"Mein Mann betrügt mich ... ich liebe ihn trotzdem"

11. April 2019

Eine Affäre ist nach wie vor einer der häufigsten Gründe, weswegen Ehen und Beziehungen in die Brüche gehen. Aber nicht immer: Warum bleibt man beim Partner, obwohl man betrogen wurde? 

Von Aleksandra Tulej, Fotos: Marko Mestrović 

Nach außen hin erscheinen sie wie eine Bilderbuchfamilie. Marlies*, Ende fünfzig, lebt mit ihrem Mann in einer großen Altbauwohnung im siebten Bezirk in Wien, die mittlerweile erwachsenen Kinder sind schon ausgezogen und studieren oder arbeiten. Sie haben einen großen Freundeskreis und verbringen die Wochenenden in ihrem Haus am See. Marlies ist Hausfrau, ihr Mann ist geschäftlich viel unterwegs. Dass ihre Ehe nicht so perfekt ist, wie es nach außen scheint, wissen nur wenige: Marlies’ Mann hatte im Laufe ihrer mittlerweile 37 Jahre dauernden Ehe mehrere Affären mit verschiedenen Frauen – und Marlies wusste davon. 

„Ich bin ein Gewohnheitstier.“, sagt die sorgfältig geschminkte und in Markengewand gekleidete Frau. „Mein Mann war immer schon viel auf Geschäftsreisen unterwegs – Er bemühte sich eigentlich nicht mal richtig, seine Seitensprünge zu verstecken. Die Telefonate und Nachrichten, die ich auf seinem Computerlas, waren dann eindeutig.“, erzählt sie. „Die Kinder wussten nie davon. Oder sie wussten es, und haben nichts gesagt. Ich habe nie nachgefragt, weil ich die Antwort nicht wissen wollte.“, antwortet sie auf die Frage, wie das das Familienleben beeinträchtigt hat. 

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Durch die Chats mit der heimlichen Affäre fliegen viele Seitensprünge auf. Foto: Marko Mestrovic.

 

Das Klischee mit Geld 

Warum Marlies noch mit ihrem Mann verheiratet ist? „Es klingt banal, aber es ist nun eben so, dass er sehr gut verdient. Ich habe mich an diesen Lebensstil gewöhnt und er gibt mir diese finanzielle Sicherheit. Ich liebe ihn aber natürlich auch noch.“ Ob es sie nicht stört, dass ihr Mann Verhältnisse mit anderen Frauen hat? „Am Anfang natürlich schon, mittlerweile haben wir uns beide an diese unausgesprochene ‚Abmachung‘ gewöhnt“ sagt sie. „Jetzt bin ich zu alt, um mich zu trennen. Ich habe geheiratet, als ich viel zu jung war, und jetzt bin ich zu alt.“ Fügt sie mit einem traurigen Schmunzeln hinzu. Ihr Mann hat aktuell auch eine Affäre, sie lebt in einer anderen Stadt in Österreich. Nächste Woche fährt er wieder „auf Geschäftsreise“. 

Bis 1977 war Ehebruch in Österreich eine Straftat und wurde strafrechtlich verfolgt. Das Gesetz wurde mittlerweile abgeändert, trotzdem gilt es immer noch als schwerwiegender Fehler, wenn einer der Ehepartner ein außereheliches Verhältnis hat. Laut der Statistik Austria wurden letztes Jahr in Österreich 16.180 Ehen aufgelöst – einer der häufigsten Scheidungsgründe ist immer noch der Ehebruch. Es gibt aber Paare, die trotz eines Seitensprungs zusammenbleiben. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Bei Marlies ist es das Geld, bei Anna* etwas anderes. 

