Ukraine: Die Baby-Fabrik

06. Juli 2010

 

 

 

Ein leibliches Kind ohne die Strapazen der Schwangerschaft? Für ein paar Tausend Euro übernehmen Frauen in der Ukraine das Austragen eines österreichischen Kindes. Danach muss es zurück nach Österreich geschmuggelt werden – von den eigenen Eltern.

 

Spätestens seit Sarah Jessica Parker wissen wir, dass man sich die Mühen der Schwangerschaft ersparen und dennoch zum leiblichen Kind kommen kann. Der Star aus „Sex and the City“ ließ seine Zwillinge von einer Leihmutter austragen. Parker und ihr Mann spendeten lediglich Ei- bzw. Samenzellen.

Bei einer künstlichen Befruchtung dient die Leihmutter quasi als lebende Verpackung. Beide Seiten profitieren: Die Leihmutter erhält gutes Geld als Entschädigung für neun Monate Schwangerschaft. Die Auftraggeberin kann ohne Schwangerschaftsstreifen und Geburtswehen mit ihrem Kind nach Hause gehen. Deal abgeschlossen, alle glücklich. Geht auf dieser Welt wirklich alles?

Es geht nicht überall, aber es geht in der Ukraine. Dort haben sich Einrichtungen etabliert, die ihre Leistungen international anbieten. Als Pseudo-Interessentin will ich hinein schnuppern und schreibe an das Institut „La Vita Felice“, das sich als „internationales Zentrum für Leihmütter“ präsentiert.

 

Leihmutter auf Bestellung

Ich stelle mich als eine Frau vor, die ein Kind von einer Leihmutter austragen lassen will. Ich habe mich in Österreich nach einer Klinik umgesehen, schreibe ich. Ich hätte erfahren, dass diese Art von Geschäft in Österreich nicht erlaubt ist. Ich erhoffte mir nun Hilfe. Ich will wissen, wie das mit der Bestellung läuft. Kann ich Schwierigkeiten mit dem Gesetz bekommen? Kann ich mein Neugeborenes ohne Probleme nach Österreich bringen? Und überhaupt: Was kostet mich der Spaß?

Schon nach ein paar Stunden antwortet ein gewisser Herr Oleg in lupenreinem Englisch: Das Zentrum könne gerne helfen. Zuerst müsste ich mit meinem Ehemann nach Charkow kommen. Wir würden die Leihmutter aussuchen, medizinische und rechtliche Beratung bekommen und medizinische Tests durchlaufen. Mediziner und Juristen seien vor Ort, um eine reibungslose Bestellung und die legale Einreise nach Österreich zu garantieren. Die Geburtsurkunde würde auf uns ausgestellt werden. Die Papiere seien legal, da in der Ukraine die Leihmutterschaft erlaubt ist. Der Preis: 16 550 Euro. Die Kosten sind Schritt für Schritt zu bezahlen.

Der Preis der Schwangerschaft

Sobald die Leihmutter schwanger ist, würden wir benachrichtigt werden. Dann würden weitere Kosten für Unterhalt der Schwangeren und ihre medizinische Betreuung anfallen. Eine detaillierte Preisliste findet sich auf der Homepage und beinhaltet verschiedene Pakete. Die „tolle“ Möglichkeit der Leihmutterschaft wird auf der ukrainischen Website gleich in acht Sprachen angepriesen.

Auch für den Fall, dass eine Frau mit Kinderwunsch unfruchtbar ist, bietet das Zentrum Abhilfe. Fast 200 Frauen stehen unter dem Web-Link „Form der Eizellenspende“ zur Auswahl. Jede ist auf einem Foto abgebildet - mal mit einem Baby im Arm, mal im Brautkleid. Es sieht aus wie ein virtueller Heiratsbazar. Neben Alter, Größe und Gewicht finden sich auch Informationen zu Haar- und Augenfarbe, Blutgruppe, Ausbildung und zur „äußeren Erscheinung“ – bei den meisten steht „slawisch“.

Rundum überwacht

Ich erfahre zudem, dass das Zentrum die Überwachung übernimmt, sobald die Leihmutter schwanger ist. Sie muss sich gesund ernähren und auf das Wohl des Kindes achten. Als Auftraggeberin könnte ich der Leihmutter eine Wohnung zahlen. Miete: 150 Euro. Ich könnte ab und zu eine Betreuerin vorbei schicken, die nach dem Rechten sieht – für 12,50 Euro die Stunde. Ich könnte auch eine 24-Stunden-Überwachung bestellen. Der Tageslohn betrüge 25 Euro.

Die Leihmutter bekommt 250 Euro im Monat – das entspricht dem ukrainischen Durchschnittseinkommen. Nach der Geburt erhält sie eine Abfindung von 6000 Euro. In einem Land, in dem mehr als ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, ist das ein lukratives Geschäft. Es wird geschätzt, dass sich etwa 100 ukrainische Frauen jährlich darauf einlassen. Weibliche Körper werden zur Baby-Fabrik und produzieren Kinder wie am Fließband. Es ist ein Geschäft mit der Not, mich erinnert es an Prostitution.

