Ich bin der Meister!
Graffiti zwischen Kalligraphie und Revolution. Der tunesische Künstler eL Seed vertreibt mit Spraydose, Schablone und Schutzmaske die Geister der alten Herrscher.
Mit 16 besprühte er aufgelassene Lagerhäuser oder Fabrikwände in Paris, jetzt darf er sich am größten Minarett Tunesiens austoben. eL Seed ist Street-Art-Künstler aus Leidenschaft. Er ist gefragt, tourt um die Welt, eröffnet Ausstellungen und gibt Workshops. Seine wahre Identität verbirgt er hinter dem Pseudonym „eL Seed“. Der Name beruht auf einem Buch, das der damalige Schüler von seinem Lehrer zu lesen bekam. Es hieß „Le Cid“, kommt aus dem Arabischen „El Sayed“ und bedeutet „der Mann“ oder „der Meister“. Da dachte der Jugendliche: „Ich bin DER Mann!“.
Seine Inspiration
Zwei andere Persönlichkeiten ebneten eL Seed den Weg zum heutigen Allround-Künstler. Der Iraker Hassan Massoudy, einer der bekanntesten Vertreter der modernen arabischen Kalligraphie und Graffiti-Größe „Hest 1“, den er persönlich auf einer Geschäftsreise nach Montreal kennenlernte, als er noch seinem Brotberuf Unternehmensberater nachging. „Hest 1“ motivierte ihn, seinen Stil mit Kalligraphie zu verbinden – so entstand „Calligraffiti“.
Sprayen für den Frieden
Ein großer Traum ging für den umtriebigen Künstler in Erfüllung, als er beauftragt wurde, für die Kulturorganisation „Al Khaldounia“ das Minarett der Jara-Moschee in Gabés mit einer Koransure zu verschönern. Die Tatsache, dass Gabés die Heimatstadt seiner Eltern ist und Tunesien vor dem arabischen Frühling vom Diktator „Ben Ali“ regiert wurde, verlieh dem Projekt zusätzlichen Reiz, weswegen sich eL Seed für eine Sure über Intoleranz entschied. „In Tunesien spürt man noch immer seinen Geist“, so eL Seed. Die Menschen reagierten nicht immer positiv auf das kunstvoll verzierte Minarett. „Das ist auch o.k., denn Kunst ist persönlich und subjektiv und mit meiner Calligraffiti will ich ein Teil davon sein.“
Von Sarah Al-Hashimi
Bereich: