"Nur Kanaken verstehen das."

04. September 2014

Nummer 1 in den österreichischen Charts, BBC-Interview und Props von Stars wie Till Schweiger. Rapper Nazar über den neugewonnen Fame, Judenhass, scheinheilige Muslime und den Djihad-Rapper Deso Dogg.

Von Amar Rajkovic, Muamer Becirovic und Marko Mestrovic (Fotos)

 

biber: Bei der Absprache zum Interview- Ort, sagtest du, du möchtest an keinem typischen Kanaken-Ort abfotografiert werden. Warum nicht?

NAZAR: Weil ich es satt habe immer in diese Ecke gedrängt zu werden. Ich sehe schon wie ein Kanake aus, mit meiner Frisur und mit meinem Erscheinungsbild, da musst du mich nicht unbedingt vor einer Graffiti-Wand oder vor einem Plattenbau im 10ten fotografieren.

Das passt aber eher zu einem Rapper als ein Hipster-Laden in Wien-Neubau.
Bevor du versuchst, mich hier im Interview zu ficken: Es war geplant den Termin in meiner Gegend, in der ich aufgewachsen bin, zu machen. Das Wetter hat nicht mitgespielt.

Wie weit unterscheidet sich das neue Album „Camouflage“ von den Vorgängern?
Meine Fans schätzen es, bei jedem Album etwas Neues von mir zu hören. Sei es technisch oder thematisch. Es ist wie ein Prozess in der Schule. Du kannst nur besser werden, wenn du dir Mühe gibst und bei „Camouflage“ ist das der Fall.

Das heißt auch weg vom Straßen-Image und Bling-Bling-Gepose. Warum?
Weil alles andere gelogen wäre. Meine ersten Alben waren sehr aggressiv und frustrierend. Ich war ein junger Migrant von der Straße. Heute ist das anders. Ich habe viel Geld verdient und führe ein anderes Leben. Wenn ich heute, so wie damals in meinem Song „Streetfighter Part 2“, vom Sozialamt und Leuten, denen ich die Fresse poliert habe, rappen würde, wär‘ das gelogen.

Du bist jetzt beim Major „Universal“ unter Vertrag. Hast du damit deine Freiheit verloren?
Neben mir sitzt jemand von „Universal“. Ich kann es offen vor ihm sagen. Ganz „Universal“ kann viel von mir lernen. Das Unternehmen hat riesige Erfolge gefeiert, es hatte aber nie einen Künstler wie „Nazar“, der die Hip-Hop-Szene bedient. Ich habe ihnen (Anm.: Universal) gesagt: „Wenn ihr denkt, dass ihr aus mir einen Schlagersänger machen könnt - dann wird es ein großes Problem geben.“

Erst mit dem neuen Album „Camouflage“ hast du dir österreichweit
einen Namen gemacht. Wieso hat es so lange gedauert?

Mit diesem Album hat sich alles verändert. Ich gebe ein Interview nach dem anderen. Kein Medium aus dem Mainstream war vorher da, um meine Lieder zu „supporten“ und Österreich kann von Glück reden, dass ich nicht nach Deutschland ausgewandert bin. So ist es nun mal. Auch Falco musste das damals am eigenen Leibe spüren. Du bist nichts wert im eigenen Land.

Ist das nur in der Musik so?
Jeder Ausländer, der es in Österreich schafft, vor dem habe ich richtig krassen Respekt. Weil ich weiß, wie wir aufgewachsen sind und mit welchen Schwierigkeiten wir konfrontiert wurden. Vor allem Berufe, bei denen eine Person mit mehr Macht über dir steht und über dein Schicksal entscheidet.

Zum Beispiel?
Mein Cousin Morteza (Anm.: Morteza Tavakoli) hat bei Dancing Stars mitgemacht. Jeder Mensch, der eine Ahnung vom Tanzen hat, weiß: Morteza war mit Abstand der beste Tänzer in der Show. Was ist passiert? Der Quotenkanake wurde bedient, sie haben ihn eine Zeit lang drinnen gelassen. Dann war es aber auch genug, weil andere Stereotypen dort auftraten, die für die breite Masse akzeptabler sind.Ich kann mir vorstellen, dass ein Österreicher beim Lesen dieser Zeilen niemals verstehen wird, was ich meine und sich auf den Kopf greift. Nur Kanaken verstehen das.

