19 Tage im Jahr, an denen ich Instagram nicht mag.

04. März 2015

Fastenzeit. Und das Mitte März für zweienthalb Wochen? Als Bahá'í bedeutet das für mich mehr Spiritualität und naja, auch zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts zu essen. Klingt für viele unverständlich, empfinde ich aber als gar nicht schwer, wenn da nicht Instagram wäre.
von Larissa Schneider

„Möchtest du mitgehen Mittag essen?“ oder „Soll ich dir einen Tee mitnehmen?“ höre ich von meiner netten Kollegin sehr oft. Wenn ich dann dankend ablehne, beginnt sie sich zu entschuldigen. Sie entschuldigt sich, weil ich faste. Doch sie braucht sich gar nicht zu entschuldigen, denn es ist eine Entscheidung, die ich selbst für mich getroffen habe. Vor allem, ist es gesund für meinen Körper, als Entgiftung, was ich auch stark bemerke. Ich nehme nie ab oder zu, ich fühle mich nur irgendwie frischer.

 Fasten ist für mich mehr als nur nichts zu essen und zu trinken. Für mich ist es eine Zeit, in der ich mich sehr mit meinem eigenen Charakter beschäftige und versuche, das Beste aus allen Situationen herauszuholen. Ich bete und lese viel aus den Schriften der Bahá’í-Religion und befasse mich im Allgemeinen mehr mit meiner Spiritualität. Das gelingt mir alles sehr gut und auch das mit dem Essen wäre kein Problem, wäre da nicht Instagram.

#Foodstagram

Ich muss ja zugeben, dass ich mehrmals täglich checke, was gepostet wird. Ich twittere nicht, bin nicht Facebook-süchtig, aber kurz mal auf Insta schauen, um zu sehen was meine Freunde und andere Menschen, denen ich folge, noch so machen, ja das mache ich gern. Denn das ist die eine Plattform, auf der alle denken, dass sie originell und #artsy sind. Denn egal wie schlecht dein Foto auch in Sachen Belichtung oder Fokus ist, mit Instagram fühlst du dich wie ein echter Künstler. Und zugegeben, alles was in  Quadratform ist, ist gleich um einiges cooler (mein innerlicher Hipster hat gesprochen!). Und dann gibt es noch diese netten Menschen, die Bilder hochladen mit bestimmten Hashtags: #foodporn, #foodstagram #instafood #foodlover #yummylicious #usw…

Jedes Mal, wenn ich diese Fotos sehe, habe ich das gleiche Bild vor Augen: Du sitzt mit deiner Freundin oder deinem Freund (der bitte Bartträger zu sein hat) in einem kleinen Vintage-Café und endlich nach langem Warten kommt dein Essen. Doch anstatt es gleich zu verschlingen, machst du mehrere Fotos aus mehreren Perspektiven, damit du die beste Perspektive deines Burger auswählen kannst. Egal, wie gut er schmeckt , einer der oben erwähnten Hashtags muss dabei sein. Und ich? Ich sitze vor meinem Handy, starre auf das Bild, das du so schön bearbeitet hast und denke mir (als eingefleischte Vegetarierin): „Boah, der Burger schaut verdammt lecker aus!“ Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und ich verfluche innerlich die Menschen, die nur ihr Essen posten.

#Thestruggleisreal

Aber ich verfluche sie nur die 19 Tage lang, an denen ich faste. Denn zwar läuft mir das Wasser im Mund zusammen, aber Hunger entwickele ich nicht unbedingt. Ich bekomme nur wahnsinnige Lust auf den Burger, den du so schön präsentiert hast. Und da dies so oft passiert, weil Instagram nun mal eine Plattform für Selfies, Essen und Wanderlust ist, entwickele ich eine gewisse Abneigung gegenüber Insta und schaue viel weniger nach, was vielleicht auch positiv zu sehen ist.

Aber irgendwie, bin ich doch eine Scheinheilige, denn von den 128 Fotos, die ich auf Instagram online gestellt habe, ist auf 18 Bildern Essen oder Trinken zu sehen. Und nach den 19 Tagen, an denen ich mich auf das Spirituelle fokussiere, werde ich wieder deine Fotos bewundern, mit #jealous kommentieren und selbst Fotos von meinem Essen posten, denn ganz ehrlich: Es schaut doch alles verdammt lecker aus.

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