9 wirklich gute Gründe, um im Ruhrpott zu leben

10. Mai 2017

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Ruhrpott
Das Ruhrgebiet ist grüner als man denkt.

Grau, staubig und arm. Das sind die gängigen Klischees über das Ruhrgebiet. In den meisten Städterankings liegen Duisburg, Essen, Dortmund und Co. auf den unteren Rängen. Doch es gibt sehr gute Gegenargumente, warum es sich im Pott besser leben lässt als anderswo.

Das Ruhrgebiet zählt zu den unattraktivsten Ballungsräumen Deutschlands, wenn es nach dem Institut der deutschen Wirtschaft geht. Es ist die „armutspolitische Problemregion Nummer 1“ und hat eine „völlig ungebremste Armutsentwicklung“ in vielen Stadtteilen, so der Paritätische Wohlfahrtsverband. Erst neulich wurden die Ruhrgebietsstädte Oberhausen, Herne und Gelsenkirchen zu den abgehängtesten deutschen Großstädten gezählt. Zugegeben, solche Feststellungen sind nicht aus der Luft gegriffen und haben einen wahren Kern. Die Probleme lassen sich nicht verschleiern. Doch so schlecht ist es im Pott dann auch wieder nicht.

Zuerst die Zahlen und Fakten: Das Ruhrgebiet ist ein Gebilde der Superlative. Es liegt im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Mit 5,2 Millionen Einwohnern ist es der größte Siedlungsraum Deutschlands. Mitten im Zentrum des europäischen Wirtschaftsraums gelegen, handelt es sich beim Ruhrgebiet um den fünftgrößten Ballungsraum des Kontinents, nach Metropolen wie Moskau, London, Paris und Madrid. Auch als Ruhrpott oder Revier bezeichnet, ist das Ruhrgebiet eine Region, die im 19. Jahrhundert durch die Industrialisierung entstanden und zusammengewachsen ist. Kennzeichnend dafür ist die hohe Dichte an Großstädten. Sie liegen so dich beieinander, dass nur das Ortsschild verrät, dass man in eine andere Stadt gelangt ist.

Es gibt sehr gute Gründe, warum es sich hier schöner lebt, als anderswo in Deutschland.

1. Es ist nicht grau, sondern grün. Sehr grün

Das Ruhrgebiet gehört zu den grünsten Regionen in Deutschland. Grüner als Berlin, Hamburg und sogar als Wien in Österreich. Zweidrittel des Ruhrgebiets bestehen aus Wäldern, Wiesen, Feldern und Weiden. Es gibt kaum eine Straße vollständig ohne Bäume Früher erinnerte das Ruhrgebiet an karge Mondlandschaften. Heute wirken manche Orte wie regelrechte Urwälder. Nicht umsonst wurde Essen dieses Jahr zur „Grünen Hauptstadt Europas“ erklärt. Der Baldeneysee lädt im Sommer zum baden ein. Die sogenannte Elfringhauser Schweiz in Hattingen erinnert tatsächlich an die Schweiz und bietet spektakuläre Ausblicke auf Hügelige Landschaften.

Ruhrpott
Ein Sonnenuntergang im Ruhrgebiet hat schon was.

2. Man findet sich schnell zurecht.

Wenn man in eine Millionenstadt zieht, wird man von den Eindrücken regelrecht erschlagen. Bei dieser Menschenmasse und den zahlreichen Möglichkeiten, die so eine große Stadt bietet, kann schon einen überfordern. Außerdem besteht die Gefahr, dass man schneller in die Anonymität gedrängt wird, als einem lieb ist. Nicht so im Ruhrgebiet. Zugegeben. Auch hier kann es umständlich werden, neue Leute kennenzulernen. Aber mit ein bisschen Geduld und Aufgeschlossenheit klappt auch das mit den sozialen Kontakten. Zwar leben im Pott etwa 5 Millionen Menschen. Aber keine einzelne Stadt hat mehr als 600.000 Einwohner. Wenn die Routine ins Leben einzieht und Abwechslung gewünscht ist, der unternimmt einfach was in der Nachbarstadt. So dauert es von der Oberhausener in die Essener Innenstadt maximal 15 Minuten.

3. Hier gibt es noch bezahlbare Wohnräume in zentralen Lagen.

Die Miet- und Eigentumspreise sind hier für normalsterbliche bezahlbar. Studenten und junge Menschen haben hier einen besonderen Vorteil. In den Städten des Ruhrgebiets kann man zentral wohnen und schont dabei den Geldbeutel. Einkaufsmärkte an fast jeder Ecke und ein breites Öffi-Netz sorgt für eine gute Abdeckung des täglichen Bedarfs und für eine hohe Mobilität, ohne einen großen Aufwand dafür zu betreiben.

