Presse-Clipping: KURIER: Das Christkind kommt aus Serbien

14. Dezember 2008

35 Prozent aller Schüler haben Migrationshintergrund. Wenige sind katholisch, Weihnachten ist trotzdem Thema.Adventkranz, auch wenn nur eine katholisch ist: Döndü, Zeljka, Alexandra. 
Adventkranz, auch wenn nur eine katholisch ist: Döndü, Zeljka, Alexandra (v. li.).

In der Kooperativen Mittelschule Schopenhauerstraße in Wien sind weniger als zehn Prozent der Schüler römisch-katholisch. Vom Nikolo wären die Schüler bestimmt "befremdet", glaubt Direktorin Erika Tiefenbacher. Doch sie legt Wert darauf, den serbisch-orthodoxen oder muslimischen Kindern katholische Bräuche zu zeigen. Es gibt einen Adventkranz im Stiegenhaus, selbst gebastelte Adventkalender und am Glasfenster zwischen erstem und zweitem Stock prangt ein Christbaum aus Papier.

Aufdrängen will man den Schülern nichts. Sie sollen teilhaben, wenn sie möchten. Die muslimischen Kinder kommen ja auch nach dem Zuckerfest (islamischer Feiertag) und bringen Zuckerln für alle mit.

Zwei Welten

Ist es tatsächlich so unkompliziert, einander an anderen Bräuchen teilhaben zu lassen? Für Ardiana jedenfalls. Die 15-Jährige stammt aus Mazedonien und feiert mit ihrer Familie muslimische Feste, doch einen Christbaum gibt es auch. Auch Durim, 14, feiert doppelt. Gerade hat er zu Bajram, dem islamischen Schlachtfest, Geld bekommen. Das wird in Markenkleidung investiert. "Diesel, Hilfiger". Gekauft in der "Lugner" oder auf der "Mariahilfer". Der Rest geht fürs Fortgehen drauf. Konsumiert wird Red Bull. Viele können sich das leisten: mit täglich bis zu 15 Euro Taschengeld.

Die Lehrer wissen: Wenn einer schwänzt, dann müssen sie ihn in der "Lugner" (Lugner City, Anm.) suchen. Klassenvorstand Andrea Palitsch ist eine resolute Frau. Deutsch und Englisch sind ihre Hauptfächer, aber unterrichten muss sie alles. "Hier steckt viel Erziehungsarbeit drin. Serben und Albaner, die ihre Konflikte in der Klasse austragen, das ist Alltag." Kein Österreicher ist unter den 21. Katholisch ist hier nur Zeljka aus Kroatien.

Doch die 4B ist keine Problemklasse. Die meisten haben schon eine Stelle für eine Schnupperlehre gefunden, die Mädchen Friseurinnen, die Burschen Installateure. Die Zeiten ändern sich, aber nicht sehr schnell. Jugendarbeitslosigkeit ist nur ein Wort.

 

Wünsche

Für Zeljka ist erst einmal wichtig, dass sie zu Weihnachten Haare färben darf. Was sich Döndü, 15, einziges Mädchen mit Kopftuch, wünscht, übersetzt Bilal: Auch sie will Kleider kaufen vom Geld, dass die zum Bajramfest bekommen hat. Zeljka wird am 24. Dezember in die Kirche gehen, die meisten serbisch-orthodoxen Schüler gehen an ihrem Feiertag, dem 7. Jänner, in die Messe. Da fehlt dann gleich die halbe Klasse am ersten Tag nach den Ferien.

In der 1B von Maria Peresich haben die Zehnjährigen noch andere Sorgen als finstere Berufsaussichten oder ethnische Konflikte. Stephan kommt von den Philippinen. Das traditionelle Weihnachtsessen in seiner römisch-katholischen Familie ist Huhn mit Reis. Er hätte aber lieber Schinken-Pizza. Vor allem aber will er sichergehen, dass er zu Weihnachten ein "Counterstrike" bekommt. Hoffentlich weiß das Christkind nicht, dass das Computerspiel erst ab 16 ist.

Ein paar Reihen davor sitzt Daniel. Serbisch-orthodox, sagt die Lehrerin. Er glaubt trotzdem, dass ihm das Christkind etwas bringt. Einen Wunsch traut er sich nicht zu sagen. Fünf Geschwister sind sie daheim. Hauptsache, das Christkind denkt an ihn.

Artikel vom 13.12.2008 17:36 | KURIER | Barbara Mader

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Kommentare

 

org

org, dass es soviele ausländer dort gibt...

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