"FIFA muss den Mund aufmachen"

09. Oktober 2013

Arbeitsunfälle und Herzinfarkte: Tausende Gastarbeiter in Katar bauen unter miserablen  Bedingungen Fußballstadien für die WM 2022. Der Anwalt Ramesh Badal von der nepalesischen Gewerkschaft setzt sich für mehr Arbeiterrechte ein. Im Gespräch mit biber erzählt er von sklavenähnlichen Zuständen und warum die FIFA schuld daran ist.

Interview: biber-Akademie

 

Seit 2011 laufen die Vorbereitungen für die Fußball WM 2022 in Katar auf Hochtouren. Die WM Stadt Lusail City wird eigens dafür von Gastarbeitern erbaut. Aufgrund von menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen stirbt durchschnittlich ein Bauarbeiter pro Tag. Ramesh Badal vertritt weltweit die Forderungen der Allgemeinen Föderation der Nepalesischen Gewerkschaften (GEFONT). Diese fordern mehr  Rechte für Gastarbeiter in Katar.

 

 

 

Biber: Allein in diesem Jahr sind 151 nepalesische Arbeiter in Katar gestorben. Tausende leiden unter den Arbeitsbedingungen dort. Als Anwalt vertreten Sie einen Teil dieser Arbeiter. Können Sie kurz erklären, was das Hauptproblem in Katar ist?

 

Eines der Hauptprobleme ist das doppelte Vertragssystem. Der in Nepal unterzeichnete Vertrag besagt, dass sie 243 Euro im Monat verdienen werden. Laut dem zweiten Vertrag, der in Katar geschlossen wird, verdienen die Arbeiter nur 182 Euro. Das Gesetz in Katar schreibt vor, dass nur jener Vertrag gültig ist, der in Katar geschlossen wird. Auf Grund des Kafala-Systems hat der Arbeitnehmer kein Recht seine Stimme gegen den Arbeitgeber zu erheben. (Siehe Infobox.)

 

Ali al Mari, der Vizepräsident des Menschrechtsverbandes in Katar, wirft den Medien eine Überreaktion bezüglich der Geschehnisse vor. Des weiteren sagt der  deutsche Bauaufseher Olaf Hoffmann, dass kein Arbeiter auf den Baustellen von Lusail City gestorben sei. Was sagen Sie dazu?

 

Nein, auf den Baustellen sterben Arbeiter. Uns liegen Berichte vor, dass 427 nepalesische Arbeiter innerhalb von 20 Monaten in Katar gestorben sind. Viele Arbeiter stürzen in den Tod, weil es auf den Baustellen an Sicherheitsvorkehrungen mangelt. Als weitere Todesursache werden natürliche Herzinfarkte genannt. Aber, diese Herzinfarkte sind keineswegs  natürlich! Sie werden dadurch herbei geführt, dass die Arbeiter täglich viele Stunden bei großer Hitze ohne Trinkwasser arbeiten müssen. Wenn sie dann nach einem langen Tag in ihre Unterkünfte zurück gehen, sterben sie. Weitere Ursachen für Todesfälle der Gastarbeiter sind Verkehrsunfälle und Selbstmorde. In den Hotels und Büros sterben keine Arbeiter. Warum sterben sie dann massenhaft im Bauwesen?

 

Gastarbeiter aus Nepal sind an das Recht von Katar gebunden, welche eine gewerkschaftliche Organisation für Gastarbeiter verbietet. Gibt es irgendwelche Möglichkeiten für die nepalesische Gewerkschaft zu helfen oder etwas gegen die miserablen Arbeitsbedingungen zu tun?

 

Es ist wirklich schwierig als Gewerkschaft in Katar zu arbeiten. Die GEFONT kann nur innerhalb Nepals agieren und weltweit Lobbying betreiben. Aber die FIFA kann den Druck auf die katarische Regierung erhöhen, damit die Menschenrechte eingehalten werden.

 

Ist die  Internationale Föderation des Verbandsfußballs (FIFA) verantwortlich für die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen?

 

Ja, sie darf verantwortlich gemacht werden, weil all diese Anlagen in Katar für die FIFA Weltmeisterschaft 2022 gebaut werden.  Darum kann FIFA nicht zur gleichen Zeit die Arbeitnehmerrechte ignorieren, unabhängig davon, ob Arbeitnehmerrechte in Katar existieren oder nicht. FIFA darf nicht stillschweigen. Sie müssen ihren Mund aufmachen und Druck auf die katarischen Behörden ausüben um die Arbeitsrechte durchzusetzen. Sie müssen die Regierung auffordern das Kafala System abzuschaffen.

 

Die internationale Anwaltskanzlei DLA Piper und der katarische Arbeitsminister Saleh al-Khulaifi wollen nun die Baufirmen prüfen und sicherstellen, dass diese sich an die Arbeitsgesetze halten. Denken Sie, dass das zu besseren Arbeitsbedingungen für die Arbeiter führen wird?

 

Ach, ich glaube nicht. Ich möchte das nicht weiter kommentieren, aber wenn eine Anwaltskanzlei damit beauftragt wird etwas zu analysieren, dann werden sie das anhand der katarischen Gesetze tun und nichts finden. Wenn wir die Arbeitssituation allerdings aus der Perspektive der Menschenrechte und der weltweiten Arbeitsrechte betrachten, dann sieht die Angelegenheit ganz anders aus.

 

 

Was planen Sie und die GEFONT, um die Arbeitsbedingungen in Katar zu verbessern?

 

Normalerweise arbeiten wir nicht allein, wir versuchen stets unsere Arbeit in Kooperation mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) zu verrichten. Der IGB hat weltweit eine Kampagne gegen die derzeitige Situation in Katar gestartet. Alleine können wir nichts erreichen, erst wenn wir weltweite Unterstützung bekommen, können wir in Katar auch etwas verändern.

 

Ist ohne die FIFA eine Veränderung überhaupt möglich?

 

Nein. Ich denke, dass FIFA der Schlüssel ist, um die Politik in Katar zu verändern. Die FIFA kann die Behörden in Katar dazu auffordern. Ansonsten können sie schon mal versuchen, einen anderen Austragungsort für den WM-Cup zu finden.

 

Das Leiden der Gastarbeiter hat mittlerweile schon hohes Aufsehen in den Medien erregt. Glauben Sie, dass der durchschnittliche Fußballfan Interesse an den Arbeitsbedingungen auf den Baustellen in Katar hat?

 

 (lacht) Ich denke, das ist schwer zu sagen, ob die Fußballfans Interesse an den Arbeitnehmerrechten zeigen oder nicht. Es ist unsere Verpflichtung, ihnen dieses Interesse zu vermitteln.

 

Info:

KAFALA-SYSTEM

Das Kafala-System ist eine spezielle Form der Bürgschaft. Ein katarisches Unternehmen übernimmt eine Bürgschaft auf für einen ausländischen Bürger. Diese ist zeitlich begrenzt. Dem Arbeiter wird oft der Pass abgenommen und er darf weder kündigen, noch das Land verlassen. Badal  bezeichnet das als „moderne Sklaverei“.

 
Der nepalesische Anwalt Ramesh Badal war einer Einladung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) anlässlich des Welttags für menschenwürdige Arbeit am 7. Oktober gefolgt. Im Rahmen der Veranstaltung meldeten sich neben Badal auch der Fußballer Abdeslam Ouaddou, Tim Noonan, Leiter von "Re-Run the Vote", Gernot Zirngast von der Vereinigung der Fußballer und Katerina Notpoulou zu den präkeren Arbeitsbedingungn in Katar und Griechenland zu Wort.

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