Zuhause ist es doch am schönsten

21. Oktober 2021

Homeparty
Zuhause ist es doch am schönsten...

Die klassische Hausparty hat im Corona-Lockdown ein wahres Revival erlebt. Gestandene Partygäste über ihren Umgang mit Feierlaune in der Pandemie und die Vorzüge der eigenen vier Wände.

Von Nada El-Azar, Fotos: Zoe Opratko

„Ich war mal auf dieser krassen Rooftop-Party. Da waren lauter reiche 30-Jährige, die mit Kypto und Aktien und sowas Kohle gemacht haben. Irgendeiner von denen hat mir etwas über Penny Stocks erzählt, aber ich war schon total betrunken und hab nichts verstanden“, erinnert sich Amira*. Die 22-jährige ist in Wien-Meidling aufgewachsen und hat im vergangenen Jahr regelmäßig Hauspartys besucht – auch während des Lockdowns. „Mich nahm immer eine Freundin mit, die ich vom Fortgehen kannte und die wiederum auch viele Kontakte vom Fortgehen hatte“, so die Verkäuferin. Auch in der Zeit, bevor die Impfung verfügbar wurde, hatte sie nur wenig Angst vor einer Covid-Erkrankung. „Manchmal wurde in den Whatsapp-Gruppen gesagt, dass sich alle testen gehen sollten. Aber ehrlich gesagt habe ich das selber nicht immer rechtzeitig geschafft und kontrolliert hat es niemand“, gibt sie zu. „Es haben eh immer welche dort geschmust und keinen Abstand gehalten. Wenn man trinkt, denkt man nicht an Hygiene. Es war so wie früher halt.“

„Zuhause rumzusitzen schadet den Menschen doch mehr als Corona.“

Auch Mert*, 23 Jahre, berichtet: „In meinem Freundeskreis hat jeder irgendwo eine Party gemacht, ich war echt viel unterwegs im Lockdown. Noch mehr als früher eigentlich.“ Seiner Meinung nach sind die Partybesuche kein Zeichen von mangelnder Verantwortung gewesen, sondern geschahen aus Notwendigkeit. „Man braucht als junger Mensch einfach Gesellschaft. Wir wollten normal weiterleben – zuhause herumzusitzen schadet den Menschen doch mehr als Corona“, winkt er ab. „Die Menschen übertreiben einfach, das ist wie eine Grippe. Und ich werde sonst auch niemals krank“, fügt er hinzu. Besonders attraktiv an den Hauspartys fand der türkischstämmige Wiener eine gewisse Exklusivität und die entspannte Atmosphäre. Dass in der Nachtgastronomie nun die 2G-regel gilt, treibe umso mehr Impfunwillige zu Partyalternativen im Privaten.

„Wenn du in den Club gehst, ist es viel teurer und gibt es dort immer Idioten, die Ärger machen oder komisch sind. Bei Hauspartys nimmt jeder einfach noch Leute mit, und man kann sogar viel besser Mädels kennenlernen als im Club.“ Mert arbeitete über eine Zeitarbeitsfirma als Aushilfe in diversen Hotels. Wegen des Lockdowns und dem damit verbundenen Einbruch im Tourismus konnte er jedoch phasenweise nicht arbeiten, da es keinen Bedarf an Aushilfen gab. „Was hätte ich denn alleine zuhause tun sollen, wenn selbst Arbeiten keine Option war?“

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B.Y.O.B. - bring your own beer! Zuhause feiern schon nicht nur die Nerven, sondern auch den Geldbeutel.

Airbnb-Partys und Drogen

Sowohl Amira, als auch Mert gaben an, dass einige der Hauspartys in Wohnungen oder Häusern stattfanden, die über die Plattform Airbnb gebucht wurden. Nähere Angaben zu den Gastgebern und Orten wollten sie jedoch nicht preisgeben. Oftmals handele es sich jedoch um Locations in den Außenbezirken. „In Favoriten ruft keiner die Polizei, wenn es zu laut ist“, lacht Amira. „Bei meiner ersten Airbnb-Party hat jemand ein ganzes Haus gemietet, im 19. Bezirk. Ich kannte den Gastgeber überhaupt nicht, ich wurde von einem Freund mitgenommen. Es war eine richtig fette Party mit DJ, Lichtern und allem, ich konnte nicht mal alleine auf‘s Klo gehen, weil überall Menschen waren. Irgendjemand schlief in der Badewanne, und jeder rauchte überall, wo es ihm passte.“ Solch eine Feier blieb allerdings nicht lange unbemerkt. „Wenn die Polizei da war, haben wir die Musik für 15 Minuten ausgemacht und waren alle kurz still. Die Beamten dürfen die Wohnung in so einem Fall ja gar nicht betreten.“

