Erst Dublin, dann Schengen?

15. September 2015

Plötzlich geht in Europa das Grenzkontrollfieber umher. Dabei sind sie eine pragmatische Lösung auf die aktuelle Herausforderung.

Eine Frage an unsere Leser: Woran denkt ihr ganz spontan als Erstes, wenn euch die EU in den Sinn kommt? Ich gehe davon aus, dass es die Reisefreiheit ist.  Das Thema Grenzkontrollen wurden dagegen stets von den Extrempolen aufgegriffen: Die Linken wollen sie am liebsten weltweit ganz beseitigen, die Rechten würden ohne zu zögern einen Zaun um das Land errichten. Die Ideologisierung dieses Themas, sie hat die Grenzkontrolle zu einem Schreckgespenst gemacht.

Man hält sich an die Regeln

„Deutschland macht seine Grenzen dicht“, titelte es fett auf den Boulevardblättern Anfang dieser Woche. Nachdem das Dublin-Verfahren an sein Limit gestoßen ist, droht auch Schengen in die Geschichtsbücher verbannt zu werden. Jenes Abkommen, der die Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen abgeschafft hatte. Andere Staaten wie Österreich, Ungarn und Tschechien wollen nachziehen. Kritiker sehen nun die Reisefreiheit bedroht. Doch Berlin entgegnet. Man halte sich an die Rahmenbedingungen von Schengen.

Grenzkontrollen sinnvoll

Grenzkontrollen sind im Schengen-Abkommen nicht gänzlich abgeschafft und erlauben sie sogar in Ausnahmefällen. Sollte die Innere Sicherheit eines EU-Landes bedroht sein, darf das Mitgliedsland entsprechende Maßnahmen einführen. Dass die Grenze zwischen Deutschland und Österreich wie in Ungarn zu ist, ist falsch. Flüchtlinge werden weiterhin aufgenommen und nicht zurückgeschickt. Wenn man sich die Ereignisse der letzten Tage anschaut, sind Grenzkontrollen sogar sinnvoll. Zahlreiche Schlepper konnten verhaftet werden. Die Flüchtlingsbewegung kann nun kontrollierter ablaufen. Soll man die Grenzkontrollen allen Ernstes auf die EU-Außengrenzen verlagern und Ländern wie Griechenland, Italien und Ungarn die Schlepperbekämpfung anvertrauen? Die 71 verzweifelten Seelen auf der A4 und die Tausenden Ertrunkenen im Mittelmeer haben uns das Gegenteil vermittelt.

Es zeugt von einer gewissen Heuchelei, wenn die Öffentlichkeit den Tod von Flüchtlingen bedauert und gleichzeitig Grenzkontrollen ablehnt. Man wird den Eindruck nicht los, dass egoistische Motive – etwa die eigene Reisefreiheit – mehr wiegen als das Wohl der Flüchtlinge. Selbstverständlich können die Routen nun verlagert und Schutzsuchende abhängiger von Schleppern werden. Doch Kontrollen an den Binnengrenzen zeigen, dass das Aufgreifen von Schleppern effektiver und ergebnisbringender ist, als sie lediglich an den Außengrenzen zu kontrollieren und ungehindert weiterfahren zu lassen.

Grenzkontrollen sollten daher nicht verteufelt, sondern als pragmatische Lösung für eine große Herausforderung angesehen werden. Schengen ist stark genug, um das zu bestehen.

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