Abdul wollte zum Christentum konvertieren - nun soll er abgeschoben werden

29. Mai 2017

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Abdul Ghafor Jalalzai, Abschiebung, Schubhaft, Afghanistan
Foto: privat

Der 23-jährige Afghane Abdul Ghafor Jalalzai hat im November 2015 erstmals in Österreich um Asyl angesucht und zwei negative Bescheide bekommen. In Afghanistan spricht sich mittlerweile herum, dass Abdul zum Christentum konvertieren wollte. Morgen soll er abgeschoben werden, was für ihn den sicheren Tod bedeuten würde.

 

Abdul war in seiner Heimatstadt Ghazni Teil der afghanischen Armee und wurde von den Taliban bedroht, wenn er seine Tätigkeit nicht zurücklegen würde. Er kommt aus einer islamisch-konservativen Familie, aus der sich einige den Taliban angeschlossen haben sollen.

 

Sein erster Asylantrag wurde von den Behörden abgelehnt und auch ein Ansuchen auf subsidiären Schutz wurde nicht genehmigt. Der Grund dafür: Abduls Bruder befindet sich noch in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Das reicht für die Behörden aus, um das Land als sicher genug einzustufen und Abdul keinen Asylstatus zu gewähren. Nun sitzt Abdul in Schubhaft und soll schon morgen zurück nach Afghanistan abgeschoben werden.

 

“Abdul war super integriert.”

 

“Ich habe ihn als sehr schüchternen, aber gut gebildeten jungen Mann kennengelernt, der sehr gut Deutsch gelernt hat.”, erklärt mir Rick Reuther vom Verein “Asyl in Not”. Abduls ehrenamtliche Deutschlehrerin, Doris Schneidtinger, erzählt von dem Erhalt des negativen Asylbescheids: “Er war seit November ungefähr dreimal die Woche beim Verein “Ute Bock”, wo er Deutsch gelernt hat. Mit der Zeit haben sich da sehr gute Freundschaften entwickelt. Eines Tages stand er dann mit einem dicken Umschlag da, in dem der negative Asylbescheid drin war.” Seit diesem Tag hat Abdul bereits zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen. Er war daraufhin im Landeskrankenhaus Mödling in Behandlung und nimmt derzeit starke Antidepressiva.

 

Wollte zu Christentum konvertieren

 

In Österreich hat er sich mit dem Christentum beschäftigt und hatte vor zu konvertieren. Obwohl er auf dem Papier noch kein offizieller Christ ist, spricht sich das in seiner Heimat herum. Laut Dr. Fazal Rahman, Obmann des Vereins “Afghan Wulas”, bei dem auch Abdul Mitglied war, wurde er deswegen schon bedroht: “Abdul hat einen Anruf von seinem Bruder bekommen, dass er auf keinen Fall nach Afghanistan zurückkehren soll. Sein Cousin verbreitet die Nachricht, dass Abdul bereits zum Christentum konvertiert sei, was für ihn den sicheren Tod bedeutet.”, so Dr. Rahman.

 

Afghanistan gilt als eines der gefährlichsten Länder für Christen weltweit. Vor allem Apostaten, also Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertieren sollen, werden dort mit der Todesstrafe bedroht. Falls Abdul morgen abgeschoben werden sollte, bedeutet das für ihn, dass er unter ständiger Angst – unter anderem vor der eigenen Familie – leben wird. Bei Redaktionsschluss stand eine Stellungnahme vom Innenministerium noch offen.

 

Wir werden euch hier im Blog darüber auf dem Laufenden halten, wie es mit Abdul weitergeht.

 

Update: Dienstag, 30.05.2017, 10:30 Uhr

 

Die Betreuer und Vertrauenspersonen von Abdul haben sich heute bereits um 7:30 Uhr beim Polizeianhaltezentrum an der Rossauer Lände eingefunden, um Abdul zu sehen und einen weiteren Asylantrag zu stellen. Nun wartet das Team rund um Rick Reuther auf eine neue Einvernahme mit einem Dolmetscher, damit sie die zusätzlichen Fluchtgründe, wie die akute Bedrohung durch seine Familie aufgrund seiner Konvertierung, einzubringen. Diese sollte in den nächsten Stunden stattfinden und ist entscheidend für den weiteren Verlauf. Das Innenministerium möchte laut Sprecher Karl-Heinz Grundböck keine Stellungnahme abgeben.

 

Heute Abend um 18 Uhr findet außerdem eine angemeldete Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan vor dem Polizeianhaltezentrum an der Rossauer Lände statt.

 

In der Zwischenzeit hat Rick Reuther die folgende Meldung übermittelt: “Wir haben unserer Meinung nach hier klar asylrelevante Tatbestände: Flucht aufgrund einer persönlichen Verfolgung aus religiösen Gründen.
Jetzt ist es aber so, dass Abdul Ghafor – rechtlich gesehen – noch während der Prüfung unseres neues Antrags heute nach Afghanistan deportiert werden könnte. Bedingt durch die krasse Gefährdungslage und den daraus enstehenden mentalen Druck, muss ich leider davon ausgehen, dass Abdul Ghafor in diesem Fall versuchen wird, sich sein Leben zu nehmen. Dies habe ich so auch den Behörden mitgeteilt und um eine Schubhaftentlassung gebten, damit Abdul Ghafor vernünftige medizinische Betreuung erhalten kann, während unser Antrag geprüft wird. [Rechtschreibfehler vom Autor korrigiert.]

 

Update: Dienstag, 30.05.2017, 15:26 Uhr

Laut Rick Reuther, dem Rechtsberater von Abdul, wurde bereits ein Transporter vom Polizeianhaltezentrum in Richtung Flughafen Schwechat geschickt. Seinen Angaben zufolge befand sich auch Abdul in dem Fahrzeug. Momentan demonstrieren rund 15 Personen vor Ort gegen die Abschiebung.

 

Update: Dienstag, 30.05.2017, 16:51 Uhr

Der Rechtsbeistand von Abdul hat soeben einen Rule39-Notantrag an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geschickt. Dieser soll bewirken, dass Abduls Deportation vorläufig aufgeschoben wird.

 

Update: Mittwoch, 31,05.2017, 11:37 Uhr

Nachdem der neuerliche Antrag von Abdul auf Asyl in Österreich von den Behörden als negativ prognostiziert wurde, wurde er heute Nacht per Frontex-Charter nach Kabul abgeschoben. An Bord des Flugzeugs befanden sich laut Reuther ungefähr 11 bis 15 Afghanen aus Österreich und weitere aus Deutschland und Schweden.
Rick Reuther und Doris Schneidtinger hatten beide gestern Abend gegen 23:30 das letzte Mal Kontakt zu Abdul. Momentan erwarten die beiden einen Anruf von Abdul aus Kabul.

Heute morgen ereignete sich zudem ein schwerer Anschlag im Diplomatenviertel Kabuls, bei dem bis zu 80 Menschen ums Leben gekommen sind, wie die Zeit berichtet.

 

Update: Mittwoch, 31.05.2017, 14:45 Uhr

Der Sprecher des Innenministeriums hat gegenüber Rick Reuther gerade bestätigt, dass heute Morgen 17 deportierte Personen aus Österreich und 13 aus Schweden den Behörden in Kabul übergeben wurden. Darunter befindet sich auch Abdul. Ein Lebenszeichen von ihm ist bisher ausgeblieben.

 
 
 
 

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