Fehlende Kontrolle gab es aber nicht nur in Bezug auf die Hygienemaßnahmen, sondern auch beim Drogenkonsum unter den Partygästen. „Es war besser als in jedem Club. Überall wurde Koks gezogen und ein Typ hatte einen riesigen Haufen Gras mit.“ Wegen des großen Anstiegs an Buchungen für Privatfeiern hat Airbnb seit dem 20. August 2020 ein weltweites Partyverbot verhängt.  Zusammenkünfte von mehr als 16 Personen sind seitdem auch mit Zustimmung der Vermieter nicht erlaubt. Wer sich nicht an diese Regelung halte, wird gesperrt oder angezeigt. Auch die gängigen Suchfilter „event-friendly“ und „parties and events allowed“ wurden gestrichen, um unerlaubten Partybuchungen vorzubeugen. Nachbarn können sich im Verdachtsfall zudem direkt bei Airbnb über eine Hotline melden und Lärmbelästigung durch Partys melden. 

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Pssscht! Aber leise! Lärmbelästigung der Nachbaren ist in Sachen Homeparty der größte Nachteil.

„Ob ich mich auf einer Party oder in der U-Bahn angesteckt habe, konnte ich nicht nachvollziehen.“

Auch in Maries* Freundeskreis kam es immer wieder zu solchen Airbnb-Partybesuchen. Sie selbst veranstaltete jedoch auch in ihrer Wohnung Partys, als von der Öffnung der Clubs noch lange nicht die Rede war. „Ja, ich gebe zu, ich habe 2020 im Lockdown Partys veranstaltet. Ich wollte mit meinen Freunden in Kontakt bleiben und habe auch gezielt gesagt, dass jeder noch Leute mitnehmen kann, wie er möchte. Für die Getränke haben alle gemeinsam gesorgt – sparte im Endeffekt uns allen so viel Geld“, so die Studentin. Im Frühjahr wurde sie positiv auf das Coronavirus getestet. „Ob ich mich auf einer Party angesteckt habe, oder in der U-Bahn, konnte ich aber nicht nachvollziehen. Zwei Wochen lang ging es mir richtig dreckig, aber ich war irgendwo auch erleichtert, die Erkrankung hinter mich gebracht zu haben. Als Genesene habe ich ja heute keinen Nachteil“, erzählt die Wienerin.

Alle Befragten verband nicht nur der soziale Aspekt der Hauspartys, sondern auch das Bedürfnis nach Orten, an denen man zusammenkommen könne, ohne einen großen finanziellen Aufwand dafür betreiben zu müssen. Man erinnert sich noch gut an die Szenen am Wiener Donaukanal vom Frühling, wo tausende Menschen nach der Corona-Sperrstunde ab 22 Uhr zum Feiern zusammenkamen. „Die Tankstelle am Schwedenplatz hat uns alle gerettet“, so Amira, die es zu dieser Zeit auch gerne an den Kanal zog. Medial wurde einerseits auf die unverantwortliche „Partyjugend“ geschimpft, und kurzerhand Platz- und Alkoholverbote in der Stadt verhängt. Auf der anderen Seite wurde jedoch die berechtigte Frage aufgeworfen, wie man öffentliche Plätze sicher und ohne Konsumzwang gestalten kann, sozusagen als Verlängerung des eigenen Wohnzimmers. „Ich war vor zwei Wochen zum ersten Mal seit Corona im Club und war wirklich überfordert“, erzählt die 29-jährige Ana*. Im ersten Lockdown habe sie sich noch sehr penibel an die Hygienemaßnahmen und Social Distancing gehalten. Bei Lockdown Nummer drei ging sie schon gerne auf Partys im kleinen Kreis. „Ich habe mich im Lockdown total entwöhnt vom Fortgehen. Es war zwar super nett, aber ich bevorzuge am Ende doch eher eine gute Homeparty.“ Zuhause ist es doch am schönsten – das trifft auch in Sachen Party zu. Ob in Zukunft neue, offene Feierkonzepte à la Wohnzimmerfeeling auf uns zukommen werden? Es wäre sicherlich eine Überlegung wert.

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"Ich konnte nicht mal alleine auf's Klo gehen, weil überall Menschen waren." Homeparty geht im großen Stil, und im kleinen Kreis.

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