Das 50-Euro-Wettrennen in die Heimat

09. Februar 2011

Fast jeder Migrant vom Balkan schickt einen Teil seines Einkommens in die Heimat. Oft wird es einem Busfahrer mitgegeben und nicht mit der Bank überwiesen. biber erklärt warum und hat auch gleich ein Wettrennen veranstaltet: Wie kommen 50 Euro besser „runter“: Mit dem Bus oder Western Union? 



 

 

 

 

 

 


„Bitte schick uns Geld! 150 Euro!“, erklärte mir mein Vater aufgebracht am Telefon. Mein Bruder Goran, bekennender Schnellfahrer, hatte einen schweren Autounfall mit seinem aufgemotzten, tiefer gelegten blauen BMW. Und das alles im Winterurlaub in der Heimat! Schnell musste Geld für den Arzt her! Und das funktioniert anders als bei typisch westeuropäischen Geldtransaktionen. Migranten verlassen sich nicht gerne auf Banken. Wir schicken es lieber mit dem Bus.

 



Busfahrer unseres Vertrauens
Es ist Freitagnachmittag: Beim Busterminal Erdberg warten 20 Busse auf ihre Passagiere. Kleine Tafeln an den Windschutzscheiben verraten, wohin die Reise gehen soll. Aus gerade angekommenen Bussen steigen erschöpfte Fahrgäste und laden ihre bunten Taschen aus. Zwischen den Fahrzeugen haben sich kleine Gruppen gebildet. Die Fahrer erzählen Neuigkeiten aus der Heimat und überbringen Botschaften oder Pakete von Verwandten. Klatsch und Tratsch findet von hier aus seinen Weg in die Haushalte der serbischen, bosnischen und kroatischen Gastarbeiter.

Vor dem offiziellen Eingang hat Djordjes Bus geparkt. Heute werden es zehn Passagiere sein, die er nach Kladovo, Negotin oder Brza Palanka in Nordserbien bringen wird. Zwei Mal wöchentlich fährt er die Tour und das seit 10 Jahren. 18 Stunden braucht er aus der kleinen Stadt Kladovo nach Wien, „aber nur wenn es die Straßenverhältnisse erlauben“.
Ich erzähle ihm vom Autounfall meines Bruders. Er hilft mir gerne und übernimmt das weiße Kuvert, in das ich 150 Euro gepackt habe. Eine Gebühr für den Transfer verlangt Djordje nicht. „Ich helfe gerne, dafür nehme ich doch kein Geld“, reagiert er empört auf die 10 Euro, die ich ihm als Dank zustecken will. Es folgt eine typisch balkanische Diskussion, bis er sich überreden lässt und fünf Euro als Zuschuss für seinen Proviant annimmt.

 


31 Milliarden in die Heimat
Das Geld im weißen Kuvert, das Djordje nach Serbien bringt, wird von Bank-Profis „Remittances“ (Englisch für Geldsendungen) genannt. Laut Weltbank wurden 2008 31,8 Milliarden Euro von Migranten aus den 27 EU-Staaten in ihre Heimatländer transferiert. 46,4 Millionen Euro kommen allein aus Österreich. Der Gesamtbetrag der überwiesenen Gelder ist vermutlich weit höher als von den Statistiken erfasst. Denn die klassische Bankenüberweisung ist nur ein Weg, wie das Geld in die alte Heimat findet.

„Remittances” werden nicht nur mit dem Busfahrer mitgeschickt. Laut einer Studie der österreichischen Entwicklungsbank wird Geld meist persönlich ins Heimatland gebracht oder Freunden und Verwandten mitgegeben. Vor allem serbische Gastarbeiter besuchen ihr Heimatland oft und sind dementsprechend gut organisiert.

 



Kein Vertrauen in die Banken
Neben den Familien sind vor allem die Busfahrer eine beliebte Geldtransfermöglichkeit – vor allem in Notsituationen. Abgeschlagen sind Western Union und die Banken. Obwohl es in Serbien auch in abgelegenen Ortschaften Bankfilialen gibt, wird auf diese Form des Geldtransfers verzichtet. Grund dafür ist mangelndes. „Die serbischen Banken haben in den 90er-Jahren ganze Konten eingefroren. Plötzlich konntest du dein Geld nicht mehr beheben. Seitdem bin ich sehr vorsichtig“, erzählt Gastarbeiter Dejan N.
 
Western Union hat „unten“ ein Problem. Eigene Filialen darf das Unternehmen nicht eröffnen. Es muss mit den ansässigen Banken und Postfilialen zusammenarbeiten. Neben dem Vertrauensproblem sind vor allem die hohen Gebühren abschreckend. Für eine Transaktion von 150 Euro gehen 19 Euro an Western Union.

