"Der Balkanizer": Leben in der B-Heimat

14. August 2012

"Der Balkanizer": Leben in der B-Heimat

Danko Rabrenović wird im Zuge des Balkankrieges aus seiner Welt gerissen und in schreibt sein neues Leben in einer biederen Stadt in Deutschland.


Der Autor, Musiker und Journalist ist wirklich kein Womanizer, aber verheiratet mit einer "bosnischen Kroatin ".

Manch einem, mag sich bei dem Titel "Der Balkanizer" vielleicht unweigerlich das Bild eines mit Gel zugekleisterten Jugo-Latin-Lovers mit Sonnenbrille, Goldkettchen und geleastem Auto aufdrängen. Insofern ist die Titelwahl vielleicht nicht ideal. Der catchy Untertitel "Ein Jugo in Deutschland" bringt das Ganze dann aber doch recht gut auf den Punkt.

Der in Zagreb (1969) geborene und in Belgrad aufgewachsene Danko ("Wie Danke nur mit O") Rabrenović erzählt die Geschichte vom Bruderkrieg, der ihn aus seiner Welt reißt und in die kleine biedere Stadt Recklinghausen in Deutschland wirft.

 

Das Gefühl, zwischen zwei Welten zu stehen.

"Nie werde ich das Datum vergessen, an dem ich Belgrad hinter mir lassen musste: 4. August 1991. Mit einer Verkehrsmaschine der jugoslawischen Airline JAT landete ich in der Stadt, die in den kommenden Jahren meine B-Heimat werden sollte: Düsseldorf."

Zu dieser Zeit brodelte es bereits im Vielvölkerstaat Jugoslawien, die von einem Groß-Serbien träumenden Nationalisten hatten die Lunte fürs Feuer längst gelegt. Man spürt, wie verlassen sich der 22-Jährige gefühlt haben musste. Gleichzeitig entgeht einem nicht sein komplettes Unverständnis gegenüber dieser Situation. So spricht der Sohn einer Kroatin und eines Serben darüber, wie serbische Generäle 1991 nicht müde wurden "zu erklären, Kroaten und Slowenen könnten sich auf etwas gefasst machen, falls sie sich für unabhängig erklären sollten".

"Ich war mittendrin - und es war nicht schwer zu erahnen, in welche Richtung sich der Konflikt entwickeln würde. Wäre ich damals in Belgrad geblieben, wäre ich womöglich in Vukovar ums Leben gekommen."

Der aus einer Mischehe stammende "Jugo" (wie er sich selbst bezeichnet) wäre wohl von der serbischen Armee besonders gerne "verheizt" worden. Mit seinem "kroatischen Blut" war er zu dieser Zeit "weniger wert" als "Vollblut-Serben", erklärt Rabrenović die ungute Situation. Wie so viele zu dem Zeitpunkt konnte er sich nur erschüttert und ohnmächtig fragen: "Wieso sollte es plötzlich wichtig sein, ob man Serbe oder Kroate war?"

 

 

Keine Geschichte eines typischen Kriegsflüchtlings


Der heutige Journalist und Autor repräsentiert bestimmt nicht den Großteil der Kriegsflüchtlinge. Er lebt in einem großen Familienhaus mit Schwimmbad, Sauna und Garten, während viele seiner Landsleute "in einer überfüllten Flüchtlingsunterkunft leben mussten".

Rabrenović hat Glück, denn er wird aufgrund seines schwer erkämpften Studentenvisums nicht in die serbische Armee berufen. Er schreibt seine Magisterarbeit und erhält damit auch gleich eine Aufenthaltserlaubnis (statt nur einer Duldung). Nun hantelt er sich von einem Job zum anderen, bis er wie seine Eltern beim Radio landet. Gleich seine erste Radiosendung "Balkanizer" und somit zugleich Namensgeber seines ersten Buches - ist ein voller Erfolg. 

Wenn Nationalisten live auf Sendung bei ihm anrufen, verhält sich Rabrenović freundlich aber bestimmt. Überhaupt lässt er sich auf keine trennenden Diskussionen ein. Auch in seiner Autobiografie schafft er es, mit dem diplomatischen Geschick eines Journalisten keine Stellung zu beziehen und sucht keine Sündenböcke. Viel mehr propagiert er die offensichtlichen Gemeinsamkeiten der im miteinander im Krieg stehenden Länder des Balkans. "Serbien ist keinem anderen Volk näher als dem kroatischen - und umgekehrt"

Im letzten Absatz des Buches zieht Rabrenović seine eigenen Lehren: "Meine Wurzeln haben irgendwann aufgegeben, fest und tief anzuwachsen. Stattdessen haben sie sich Beine zugelegt. Ich bin also weder verwurzelt noch entwurzelt. Ich bin ein mobiler Flachwurzler. Und wahrscheinlich nicht der einzige."

 

 

von Rita Pohler

 

ausführliches Review( Kurier.at )

 

 

 

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