Gott Türsteher - Die Macht der Nacht

04. Dezember 2011

Du bist eine schöne Frau? Rein mit dir. Reich? Rein mit dir. Promi? Rein mit dir. Ein Freund von ihm? Rein mit dir. Kennst du den Türsteher nicht, entscheidet er über dein Party-Schicksal. Greifst du ihn an, gibt es auf die Fresse. Ein Biber-Report über die Türsteher, die geheime Macht der Nacht.

von Melisa Erkurt und Markus Hollo (Fotos)

„Man steht immer mit einem Bein im Club und mit dem anderen im Grab“, philosophiert Mario*, während er argwöhnisch eine Horde junger Männer beobachtet, die offensichtlich einen Drink zu viel hatte. „Betrunkene kommen erst gar nicht rein, die machen nur Ärger“, sagt der 25-Jährige aus Erfahrung und blickt dabei auf die Narbe an seinem linken Unterarm. Ein alkoholisierter Partygast hat ihn vor zwei Jahren mit einem Messer attackiert, weil er ihn nicht in den Club hineingelassen hat. Seitdem ist der gebürtige Serbe noch vorsichtiger und verfolgt akribisch jeden Schritt, jede Bewegung auffälliger Gäste. „In all den Jahren, hast du einen Blick dafür entwickelt, welche Leute Probleme machen und welche nur relaxt abfeiern wollen.“

Ausländerquote

Neben der Anweisung, Betrunkene nicht reinzulassen, gibt es noch eine klare Vorschrift vom Chef: keine ausländischen Männergruppen. Mario hat selbst Migrationshintergrund, trotzdem befürwortet er die Regel: „Ich bin selbst Ausländer und deshalb weiß ich: Wenn unsere Leute unterwegs sind, gibt’s immer Probleme.“ An Marios Arbeitsplatz aber ist Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht: „Türsteher ist wohl der einzige Job in diesem Land, wo Ausländer gegenüber Österreichern bevorzugt werden“, meint der 25-Jährige und bietet eine Erklärung dafür an: „Österreicher sind Memmen, die sind einfach nicht hart genug für diesen Job.“

 

Eins in die Fresse

Und Härte ist in diesem Beruf nötig – Härte, nicht Aggression. Mario wehrt sich gegen das weit verbreitete Bild des Türstehers, der seine Aggressionen willkürlich an Gästen auslässt und dafür auch noch bezahlt wird. „Ich schwöre bei meiner Mutter: Ich hab‘ noch nie jemanden einfach so geschlagen. Alles nur Notwehr.“ Wie genau man sich sein Verständnis von Notwehr vorstellen kann, will Mario nicht verraten. Er grinst: „Alle, die eins in die Fresse verdienen, bekommen auch eins. Dafür sorge ich!“

 

Party à la Charlie

Mehmet dagegen muss selten handgreiflich werden. Vor seine Tür kommen nur selten Betrunkene oder Schläger, dafür umso häufiger Promis. In einer bekannten Wiener Nobeldisco beobachtet der 22-Jährige Türke, wie sich die Leute, die er eigentlich nur aus dem Fernsehen kennt, live benehmen. „Ein bekannter Moderator, der angeblich heterosexuell ist und eine Freundin hat, macht jedes Wochenende mit einem anderen Typen rum“, erzählt Mehmet angewidert und wechselt schnell das Thema: „Oder der eine, der diese Show da moderiert, der verlässt den Club nie ohne zwei Prostituierte an seiner Seite. So geil, oida, wie Charlie Sheen!“

 

Frauenmagnet

Und so begeistert, wie er von diesem Vorfall spricht, ist Mehmet auch von seinem Job: „Schnelles Geld, gute Kontakte und geile Weiber – was will Mann mehr?“, erklärt der junge Türsteher und sieht seine Rolle vor allem als Outfit-Jury: „Meine Aufgabe ist es, zu checken, wer reinkommt. Bist du bekannt, kommst du rein. Bist du ein geiles Weib, kommst du rein. Schaust du reich aus, kommst du rein. Kennst du mich, kommst du rein. Alle anderen müssen draußen bleiben“, erklärt der selbsternannte Frauenheld. Er selbst habe natürlich schon mit „jeeeeder Frau im Club“ geschlafen, versichert er uns: „Als Türsteher kriegst du leichter Frauen rum. Die stehen auf unsere Machtposition und finden es geil, einen Türsteher privat zu kennen.“ Etwas Festes würde er mit einem seiner weiblichen Partygäste nicht anfangen. „Solche Mädls sind nur auf ihren Vorteil bedacht. Wenn sie den Türsteher kennen, müssen sie nicht anstehen und kommen cool rüber. Auf etwas Ernstes sind die nicht aus.“

 