Zusätzlich zum Grundpreis fallen noch diverse Kosten für die Leistungen des Zentrums und der dazu gehörenden Geburtsklinik an, die mehrere Tausend Euro ausmachen: künstliche Befruchtung, medizinische Tests der Erbträger, Beobachtung durch Ärzte während der Schwangerschaft, Ausstellung der Papiere, Medikamente, Service-Vermittlung. Am Ende kommt eine Summe von ca. 21.000 Euro zusammen.

Plötzlich auskunftsscheu

Mir gegenüber, als potentieller Kundin, war Herr Oleg sehr auskunftsfreudig. Aber was tut er, wenn ich als Journalistin etwas übers Zentrum erfahren will? Was er der Pseudo-Interessentin per Mail in perfektem Englisch erklärte, scheint am Telefon nicht mehr möglich. Kein Englisch, kein Deutsch am anderen Ende der Leitung. Schließlich sagt Herr Oleg: „Please Mail, no Telefon!“
Na gut, ich schreibe also ein Email mit denselben Fragen wie zuvor.

Herr Oleg antwortet schnell und in perfektem Deutsch:
„Anfragen von Journalisten und Medien können nur gestellt werden, wenn diese persönlich nach Charkow reisen, um einen Vertrag mit dem Surrogate-Center vor der Berichterstattung zu unterschreiben“.

Ich bleibe lieber in Wien und rufe bei der österreichischen Botschaft in der Ukraine an, um zu fragen, ob die Sache so einfach ist, wie Herr Oleg meint.

Ich erfahre, dass die gesetzlichen Bestimungen in Österreich und der Ukraine sehr unterschiedlich sind. In Österreich ist jene Frau die Mutter, die das Kind gebärt. In der Ukraine kann die Leihmutter durch einen Vertrag auf das Kind verzichten. Dann wird die Auftraggeberin in die Geburtsurkunde eingetragen, als ob sie das Kind selbst geboren hätte. Das österreichische Gesetz hingegen erkennt die Eltern aus Österreich auch dann nicht an, wenn ihre DNA mit der des Kindes übereinstimmt.

Staatenlose Babys

Die österreichische Botschaft in der Ukraine erklärt: Nach einer Leihmutterschaft bekomme das Kind keine österreichische Staatsbürgerschaft. Es gilt als staatenlos. Nach Österreich dürfe es schon gar nicht. Diese Problematik sei der Botschaft längst bekannt, eine klare Lösung gäbe es jedoch nicht.

Die Eltern sind faktisch gezwungen, ihre biologischen, aber staatenlosen Kinder nach Hause zu schmuggeln. Dabei steht das Fälschen von Dokumenten auf der Tagesordnung, wie das Bundeskriminalamt bestätigt. Das sei allerdings schwer zu beweisen, weil die Leihmutter in den Papieren nicht aufscheint. Und wenn sie nicht die Eizellenspenderin ist und das Erbmaterial von beiden österreichischen Eltern stammt, sind auch DNA-Tests nutzlos.

Bei Sarah Jessica Parker lief die Geschichte natürlich etwas anders - auch deshalb, weil Leihmutterschaft in den USA nicht verboten ist. 30 000 Dollar soll die 26-jährige Leihmutter der Parker-Zwillinge für ihre Dienste bekommen haben. Die Vermittlungsagentur kassierte 100 000 Dollar.

 


Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt:
„Dort wo krimineller Profit zu erwarten ist, gibt es auch kriminelles Potenzial, insbesondere in einem armen Land wie der Ukraine. Kinder, die nirgendwo registriert werden, sind für kriminelle Machenschaften ein leichtes Ziel - vor allem Kinder, die nicht reden können, wie Babys.“

 

INTERVIEW:

Kriminelle Wege zum leiblichen Kind

Wie holt man sein staatenloses Kind aus der Ukraine nach Österreich? Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt spricht über die Gefahren der Leihmutterschaft.

biber: Was passiert mit Kindern aus einer Leihmutterschaft?

Tatzgern: Es gibt Fälle, wo es schief geht. Die Ukrainerin kann sich zum Beispiel zum Kind bekennen, damit wird das Kind ukrainischer Staatsbürger. Nach Österreich kann es aber nicht, weil es ein Visum braucht. Und um ein ukrainisches Kind zu adoptieren, braucht es zwei Behörden - eine in der Ukraine und eine in Österreich. Das Ganze kann Jahre dauern, während das Kind in der Ukraine lebt. Fazit: Für Kinder aus einer Leihmutterschaft existiert in Österreich noch keine Regelung.

biber: Ist diese Leihmutter-Agentur in der Ukraine seriös?

Tatzgern: Grundsätzlich müssen wir alles anzweifeln, was viel Geld bringt. Wir wissen, dass man dort sofort gefälschte Papiere bekommt. Und der größten Gefahr sind Kinder ausgesetzt, die staatenlos sind. Noch dazu Kinder, die nicht reden können, wie Babies. Die Ukraine ist ein sehr armes Land. Dort wo krimineller Profit zu erwarten ist, gibt es auch kriminelles Potenzial – wie im Geschäft mit den Leihmüttern.
 

