Viel Rauch um nix

08. Oktober 2014

 

Der Siegeszug der Wasserpfeife hat Wien erreicht. Aber: Den Freunden des gepflegten Inhalierens stockte jüngst der Rauch in der Lunge. Der Grund: Gesundheitsministerin Oberhauser möchte das Rauchen in Shisha-Bars beschränken. Was sagen „Shishaholiker“ dazu? Eine Lokalschau.

 

Von Onur Kas und Susanne Einzenberger, Christoph Liebentritt (Fotos)

 

 

Wer nach Baku reisen möchte, muss nicht den weiten Weg in den Kaukasus antreten. Im 9. Bezirk befindet sich die Shisha-Bar „Baku Lounge“, die nach der aserbaidschanischen Hauptstadt benannt ist. Hier geht es gemächlich und chillig zu. Junge Gäste knotzen auf dicken Polstern und rauchen an ihren verzierten Wasserpfeifen. Auf dem „Tabakkopf“ befindet sich der würfelförmige Tabak, dessen Geschmacksrichtungen von Kiwi, Vanille bis Schokolade reichen. Stammgäste besitzen sogar einen eigenen Rauchschlauch, auf dem ihr Name eingraviert ist. „Extra in der Türkei angefertigt“, wie man uns stolz berichtet.

 

Dorn im Auge

Shisha-Bars sind schon längst keine exotische Erscheinung vom Stadtrand. Von den orientalischen Entspannungs-Oasen gibt es laut „Wiener Zeitung“ mittlerweile über 200 in der Hauptstadt. Das ist zehn Mal so viel wie 1999. Damals zählte man ganze 25 Bars, in denen man fröhlich vor sich hin qualmen konnte. Ein ganzer Geschäftszweig schoss aus dem Boden. Rauch-Accessoires wie Kohlezangen, Tabakköpfe, Dampfsteine oder Schläuche kriegt man heutzutage in Trafiken ums Eck. Die „Nargile“ ist auch im österreichischen Wohnzimmer angekommen.

Nur der Vorstoß von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, den zunehmenden Shisha-Konsum zu beschränken, bremst den Aufstieg des „Shishismus“. Mit dem geplanten totalen Rauchverbot sollen Zigaretten aus den Gastrostätten verbannt werden - Wasserpfeifen sollen ihnen folgen. Das Einatmen von Shisha-Rauch wird von Experten für genauso schädlich gehalten wie der Konsum von herkömmlichen Zigaretten. Oberhauser will da hart durchgreifen und orientiert sich an Deutschland. Dort darf man erst ab 18 Jahren am Schlauch nuckeln, hierzulande ab 16 Jahren.  

 

Warm-Up Club und Shisha Lounge

Martin (26) und Perry (27) juckt das nicht. Die beiden Chefs der Baku Lounge seien auf ein Verbot vorbereitet: „In diesem Fall würden wir uns nach Alternativen umschauen. Wenn es alkoholfreies Bier gibt, dann können wir auch unseren Gästen eine nikotinfreie Wasserpfeife anbieten.“ Zudem achten die Jungunternehmer drauf, dass nicht zu junge Leute in die Bar reinkommen. 16 ist das Mindestalter. Ab 20 Uhr darf man erst ab 18 Jahren hinein.

Über mangelnde Kundschaft können sich Martin und Perry nicht beklagen. Wenn man die beiden reden hört, klingen sie selbstbewusst und überzeugt von ihrem Konzept: „Nachdem wir diese Bar übernommen haben, haben wir komplett aufgeräumt. Aus einem 08/15 Lokal haben wir eine Szene-Location gemacht. Wir sind Wiens bester Warm Up-Club und Shisha Lounge.“, so Martin.