Das Klischee mit der Sekretärin 

Anna* ist 54 und seit 27 Jahren mit ihrem Mann verheiratet. Sie selber
sagt aber, dass sie nach der Affäre
ihres Mannes von neu begonnen hat
zu zählen. „Also sind es eigentlich nur drei“. Vor drei Jahren hat Anna gemerkt, dass zwischen ihr und ihrem Ehemann etwas nicht stimmt. Anna lebte mit ihren Kindern, die damals im Teenageralter waren, in Wien. Ihr Mann arbeitete in Polen und flog fast jedes Wochenende nach Wien zu seiner Familie. Die Entfernung tat der Ehe nach ein paar Jahren nicht gut: Ihr Mann verhielt sich immer seltsamer ihr gegenüber und ihr schien, als würde er ihr etwas verschweigen. Und sie lag damit richtig: „Ich habe gemerkt, dass irgendwas einfach nicht stimmt und ihn zur Rede gestellt. Ich musste ihm die Infos zwar aus der Nase ziehen, aber irgendwann gestand er es endlich: Er hatte sich in seine 25 Jahre jüngere Sekretärin verliebt und hatte auch eine jahrelange Affäre mit ihr.“ Anna zögerte nicht lange, sondern fand die Telefonnummer der Geliebten raus und stellte sie zur Rede. Diese war zuerst perplex, rückte dann dennoch mit der Sprache raus „Er hatte mir gesagt, dass er seine Familie für mich verlassen wird.“ bekam sie zu hören. Anna war jetzt klar, dass ihr Ehemann über Jahre ein Doppelleben gelebt hat. Was folgte, war eine Paartherapie, unzählige Gespräche, über Scheidung, über’s Zusammenbleiben. „Das war ein Prozess, der sich über Monate zog. Er war sich auch lange nicht sicher, ob er lieber mit ihr zusammen sein will oder mit mir.“ Sie entschieden sich schlussendlich für das Zusammenbleiben. Sie hätten schon so viel zusammen überstanden, und auch der Kinder wegen wollten sie sich nicht trennen. Sie haben quasi einen Neuanfang gestartet, aber die Ehe sei nicht mehr wie früher, erzählt sie. Im Freundeskreis des Ehepaars wissen die anderen davon, Annas Mann ist nicht mehr überall gerne gesehen. „Andererseits ist das schon etwas verlogen, da ich weiß, dass solche Affären öfter vorkommen, als man glaubt. Nachdem es in meiner Ehe herauskam, hat jede zweite Freundin von mir erzählt, dass ihr Ehemann sie betrogen hatte.“ Aber eben im Vertrauen. Wenn man damit an die Öffentlichkeit geht, beginnt das Stigma. 

Ob sie ihm verzeihen kann? „Ich denke, da geht es nicht darum, irgendwas zu verzeihen, das ist nicht der richtige Begriff. Aber uns sind viele Dinge klargeworden. Und ich habe jetzt endlich mehr gelernt, auf mich selbst zu schauen.“, sagt sie. Und was wurde aus der Affäre? „Sie hat sich einen neuen Job gesucht, und ist jetzt angeblich schwanger von ihrem neuen Freund. So tief kann ihre „Liebe“ zu meinem Mann also nicht gewesen sein. Sie hätte ihm übrigens vorgeworfen, dass er ihr ihre besten Lebensjahre weggenommen hat. Dabei wusste sie ja genau, auf was sie sich da einlässt.“ Statistisch gesehen verlassen nämlich die wenigsten Männer ihre Frau für die Geliebte. Ob Anna die Seite der anderen Frau versteht? „Nein. Mir kann niemand sagen, dass man ein guter Mensch ist, wenn man sich auf eine Affäre mit einem verheirateten Mann einlässt.“ 

Betrüger, Ehebruch
Foto: Marko Mestrovic

Bei vielen Paaren folgt nach dem heimlichen Seitensprung die Trennung. Foto: Marko Mestrovic.

  

„Mein Leben war durch die Affäre aufregend wie ein Jane Austen Roman“

Die „andere“ Seite kennt Sofie* gut. So e ist viel jünger als Marlies und Anna, hat aber für ihr Alter auch schon viel in der Liebe durchgemacht. Sie lernte ihren gleichaltrigen Freund Nico* bei der Freiwilligenarbeit in einem afrikanischen Wildpark kennen, als sie gerade mal 17 Jahre alt war. „Das war das erste Mal, dass ich mich in jemanden verliebt hatte.“, erzählt die heute 26-Jährige. 

Es machte den Anschein, als würde er ihre Gefühle erwidern. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft sagte Nico ihr aber, dass er zuhause in Wien eine Beziehung hatte, was auch der Grund war, warum Sofie sich nicht auf ihn einlassen wollte. Aber er ließ nicht locker. Nach ihrem „Gap Year“ blieben die beiden in stetigem telefonischen und SMS-Kontakt, das ganze zog sich über ein Jahr lang. Irgendwann erzählte Nico Sofie dann, dass er mit seiner Freundin schlussgemacht hätte. So e dachte nicht lange nach. Sie hatte gerade die Schule abgeschlossen und zog kurz daraufhin von Stockholm nach Wien – zum Studieren und zu Nico. 