 

 

 

 

 

 


Infobox - Leihmutterschaft:

Durch künstliche Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation – IVF) wird die Eizelle der Frau mit dem Samen des Mannes außerhalb des Körpers befruchtet. Die befruchtete Eizelle wird anschließend in die Gebärmutter eingepflanzt.
Wenn die leibliche Mutter das Kind nicht austragen kann oder will, gebärt eine
Leihmutter.
Es gibt zwei Möglichkeiten der Leihmutterschaft:

  1. Eizelle und Samen der Wunscheltern.

  2. Eizelle der Leihmutter und Samen des Wunschvaters.

Erlaubt für kommerzielle Zwecke in:
Republik Südafrika, Russland, Georgien, Ukraine
Erlaubt, aber Bezahlung verboten in:
Australien, Großbritannien, Dänemark, Israel, Spanien, Kanada, Niederlanden
Nicht verboten, aber nicht geregelt in:
Belgien, Griechenland, Irland und Finnland
Verboten in:
Österreich, Deutschland, Norwegen, Schweden, Frankreich

 

 

Von Ivana Martinović
Fotos: Lucia Bartl, Sonja Schwarz

 

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Kommentare

 

unglaublich !!!!!

 

Ich meine, Schmuggeln ist eine Sache, aber wenn es halt nicht klappt ? Die Leihmutter wird wohl nicht das Baby zurücknehmen. Also ? Werden sie in ein Kinderheim abgeschoben ? Werden die für Pädophile angeboten ? Oder werden sie gleich "entsorgt" ?
Bitte um weitere Recherche!!

Danke für den Bericht! Es ist wirklich unglaublich zu was Menschen fähig sind.

Vor allem die Sarah Jessica Parker hat wohl gute Werbung für diese Industrie mit ihrer "eigenen" Schwangerschaft gemacht. Da wird es genug geben, die sich diesem Trend anschließen werden. Bähhh! Ich boykotiere ab sofort alles was mit der Dame in Verbindung steht.

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Sich zu verstellen ist simple Selbsttäuschung.

 

was passiert mit den staatenlosen babys. diese frage habe ich dem herrn vom bundeskriminalamt paar mal gestellt.

er könne nicht für jeden fall sprechen. er meinte nur am rande:
kinder die unregistriert sind, sind am besten zu verkaufen. sie sind gutes geld wert. vor allem kinder, die nicht sprechen können.

er meinte, dass die ukrainische mutter das kind anerkennen kann. somit könne es zum ukrainischen staatsbürger werden. die österreicher verlieren allerdings dann den anspruch darauf. und dann könnte die ukrainerin das baby zur adoption frei geben. allerdings braucht man für eine adoption 2 behörden. eine in österreich, eine in der ukraine. und für so ein vorhaben fehlt die österreichische behörde für genau dieses kind. vor allem, weil jahre verstreichen und eine adoption nicht ohne weiteres eingeleitet wird.

und wenn die ukrainerin das kind nicht anerkennt, da sie ja einfach nur für das geld ein kind für ein anderes paar ausgetragen hat und nicht unbedingt vorhatte selbst eines zu bekommen, dann ist das kind staaatenlos. die ukraine fühlt sich dafür nicht zuständig.
was mit dem kind passieren würde, in so einem fall? das weiß man nicht.

ich werde, wenn ich mehr zeit habe, vieles aus dem gespräch mit dem herrn vom BKA posten. er hat sehr viele interessante dinge erzählt, warum zb naturkatastrophen, wie die jetzt in pakistan, den kinderhandel und schmuggel boomen lassen.
es sind menschen an solchen orten unterwegs, die nur darauf warten, dass herumirrende kinder rumstehen.

 

"Die Mühen der Schwangerschaft ersparen" das wird wohl in den seltensten Fällen der Grund sein.

Viele Frauen können nicht schwanger werden (zB weil sie wegen einer Gebärmutterhalskrebs bzw der Therapie dagegen keine Gebärmutter mehr haben)

Viele würde sehr, sehr gerne selber schwanger sein und sehr sehr gerne selber gebären, statt die Mühen von den ganzen emotionellen, familiären und juristischen Problemen auf sich zu nehmen.

Man wird um die schöne Zeit der Schwangerschaft gebracht, man kann nicht selbst gebären, es kostet einen Haufen Geld, man muß sich mit dem Stillen plagen (ohne Schwangerschaft ist es möglich, aber mühsam) , man weiß das Kind im fremden Bauch...so genau kann man diese andere Frau ja nicht kennen, das sind ja die allerersten Erlebnisse, die ein Kind in dieser Welt macht...das ganze ist als mehr als schwierig, auf so vielen Ebenen.

Das ist wirklich nicht schön...aber manchmal der einzige Weg.

 

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