Die Polizei, dein Feind und Gegner

Wenn Leo über „etwas Ernstes“ spricht, geht es nicht um Frauen. Dann meint der 26-Jährige Albaner Sachen wie die gestrige Schlägerei, die so ausartete, dass die Polizei kommen musste. Dieser Teil des Abends war für Leo gefährlicher als die Schlägerei an sich. Vor der Polizei hat er mehr Angst als vor ein paar Halbstarken. Der Albaner arbeitet schwarz vor der Tür und muss ganz schnell durch den Hintereingang verschwinden, wenn die Beamten anrücken. „Es sind immer die Österreicher, die die Kiwarei rufen, die scheißen sich gleich an. Ausländer rufen ihre Freunde her, Ösis die Polizei.“ Abgesehen davon arbeitet der 26-Jährige gerne an der Tür. „Ich betreibe seit 20 Jahren Kampfsport. Aber weil man damit kein Geld verdienen kann, kam ich vor sechs Jahren nach Wien, um zu studieren. Nebenbei fing ich als Türsteher an – und blieb in dem Job hängen.“ Vor allem das schnell verdiente Geld und die Arbeitszeiten sagen Leo zu: „Ich bin ein Nachtmensch, deshalb taugt mir das. Am Abend ein paar Stunden arbeiten und dann das Geld bar auf die Hand kassieren, wo gibt’s das sonst noch?“

 

Furchtlos

Trotzdem bleibt der Job gefährlich: „Du darfst keine Schwuchtel sein“, meint der 27-Jährige Ramzee auf die Frage, was die Voraussetzungen für diesen Beruf seien. „Die Leute dürfen in deinem Gesicht keine Angst erkennen, am besten gar keine Emotionen.“ Dass das nicht immer einfach ist, versteht sich von selbst. Von den Gästen beleidigt und attackiert zu werden, dabei aber immer ruhig zu bleiben, gehört genauso zum Wesen einen Türstehers, wie in einer gefährlichen Situation richtig zu handeln: „Man darf ein Mal zurückschlagen, das ist alles.“ Trotzdem flattern Ramzee und seinen Kollegen monatlich Anzeigen wegen Körperverletzung ins Haus. „Die werden aber meist aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.“

In Aregs Gesicht erkennt man keine Angst. Doch einmal hat er sie bis in die Knochen gespürt, als ihm ein Typ eine Knarre an die Schläfe gehalten hat. Es fiel kein Schuss an diesem Abend, der Typ machte sich aus dem Staub.

Areg bewacht die Tore des angesagten Sass-Club. „Die meisten Gäste wollen in Ruhe feiern. Wenn du sie mit Respekt behandelst, erweisen sie dir denselben Respekt zurück. Zu einer richtigen Schlägerei, bei der wir eingreifen, kommt es höchstens ein Mal im Monat.“

 

Einer für alle ­– alle für einen

Zurück zu Mario, der gerade eine Gruppe angeheiterter Männer begrüßt und ohne zu zögern durch die Tür lässt: „Das sind meine Jungs!“, erklärt er und meint dabei seine Kollegen, die alle in diversen Clubs in ganz Wien an der Tür stehen. „Wir kennen uns alle, jeder geht bei jedem fort, wir trainieren im selben Fitnessclub, man kennt sich einfach.“ Seine Kollegen stimmen mit ein: „Alle Türsteher dieser Stadt kennen sich untereinander. Manchmal weiß man selber nicht mehr von wo, aber es ist so.“ Und so hilft man sich auch immer gegenseitig. Egal ob es um eine Jobvermittlung für den Cousin geht oder um Rückendeckung bei einer Schlägerei – einer für alle, alle für einen.

 

Die Macht der Türsteher

Auch bei illegalen Geschäften unterstützt man sich offenbar. Es soll Türsteher geben, die Drogendealer ungestört in den Club lassen und dafür selbst etwas Stoff abstauben. „Die ganze Nacht vor der Tür – auf Drogen hältst du das einfach besser aus“, zeigt Leo Verständnis für koksende Kollegen und weiht uns noch tiefer in dunkle Machenschaften ein:

„Ein Türsteher weiß alles über den Club, in dem er arbeitet – auch, ob dort Geld unterschlagen wird oder Leute illegal beschäftigt sind. Wenn er will, kann erseinen Kollegen aus anderen Clubs diese Infos zukommen lassen und die wiederum könnten dann beim Clubchef Schutzgeld erpressen. Solche Geschäfte können einen ordentlichen Nebenverdienst einbringen.“ Allerdings ist die ganze Sache mehr als gefährlich: „Ich kannte  mal einen, der  an diesem Business beteiligt war. Eines Tages ist er einfach verschwunden, weg für immer“, fügt Ramzee nachdenklich hinzu.

 

Einmal Türsteher – immer Türsteher

Die meisten halten sich aus solchen Geschäften raus. „Vom Gehalt und dem zusätzlichen Trinkgeld, lässt es sich gut leben“, bestätigt Areg, der seit mehr als 11 Jahren als Türsteher arbeitet und langsam ans Aufhören denkt: „Ich bin jetzt über 30 und will eine Familie gründen, da passen die Arbeitszeiten nicht ganz rein.“  Ansonsten würde Areg diesen Job am liebsten sein Leben lang weitermachen. Denn, obwohl dem Diplomingenieur mit seinem abgeschlossenen Studium alle Türen offen stehen, wird er den Platz  vor der Tür vermissen: „Ich liebe meine Arbeit. Man knüpft Kontakte, überall in der Stadt erkennen einen die Leute. Man ist eine richtige Berühmtheit. Das fühlt sich gut an.“

 

*Außer Areg wollten die Türsteher nur unter falschem Namen zitiert werden

 

 

 

 

 

 


 

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