„Es läuft nichts schief“
Das Geld, das Djordje am Freitagnachmittag übernommen hat, kommt am Samstagfrüh im kleinen Dorf Velika Kamenica an. An der Busstation in dem kleinen Dorf, das nicht mehr als 500 Einwohner zählt, übernimmt mein Vater das weiße Kuvert. Ausweis braucht er keinen. Die Identifikation von einem Fahrgast aus demselben Dorf hat dem Busfahrer gereicht. „ Wir kennen die Leute, da braucht man keine Ausweise“, sagt Djordje. Im Dorf angekommen bringt er aber nicht nur Geldkuverts und Passagiere. Er bringt Neuigkeiten aus Wien. Großeltern erfahren, dass die Enkelin einen neuen Freund hat. Freundinnen erkundigen sich nach ihren Männern. „Manchmal bin ich die Verbindung zur Welt“, erklärt Djordje lachend und setzt sich hinter sein das Lenkrad. Seine letzte Strecke geht heute in sein eigenes Dorf. Dort bleibt er bis übermorgen – dann heißt’s wieder „Vienna Calling“.


biber-Wettrennen
Wie schickt man sein Geld am Besten in die Heimat? Und wer transportiert es am Sichersten? biber schickt den Bus und Western Union Rennen. Hier geht`s zum biber-Wettrennen.

Der Bus gegen Western Union
biber verschickte zwei Mal 50 Euro. Ein Mal mit dem Bus und  ein Mal mit Western Union. Mit wem kommt unser Geld am schnellsten und billigsten an? die Ergebnisse:

Start: Wien, Hauptstadt Österreich
Ziel: Velika Kamenica, abgelegenes Dorf im Nordosten Serbiens, knappe 500 Einwohner
Entfernung: ca. 900 Kilometer
Einlage: 50 Euro

AUTOBUS:
Start: Abfahrt Freitag 15 Uhr
Ziel: Samstag ca. 08 Uhr
Kosten: 5 Euro Trinkgeld für den Busfahrer
Problem: Den Busfahrer muss man kennen! Oder dein Cousin 3. Grades muss schon mal mit ihm zu tun gehabt haben!!
Achtung: An alle Boten & Geldüberbringer: Bargeld über 10.000 Euro muss bei der Grenze angemeldet werden, sonst gibt’s Ärger mit dem Zollamt. Aber soviel transportieren Busfahrer sowieso nicht.

 


WESTERN UNION
Start: Freitag 12 Uhr, Western Union Filiale, 1020 Taborstraße
Ziel: 20 Minuten später in der Postfiliale in der 20 Kilometer entfernten Nachbarstadt Brza Palanka
Kosten: 10 Euro Gebühr, ca. 7 Euro Kosten für das Taxi in die Nachbarstadt

 

 



Attila Zia, Leiter des Zielgruppen-Marketings bei der Ersten Bank kommt selbst aus Zypern. Er weiß ganz genau, was die Migranten von den Banken wollen ...

 

 

 

 

 

 


biber: Herr Zia, haben die Migranten kein Vertrauen in die Banken?


ATTILA ZIA: In Österreich gibt es kein Vertrauensproblem. Wir haben muttersprachliche Berater, die hier hervorragende Arbeit leisten und wir bemerken einen Interessenanstieg, was die Produkte unseres Unternehmens betrifft. In den Herkunftsländern schaut die Sache aber schon wieder anders aus.


Woran liegt das?


Wahrscheinlich an den lange Zeit vorherrschenden instabilen Strukturen. Das hat sich aber in den letzten Jahren stark verändert. Die Erste Bank ist auch mit Filialen vertreten und wir haben ein gutes Netzwerk und auch viele Kunden.


Kann man mit der „Ersten Bank“ Geld ins Ausland überweisen?


Eine Banküberweisung nach Serbien, Bosnien und Kroatien gibt’s bei uns um 3 Euro! Ich weiß wie wichtig solche Angebote sind! Schließlich hab ich auch Familie „unten”! (lacht)

 

 

von Monika Bratić

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Kommentare

 

Hallo Monika!

Guter Artikel! Ich würde dich nur bitten mir eine Kontaktmöglichkeit für Attila Zia zu geben (Email, Telefon,...) weil die 3 Euro nicht stimmen können. Ich selbst habe erst letzte Woche bei der Ersten Bank wegen ihrem FIT Programm gefragt. Diese bietet die Überweisung mit Minimum 9,60 Euro für Überweisungen an. Also nix mit 3,-
Falls Herr Zia aber etwas weiss, was alle anderen nicht wissen, dann würde ich ihn gerne selbst darauf ansprechen.

Danke!

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Sich zu verstellen ist simple Selbsttäuschung.

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