Schon nach ein paar Wochen in Wien merkte sie, dass irgendwas hier nicht stimmen kann. Durch eine Studienkollegin Sofies, die über Ecken in Nicos Freundeskreis war, erfuhr So e, dass
ihr Freund die ganze Zeit über parallel eine andere Beziehung führte: Mit seiner vermeintlichen Exfreundin, mit der er seit fünf Jahren zusammen war. So e stellte ihn zur Rede, er gestand ihr die Wahrheit. Und versprach, dass er mit der Freundin schlussmachen würde. „Bald.“, hieß es. Aber er machte nie Schluss. Aus „bald“ wurden im Endeffekt sechs Jahre, in denen Sofie das Versteckspiel mitmachte. Sie hatte eine Affäre mit Nico, obwohl sie wusste, dass er eigentlich eine Freundin hatte. Jene Freundin vermutete übrigens, dass Nico sie betrog, blieb aber trotzdem mit ihm zusammen, da er sie immer wieder so zu manipulieren schien, dass sie wieder zu ihm zurückkam. 

Er manipulierte auch Sofie: „Wenn ich ihm nicht geantwortet habe, ist er dann tagelang vor meinem Haus gestanden und hat mich so lange überredet, bis ich dann doch mit zu ihm gefahren bin. Er hat mir versprochen, dass wir gemeinsam einen Wochenendtrip machen würden, oder dies und jenes unternehmen würden. Dazu kam es natürlichnie. Wir waren immer nur bei ihm im Bett“, erzählt sie. Er behandelte sie alles andere als respektvoll, sie spürte, dass sie nur die zweite Wahl war. Irgendwo hatte Sofie dann aber immer noch die Hoffnung, dass sie doch noch zusammenkommen. „Ich hatte die ganze Zeit über einfach Angst, dass ich nie wieder jemanden finde, der etwas von mir will. Das war naiv, aber ich war noch so komplett unerfahren.“, erzählt sie. So er lebt nun in wieder in Stockholm, wo sie ihren Master macht, und hat seit zwei Jahren einen Freund. Sie hat keinen Kontakt mehr zu Nico. „Soviel ich weiß, ist er immer noch mit seiner Freundin zusammen. Ich weiß aber auch, dass ich sicher nicht die Einzige war, mit der er sie betrogen hat.“ Den „Cut“, wie sie sagt, hat sie gebraucht, um endgültig von ihm wegzukommen. Was sie rückblickend über die Affäre sagt: „Irgendwie hat dieses Drama mein Leben dann intensiver gemacht, es war mehr wie ein Jane-Austin-Roman. Aber irgendwann habe ich dann gemerkt, dass ich die ganzen Jahre über einfach nicht glücklich war.“ Eine Affäre, sagt sie, will sie nie wieder sein. 

* Namen von der Redaktion geändert.

 

Warum bleibt man zusammen? Interview mit der diplomierten Lebens – und Sozialberaterin Susanne Fabiankovits.

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Was sind die häufigsten Beweggründe, aus denen sich Paare entscheiden, nach einer Affäre zusammenzubleiben?

Eine Affäre signalisiert häufig eine Beziehungskrise und bedeutet gleichzeitig auch eine wunderbare Chance für eine „neue Beziehung“ zwischen dem Paar. Wenn sich Paare nach einer Affäre dazu entschließen in einem Beratungsprozess einzusteigen, sind sie meistens schon bereit zu ergründen, wie es zu dieser Krise kommen konnte. Im Laufe der Beratung kann das Paar ihre Gefühle füreinander bzw. die Liebe zueinander wiederentdecken. Und damit den Grundstein dafür legen, dass ihre Beziehung in eine neue Phase eintritt. 

Passiert das Ihrer Erfahrung nach oft, dass die Paare dann wirklich zusammenbleiben? 

Ob die Paare wirklich zusammen bleiben hängt entscheidend davon ab, ob sich beide dafür entschieden haben, intensiv an ihrer Beziehung weiterzuarbeiten. Wenn es ein klares Bekenntnis zur Beziehungsarbeit gibt und diese konsequent ist, steht einer lebenslangen Beziehung nichts im Wege. 

Was raten Sie den Paaren, die es noch einmal versuchen wollen?

Eine Paarberatung kann in diesen Fällen sicherlich sehr hilfreich sein. Paare lernen im Beratungsprozess das notwendige Werkzeug um achtsamer und bewusster ihre Beziehung zu leben. Wichtig ist sicherlich die Klarheit darüber, welchen Stellenwert zukünftig die Beziehung für jeden Einzelnen haben soll, und dann die Bereitschaft dieses auch unter all den anderen Herausforderungen des Alltags zu leben. 

 

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