4. Die Orte sind gut erschlossen.

Eine Frage an die Niederösterreicher, die im Wiener Umland leben: Wie viele Zugverbindungen habt ihr in der Stunde nach Wien? Stellt euch mal vor, ihr wohnt in Duisburg und arbeitet in Düsseldorf. Ganze 8 Verbindungen innerhalb einer Stunde führen in die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen, vorausgesetzt, die Bahn kommt. Fällt sie aus, kann man das Auto nehmen und über die zahlreichen Autobahnen nach Düsseldorf fahren. Denn davon gibt es ein dichtes Netz. Womit wir schon beim nächsten Grund wären, im Ruhrgebiet zu leben.


Ruhrpott
Die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf gehört zwar nicht zum Ruhrgebiet, aber sie liegt vor den Toren des Potts und ist daher verkehrstechnisch sehr gut angebunden.

5. Das Dichte Netz an Autobahnen und ihre Bedeutung.

Es sind zahlreiche Autobahnen, die über das Ruhrgebiet verlaufen. Doch hhne die Hauptverkehrsachse, würde das Herz des Ruhrgebiets aufhören zu schlagen: Die A40. Sie fängt an der niederländischen Grenze an, gewinnt aber erst ab Duisburg an Bedeutung. Denn von hier bis nach Dortmund verläuft sie einmal quer über das Ruhrgebiet. Auf keiner anderen deutschen Autobahn ist das Verkehrsaufkommen mit rund 100.000 Fahrzeugen verhältnismäßig so hoch, wie auf der A40. Abschnittsweise fahren sogar Straßenbahnen auf der Autobahn, dessen Verlauf in der Mitte die Fahrbahnen trennt. Sie trägt den Beinamen „Ruhrschnellweg“. Aufgrund der vielen Staus wird sie auch im Volksmund auch „Ruhrschleichweg“ oder „längster Parkplatz Europas“ bezeichnet.

6. Das Shopping-Paradies.

Was tun mit den brachliegenden Flächen, die nach der Schließung der Stahlfabriken zahlreich vorhanden waren? Die Antwort: Wir bauen Einkaufszentren. Auf diese Weise ist seiner Zeit das größte Einkaufs- und Freizeitzentrum Europas entstanden. Das „Centro“ in Oberhausen (125.000m² Verkaufsfläche, 830.000² Betriebsfläche, über 250 Einzelhandelsgeschäfte auf zwei Ebenen) ist ein Sinnbild für den Strukturwandel des Ruhrgebiets. Aber auch der „Limbecker Platz“ in Essen, der Bochumer „Ruhrpark“ oder die Thier-Galerie in Dortmund laden zum „bummeln“ ein, wie man im Ruhrgebiet so schön sagt. Wer braucht da schon die Düsseldorfer Königsallee oder den Wiener Graben.

7. Reich an Kultur

Das Ruhrgebiet ist reich an Kultur. So reich, dass die gesamte Region von der EU zur Kulturhauptstadt 2010 erklärt wurde. Viele ehemalige Industrieanlagen wurden zu Museen umgewandelt. So etwa die „Zeche Zollverein“ in Essen, die heute ein Weltkulturerbe ist. Im Oberhausener Gasometer, ein ehemaliger Gasspeicher, finden jährlich Sonderausstellungen statt. In sämtlichen Städten des Potts befinden sich renommierte Theater. Zahlreiche Konzerte und Open-Air-Festivals stehen des weiteren auch im Programm.

8. Hier gehen Arbeiterkinder auf die Unis

Das Ruhrgebiet hat keine akademische Vergangenheit. Es ist die Arbeiterhochburg schlechthin. Noch bis in die 1960er Jahre gab es hier so gut wie keine Universitäten. Doch dann verschwanden die Stahlfabriken. Zahlreiche Arbeitsplätze gingen verloren. Eine Investition in die Zukunft musste her. Genauer gesagt in die Bildung. Heute gibt es im Pott 22 Hochschulen und 600 Studiengänge. Das ist das dichteste Hochschulnetz in Europa. An der Universität Duisburg-Essen, an der ich studiert habe, beträgt der Arbeiterkinder-Anteil unter den Bachelor-Absolventen 54 Prozent. Damit ist das der höchste Wert in ganz Deutschland. Stolz drauf.

9. Die Bewohner des Ruhrgebiets

Während andere Großstädte darin bemüht sind, sich von ihrer Schokoladenseite zu präsentieren, zeigen sich die Menschen im Ruhrgebiet stets von ihrer echten Seite. Hier bekommt man eine Meinung direkt aufs Gesicht geknallt. Ein gewisse Selbstironie über die Macken der Heimat gehört ebenso zur Mentalität der Ruhrpottler, wie der Stolz auf die Vergangenheit dieser Region. Hier wissen die Menschen, ihre Stärken und auch ihre Schwächen klar zu benennen. Denn die hat das Ruhrgebiet allemal. 

 

 

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