 

Wenn die Situation es erlaubt, mischt sich Martin unter die Leute: „Wir sind hier eine Familie. Dementsprechend bemühe ich mich, meinen Gästen eine hohe Qualität zu bieten. Die Leute sollen nach einem Kaffee zu Mittag nicht gehen, sondern gleich den ganzen Tag hier bleiben.“, schildert uns Martin sein Bild vom perfekten Gast. Eine Gruppe Jugendlicher sitzt in der Ecke und gibt merkbare Rauchzeichen von sich. Sie lehnen an einer Wand mit florierendem Muster. Aus den Boxen ertönen orientalische Klänge. Im Hintergrund läuft auf dem großen Screen ein Fußballspiel. 

Gerald (Anm. der Red.: Name geändert) ist Stammkunde der Baku Lounge. Der 18-Jährige liebt es, wenn er sich nach der Schule entspannt mit seinen Freunden austauschen kann: „Man vergisst den Schulstress für eine Weile.“ Das bestätigen auch seine Freunde. Die beiden Studentinnen Manel (20) und Selma (27) gehören zu den „Shishaholikern“ in der Baku Lounge. Sie sind fast jeden Tag hier und schätzen die familiäre Atmosphäre. Selma gibt uns gleich einen Insider-Tipp mit auf den Weg: „Orange-Minze ist der absolute Hammer.“

 

Wie ein Sultan aus 1000 und einer Nacht

Auch Eray, der Geschäftsführer von „Selcuklu“ im 15. Bezirk, freut sich über steigendes Interesse an seinen Shishas. Durch Mundpropaganda kommen immer mehr Rauchjünger in seine osmanisch dekorierte Bar. Fein geschmückte Sitzecken lassen Körper und Geist entspannen, während die Lunge ihre Arbeit verrichtet. Erays Kundschaft – sowohl Ur-Wiener als auch Neo-Österreicher– machen die Bar im 15. Bezirk zu einem Geheimtipp. Wer hier eine Wasserpfeife raucht, fühlt sich wie der Sultan aus 1000 und 1 Nacht. Wenn Fußball nicht das Gesprächsthema ist, unterhalten sich die Jungs über Frauen, Beruf und Geschäftsideen für die Zukunft. Es sticht sofort ins Auge, dass sich in Shisha-Bars mehr Männer als Frauen aufhalten. Hat es vielleicht mit den gesundheitlichen Nebenwirkungen zu tun? Frauen wird nachgesagt, sie würden mehr auf ihre Gesundheit achten als die qualmenden Herren der Schöpfung. Sind Shishas tatsächlich so gefährlich?

Eray widerspricht. Frauen und Männer würden seine Bar gleichermaßen aufsuchen und setzt fort: „Selbstverständlich kann eine Wasserpfeife auch ungesund sein - mit den falschen Tabakkohlen zum Beispiel.“ Er benutzt – so versichert er uns – für seine Shishas ausschließlich Naturholzkohle, was gesundheitlich unbedenklich sei: „Alkohol und Zigaretten sind schädlicher als Wasserpfeifen. Obwohl ich immer wieder eine Shisha rauche, kann ich weiterhin uneingeschränkt Fußball spielen und meine Tore schießen. Das könnte ich mit einer Zigarette nicht.“ Sogar sein Arzt hätte ihm grünes Licht gegeben. „Mein Lungenarzt ist ein leidenschaftlicher Shisha-Konsument und hat mich sogar nach guten Wasserpfeifen und ihren Utensilien gefragt.“ 

Reinhold Kerbl, Präsident der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, sieht die Sache anders. „Mit Wasserpfeifen ist es wie mit modernen Drogen. Kein Mensch weiß genau, was da drinnen ist und geht damit leichtfertig um.“ Er unterstütze die Ministerin und würde sogar noch weiter gehen: „An öffentlichen Plätzen sollten Shishas ebenfalls verboten werden.“

 

