Die Opfer der Medien

05. Februar 2015

Name, Aussehen, Alter und sogar Heimatbezirk - afghanischen Medien gehen mit den persönlichen Daten von Opfern eines Verbrechens nicht zimperlich um. Die Konsequenz dieser öffentlichen Darstellung ist verheerend. 

von Tanya Kayhan

Dass Medien für eine gute Geschichte manchmal über Leichen gehen, ist nichts Neues. Da sind auch afghanische Medien keine Ausnahme. Aber viele der lokalen und nationalen Berichterstatter in Afghanistan stellen nicht die Tat oder den Verbrecher in den Fokus der Geschichte, sondern das Opfer - und oft sind das Frauen. Speziell für das weibliche Geschlecht hat es schlimme Folgen, wenn ihre persönlichen Daten der Öffentlichkeit weitergegeben werden. 

Denn die Keuschheit ist für afghanische Frauen ihr wichtigstes Gut. Haben sie die verloren, werden sie nicht mehr als zu respektierendes Mitglied der Gesellschaft gesehen, sie gelten als verdorben und tragen Schuld an der Beschmutzung der Familienehre - selbst wenn sie die Opfer und nicht Verbrecher sind. 

Im Jahr 2013 wurden laut dem afghanischen Ministerium für Frauenangelegenheiten 4500 Gewaltfälle gegen Frauen registriert.  Eine allzu bekannte Szene ist die Opfern der Paghman Provinz - auch hier haben die Medien ihre Gesichter veröffentlicht. Sie wurden nicht nur öffentlich als Opfer dargestellt,  sondern auch von einigen Medien schikaniert. Im August 2014 wurden die Frauen vor den Augen ihrer Männer vergewaltigt. 

Zu groß die Scham

Ein anderer Fall war die der Lal-bibis. Das 18-jährige Mädchen aus Kunduz wurde Mai 2012 von einem Kommandanten entführt und vergewaltigt. Auch über sie weiß man alles - Name, Aussehen, Alter und Heimatbezirk. Als wäre das Schicksal nicht tragisch genug, werden viele der Opfer von Verwandten umgebracht, zu groß sei die Scham, so die Argumentation.

Die Medienunterstützung-Organisationen NAI und SAFMA (South Asian Free Media Association) fordern jetzt mehr Anstand, wenn es um die Daten der Opfer geht. Die letzte Erklärung des NAIs erinnerte Journalisten, dass das Massenmediengesetz nicht erlaubt, Bilder, die die Würde der Opfer beschädigt, zu veröffentlichen.

Die Problematik darin ist, dass viele Opfer selbst die Medien kontaktieren, um ihre Geschichte zu erzählen. Die Opfer sind oft Analphabeten, also sind sie einerseits frustriert und haben andererseits keine Erfahrungen im Umgang mit Medien. Die Medienfreiheit ist ein neues Phänomen nach dem Fall der Taliban in Afghanistan, die Medien erleben zum ersten Mal Freiheit. Viele Journalisten sind aber keine professionellen Journalisten. Aus diesem Grund werden so viele zu Opfern der Medien. 

 

Tanya Kayhan absolviert derzeit die biber-Akademie. Sie ist afghanische Journalistin, die seit vier Jahren in Österreich lebt. Deswegen einfach ein Auge zu drücken, falls ihr den ein oder anderen Fehler in ihren Blogs entdeckt. Aller Anfang ist schwer und ihr seid bestimmt auch keine Profis in Persisch, oder?

 

 

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