Die Leiden der Generation prekär

01. Februar 2016

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Onur Kas
Foto: Marko Mestrovic

Wenn meiner Generation unterstellt wird, nicht zu wissen, was sie will, ist das Zynismus.

Liebe Birgit,

du hast einen bemerkenswerten Blog geschrieben, auf den ich antworten möchte.

Mit meinen 26 Jahren gehöre ich der Generation Y an.  Anders als viele behaupten, glaube ich, dass sie weiß, was sie will. Man lässt sie jedoch kaum noch gewähren, weil die Rahmenbedingungen ziemlich ungünstig sind. Prekäre Arbeit, Dumpinglöhne, Werkverträge, befristete Jobs, eingeschränkte Sozialleistungen, Freunderlwirtschaft, Intransparenz und eine Wirtschaftskrise, die wir nicht mal verschuldet haben, deren Konsequenzen wir aber tragen müssen. Motivierend sind diese Arbeitsbedingungen nicht. "Generation Prekär" ist eine passendere Bezeichnung. Im Gegensatz zu unseren Eltern und Großeltern haben wir die Arbeitswelt auf diese Weise kennengelernt.

Das beginnt schon mit der Stellenanzeige. Man bekommt das Gefühl, dass die Stelle des Bundeskanzlers zu besetzen ist. Mit 25 Jahren soll man 50 Jahre Berufserfahrung vorweisen, 10 Jahre im Ausland gelebt haben, 5 Sprachen sprechen, uneingeschränkt flexibel und erreichbar sein und am besten eine Ausbildung bei Microsoft und Apple gleichzeitig absolviert haben. Mit realistischeren Worten: Aufgrund der hohen und weltfremden Hürden ist es uns kaum möglich, einen sicheren Job zu erlangen.

Geben wir einen bestimmten Berufswunsch an, unterstellt man uns nicht selten unrealistisch zu sein. Wenn wir alternative Wünsche haben, sind wir plötzlich nicht mehr zielstrebig. Was denn nun? Bei so viel Tohuwabohu sollte man sich dann nicht wundern, dass wir allmählich verwirrt sind. Wenn uns unterstellt wird nicht zielstrebig zu sein, grenzt das schon an Zynismus.

Wir sind die leistungsfähigste und bestausgebildetste Generation unserer Zeit. Wir sind kreativ, haben Ideen, sind topfit und stehen gleichzeitig enorm unter Druck. Denn wir sind die erste Generation der Nachkriegszeit, auf die die Aussage „Wer sich anstrengt, wird belohnt“ nicht mehr zutrifft. In Österreich, das beweisen uns die Machenschaften in Politik und Wirtschaft, haben Fleiß und Intelligenz keinen hohen Stellenwert. Um Karriere zu machen, zählen Beziehungen und Kontakte. Immer wieder strengen wir uns an, weil man uns die Karotte vor die Nase hält und uns mittelfristig einen festen Job verspricht. Doch je mehr man sich anstrengt, desto frustrierender ist die anschließende Jobabsage. Man möchte sich stärker in das Unternehmen einbringen, doch die tatsächliche Integration in den regulären Betriebsablauf bleibt einem verwehrt. Mindestens einmal im Monat fällt man in eine Identitätskrise, weil man den bisherigen Lebensweg in Frage stellt. Vor allem die, die ohnehin aus einem sozial schwachen Elternhaus kommen. Da kann einem schon übel werden.

In so einem Fall fragt man sich jeden Tag, was man bloß falsch gemacht hat. Man bekommt Selbstzweifel, einen Riesenkloß im Hals, weil der Arbeitgeber sich doch für einen anderen entschieden hat. Es ist so, als hätte man eine unheilbare Krankheit, die man hinnehmen muss. 

Aber als Schicksal werde ich meine prekäre Situation niemals hinnehmen. Heute bin ich vielleicht niedergeschlagen, weil ich mir Sorgen um meine Zukunft mache. Doch morgen, wenn ein neuer Tag beginnt, erwacht wieder der Kampfeswille in mir. Und ich hoffe auch der meiner Altersgenossen.

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