Gemütlich rauchen statt saufen und pöbeln

„Völlig überzogen“, findet Rashid (Anm. der Red.: Name geändert), Besitzer einer Shisha-Bar im 2. Bezirk, der Wasserpfeifen für harmlos hält. Wenn man das Shisha-Angebot aus gesundheitlichen Gründen einschränken wolle, dann solle man wo anders beginnen: „Zucker ist giftiger als eine Wasserpfeife. Schauen Sie sich doch um, wie viele Menschen an Zucker erkranken, weil unsere Lebensmittel damit vollgestopft sind. Ich habe noch nie erlebt, dass eine Shisha krank macht“, argumentiert Rashid. Er betreibt seine Bar mit Leidenschaft. 55 % seiner Einnahmen kommen von den Wasserpfeifen, die er anbietet. Er verstehe die Panik im Gesundheitsministerium nicht. Es sei sogar gut, dass es Bars gäbe, wo die Menschen nach einem stressigen Arbeitstag abschalten könnten. „Vergleichen Sie eine Shisha-Bar mit einem herkömmlichen Bierlokal. Während die Leute hier chillen, lachen und wie zivilisierte Menschen miteinander reden, wird in einem Bierlokal gesoffen, gepöbelt und geboxt.“ Das Bild eines pöbelnden, weil alkoholisierten, Gastes ist hier tatsächlich fremd.

 

 

Chillen und relaxen

Mit Entspannung wird in nahezu jeder Shisha-Bar geworben. So auch im „Chillex“, dessen Name sich aus den Begriffen „chillen“ und „relax“ zusammensetzt. Sara ist eine Angestellte des Lokals, das von Gemeindebauten im 10. Bezirk umschlossen ist. Die 24-Jährige bietet ihren Gästen nicht nur Wasserpfeifen mit verschiedenen Geschmacksrichtungen an, sondern auch leckere Wraps und Eiscreme. Zwei junge Gäste befinden sich in der Bar. Sie stoßen den gerade inhalierten Rauch auf eine Tischplatte und spielen damit rum. Da wird eine ganze Wolkendecke geformt, oder sie wedeln mit ihrer Hand durch den Qualm, als wäre Miraculix am Werk. Das geplante Rauchverbot wird skeptisch beäugt. Sara hebt die sozialen Vorteile einer Shisha-Bar hervor. „Mit einer Shisha kommen die Menschen zusammen.“

Auf unsere Anfrage beteuerte das Gesundheitsministerium, dass man Shisha-Bars nicht zusperren wolle. Allerdings sollen Jugendliche unter 18 Jahren daran gehindert werden, Wasserpfeifen zu konsumieren und Bars aufzusuchen. Ob das die minderjährigen Shishaholics daran hindert, weiterhin Nergile zu rauchen? Einen 16-jährigen Gast in der Baku Lounge beeindruckt das kaum. „Wenn ich hier meine Wasserpfeife nicht rauchen kann, dann besorge ich sie mir anderswo.“

 

 

 

Interview mit Dr. Reinhold Kerbl

Wie schädlich ist eine Shisha?

Mit Wasserpfeifen ist es wie mit modernen Drogen. Kein Mensch weiß genau, was da drinnen ist und geht damit leichtfertig um. Es konnte bislang nicht geklärt werden, welche Schadstoffe eine Wasserpfeife beinhaltet. Die Krebsgefahr ist so hoch, wie bei herkömmlichen Zigaretten. Jugendliche sollten ihre Finger ganz davon lassen, weil man eine Shisha mit einer Einstiegsdroge vergleichen kann.

Der Arzt eines Barbesitzers versicherte seinem Patienten, dass mit seinen Lungen alles in Ordnung sei und greift selber zu einer Wasserpfeife. Halten Sie das für glaubwürdig?

Nein. Es ist unbestritten, dass eine Wasserpfeife Schadstoffe beinhaltet. Das wurde von mehreren Experten bestätigt. Wenn jemand das Gegenteil behauptet, erzählt er ein Märchen.

Unterstützen Sie ein totales Rauchverbot?

Absolut. Für mich ist es wichtig, dass vor allem Kinder und Jugendliche damit nicht in Berührung kommen. Ich würde sogar weiter gehen und Wasserpfeifen an öffentlichen Plätzen verbieten.

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