Strache hat dich als Terroristen-Rapper und Bedrohung unserer Demokratie bezeichnet. Wann widmest du ihm wieder ein paar Zeilen?
Kommt auf sein Verhalten an. Ich kritisiere Strache nicht, um mich selbst zu profilieren. Ich nutze meine Stimme, weil einem Migranten in Favoriten oder Floridsdorf kein Gehör geschenkt wird. Das tut ihm und seiner Partei weh.

Du hast beim letzten Gemeinderat-Wahl- kampf 2010 die SPÖ öffentlich unterstützt.
Die SPÖ hat mir die Möglichkeit gegeben meine Meinung zu sagen. Dass es für sie cool war, wenn ich Strache als W****** bezeichnet habe, liegt auf der Hand. Ich bin kein Freund der SPÖ, sondern ein absoluter Feind der FPÖ. Darum geht’s mir.

Schauplatzwechsel – Naher Osten. Kannst du es nachvollziehen, wenn ein in Österreich geborener Türke oder Iraner eine israelische Flagge verbrennt?
Ich finde es erschreckend. Mir wurde immer gesagt, ich solle meinen Mund erst dann aufmachen, wenn ich mich mit der Materie beschäftigt habe. Die jugendlichen Ausländer haben eine sehr voreingenommene Meinung zu diesem Thema. Ich kann mich noch aus meiner Jugend erinnern, dass mir Leute im Park gesagt haben, ich solle keinem Juden die Hand reichen. Als ich nach dem Grund fragte, wurde mir ein „Dann landest du in der Hölle“ nachgeworfen. Ich habe mich mit dem Nahost-Konflikt nie intensiv befasst. Klar, dort gehen Dinge vor, die ich niemals gutheiße. Aber deswegen gleich ein ganzes Volk (Anm.: die Juden) hassen?

Bilder von Demos bestätigen diesen Eindruck.
Ich wette mit dir: Wenn du auf eine Demo gehst und die Leute zum Konflikt im Nahen Osten befragst, antworten dir 80% „Vallah Bruder, hast du dieses Video gesehen, wie sie dieses Kind unschuldig umbringen?“ Da ist zu viel Propaganda und zu wenig Wissen vorhanden.

Du hältst dich sehr zurück, wenn es um politische Statements in den Social-Media-Kanälen geht. Ganz im Gegenteil zu anderen Deutsch-Rappern.
Ich weiß von vielen Rappern, dass sie bei Konflikten Stellung nehmen, um sich „Du Hund, wieso nimmst du keine Stellung dazu?“ – Kommentare zu ersparen. Es ist niemandem geholfen, wenn ich irgendein dubioses YouTube-Video poste und schreibe „Guckt, was diese Hurensöhne mit unseren Geschwistern machen.“ Das ist scheinheiliger Aktionismus. Ich äußere mich zu den Angelegenheiten in Österreich, weil ich da eine Ahnung habe. Ich weiß, dass einer wie Strache Volksverhetzung betreibt und einen ganzen Glauben beleidigt. Wissen ist die größte Macht, die man haben kann.

Kennst du den Rapper „Deso Dogg“?
Ja, aber lass mich mit dem Thema in Ruhe. Ich habe keinen Kopf für diesen Psychopathen.

Du hast mit eben diesem Psychopathen auf deinem ersten Album einen Song aufgenommen. Mittlerweile ist aus Deso Dogg „Abu Talha Al Almani“ geworden. Er kämpft für die „IS“ (Islamischer Staat) und posiert mit Gewehr neben Leichen-bergen in Syrien. Kannst du seinen Wandel erklären und hätte auch Nazar beim radikalen „IS“ landen können?
Ich habe das nur über die Medien mitbekommen. Es ist erschreckend. Als ich „Deso“ damals in Berlin kennengelernt habe, war er einfach ein Junge von der Straße, der authentisch war. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, umso erschreckender war es in den Medien zu lesen, was aus ihm geworden ist.

Die medial umstrittene „Imam Hatip“- Schule soll ab 2015 ihre Tore öffnen. Rund 80 Schüler sollen dort auf Türkisch unterrichtet werden. Erst jüngst haben Unbekannte fünf Schweineköpfe an der Baustelle befestigt. Kann ein pluralistischer Staat wie Österreich eine türkische Schule nicht aushalten?
Ich stelle dir eine Gegenfrage: Warum ist es kein Problem, wenn ich mein Kind in eine französisch- oder englischsprachige Schule schicke? Wir leben in einer Heuchlergesellschaft.

