühlen kann.“ Für sie ist das die richtige Entscheidung.

Wie es aber für sie in Zukunft weitergeht, weiß sie nicht. „Ich will gerade keine geschlechtsangleichende Operation machen, will es aber auch nicht ausschließen.“ 

Seitdem hat Nikki viele Diskussionen geführt. Außerhalb der Community sind viele Menschen kritisch gegenüber Hormonbehandlungen: „Wenn du mal Hormone nimmst, kannst du das nicht rückgängig machen. Ist es dir das wirklich wert?“ Aber auch innerhalb der LGBTIQ+ Community verspürt sie immer wieder einen merkwürdigen Druck. In manchen Fällen drängen sie Leute, möglichst schnell alle nötigen Gutachten einzuholen, auch wenn sie sich noch nicht bereit dafür fühlt. Wieder andere gehen sogar so weit zu sagen, dass man nur „wirklich trans“ sei, wenn man Hormone nimmt und sich Operationen unterzieht. Von all dem lässt sich Nikki nicht beeindrucken: „Alle sollten selbst über ihren eigenen Körper entscheiden können. Ich kenne mich selbst am besten und weiß daher auch selbst am besten, was mir guttut und was ich brauche, um mich in meinem Körper wohlzufühlen. 

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