Franzosen passen sich besser an und sind zahlenmäßig unterlegen...
Ich bin ein Verfechter der Integration. Man hat nicht das Recht, Dinge und Werte, die im Land Tradition haben, zu verbiegen. Ich komme aus dem Iran. Was die wenigsten wissen: dort stehen unzählige Kirchen und Synagogen. Dass in einer Demokratie wie Österreich das Thema „Religion“ immer wieder zum Thema wird, finde ich erschreckend. Religion wird zu oft in die Öffentlichkeit getragen. Sie ist Privatsache.

Ist die Angst vor dem Islam berechtigt?
Nein. Wenn du die Kommentare unter Straches Posts auf Facebook liest, dann stehen dort zu 90% Parolen wie „Stoppt die Zuwanderung, stoppt die Islamisierung!“ Ich habe noch niemanden kennengelernt, der Österreich islamisieren möchte. Das ist reine Angstmache.

Was macht für dich einen guten Moslem aus?
Nie im Leben könnte ich darüber urteilen. Dazu habe ich nicht das Recht. Nur Gott hat es.

Diese Meinung teilt nicht jeder. Du wurdest in der Vergangenheit öfters wegen deiner Tattoos oder Alkohol-Konsums kritisiert. Das sei „haram“ (Anm.: verboten) im Islam.
Wenn einer zu mir kommt und sagt, ich sei kein guter Moslem, dann könnte ich explodieren. Was ich religiös tue, hat niemanden zu interessieren. Bei den Jugendlichen ist das oft eine Imagefrage. Das war zu meiner Kindheit genauso. Wir spielten im Sommer Fußball. Es war Ramadan. Alle fasteten, weil sie nicht vor den anderen schlecht dastehen wollten. Auf einmal mussten einige Spieler aufs WC. Die haben dann dort schnell getrunken und kamen als fastende Moslems zurück, die von ihren Freunden akzeptiert wurden. Das brauche ich nicht. Wenn du etwas tust, dann musst du das für dich tun!

Hast du noch Kontakt zu deiner Familie im Iran?
Ich war seit neun Jahren nicht mehr im Iran. Ich vermisse meine Familie. Iran ist mein Vaterland, aber nicht meine Heimat. Meine Heimat ist Österreich. Die einzige Sehnsucht, die mich dorthin zieht, sind meine Verwandten. Das Grab meines Vaters zu besuchen, die Luft dort zu riechen, das Essen zu schmecken. Das vermisse ich.

 

Wer ist er?
Name: Ardalan Afshar „Nazar“
Alter: 30
Geburtsort: Teheran
Besonderes: Das aktuelle Album „Camouflage“ erreichte auf Anhieb Nr. 1 in Österreich, Nr. 2 in Deutschland und Nr. 5 in der Schweiz. Als Lohn für den ersten Platz und den damit verbundenen Gold-Status ziert ein überdimensionales Album-Cover ein Gebäude in der Nähe vom Naschmarkt. Nazars Reaktion dazu: „Krass, was?“

 

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Kommentare

 

Wieder mal sinnloses Gelaber von Nazar.
Wie passt etwa zusammen, dass er Religion als Privatsache betrachtet, er sich aber gleichzeitig für die Imam Hatip-Schule in Österreich ausspricht.
Religiöse Schule eines fremden Staates ohne Öffentlichkeitsrecht, da türkischer Lehrplan und Lehrkräfte mit türkischer Ausbildung und Zulassung.
Diese Schulen sind wegen ihrer einseitigen religiösen Ausrichtung selbst in der Türkei mehr als umstritten, und erst Erdogan hat sie mit anderen Schulen gleichgestellt.


Und was soll der Blödsinn über Christen und deren Kirchen im Iran, wie viele Christen gibts denn dort überhaupt im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung?
Die größte religiöse Minderheit sind bekanntlich die Bahai, und wie dreckig man die behandelt ist allgemein bekannt (außer man heißt Nazar) - das reicht von der Zwangskonversion bis hin zu Folter und Mord.
Selbst die Zoroastrier wurden unterdrückt, verfolgt und sind mittlerweile fast vollständig ins Ausland geflohen.


Alles in allem ein absoluter Poser und ein fester Dilo, ich lege ihm die weisen Worte der Jungle Brothers ans Herzen: First you crawl before you walk, first you think before you talk.
Btw. Hans Hölzel (der Künstler) hatte bereits zu Lebzeiten Ansehen und Erfolg in Österreich, er hat damals lediglich als Falco (die Kunstfigur) mit dem Klischee des missverstandenen Künstlers kokettiert, aber auch das ist einem Nazar wahrscheinlich zu hoch.
Was er sich nicht verdient hat ist von solchen Spakos vereinnahmt zu werden, aber Tote können sich bekanntlich nicht mehr wehren.
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