"Es gibt auch Clever-Fairtrade-Produkte"

08. Juni 2021

Fairtrade-Pressesprecher Peter Ehrenberger über Kinderausbeutung in Entwicklungsländern, Kaffeeverbrauch in Pandemiezeiten und wie man zum „Fairtrade“-Zertifikat kommen kann.


 

Wie beeinflusste die Corona-Krise die Unternehmen, mit denen Sie sich beschäftigen?

Die Menschen waren zu Hause und haben selber gekocht. Bei der Lebensmittelauswahl beim Einkauf hat man viel auf Fairtrade geachtet. Wir waren selber ein bisschen überrascht, dass das geschätzte Umsatzwachstum so groß war (11% höher als im Vorjahr), aber es hat sich beispielweiße bei Kaffee mit plus 10,5 Prozent gezeigt. Normalerweise werden 27 Prozent der Heißgetränke, allen voran Kaffee in Restaurants, Cafés, Kantinen etc. konsumiert wird. Wegen den Lockdowns waren es im Vorjahr nur 18 Prozent und trotzdem gab es ein Wachstum bei Kaffee. Ein Kaufkriterium war dabei sicher auch der Bio-Anteil. Beim Kaffee ist dieser sehr hoch – über 70%. Bei Bannen reden wir von fast 100 Prozent Bioanteil und einen Marktanteil von 28%, das bedeutet, dass mehr als jede vierte Banane im Supermarkt Fairtrade ist.

Ist die Nachfrage in der Corona-Zeit gestiegen? Auf welche Produkte? Worin liegt der Grund?

Es gab 2020 bei allen wichtigen Fairtrade-Rohstoffen ein Wachstum. Wir haben eine Umfrage vom Gallup Institut durchführen lassen. Wir wollten wissen, wie viele Menschen Fairtrade kennen, wie viele Leute die Produkte als nachhaltig empfinden. Es wurde gezeigt, dass 93% der ÖsterreicherInnen das Fairtrade-Siegel kennen und 3 von 4 Befragten Wert darauf legen, dass Produkte fair gehandelt wurden. Es ist ein Riesenpotenzial und wir hoffen, dass es so weiter geht.

Also sind der Großteil Ihren Produkten Bio, oder?

Es kommt auf den Rohstoff an. Bei Bananen sind 94% Bio. Bei Kaffee sind es mehr als 70% und bei Baumwolle über 60%. Es gibt auch Produkte, wo der Bio—Anteil sehr gering ist. Zum Beispiel, bei Rosen es gibt momentan gar keine Fairtrade-Bio-Rosen. Es sind zu viele Spritzmittel im Einsatz. Bei Kakao ist der Bio-Anteil relativ gering. Der Großteil des Fairtrade-Kakao kommt aus Westafrika und da gibt es wenig Bio-Kakao momentan. Das ist alles eigentlich Industrie-Kakao und da versuchen wir Schritte in diese Richtung zu setzen und Anreize zu schaffen. Wir von Fairtrade subventionieren den Bio-Anbau mit einer eigenen Prämie. Unsere Hauptzielsetzung ist es aber die Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern.

Bio-Produkte sind teurer und deswegen für viele nicht leistbar. Wie wollen Sie „Fairtrade“ für noch mehr Menschen zugänglich machen?

Bio Produkte sind nicht mehr so teuer. Man denkt, dass wenn es Fairtrade ist, dann ist es automatisch teurer. Aber wenn man sich Bananen Preise anschaut, dann sprechen wir von einem niedrigen Centbereich. Fairtrade Bananen sind um 3 oder 4 Cent teurer als normale. Das kann man sich schon leisten. Es gibt auch Clever-Schokolade, die mit Fairtrade-Kakao hergestellt wird. Fairtrade-Produkte gibt es heute in allen Preisklassen, nicht nur im teuren Segement, dass sich privilegiertere, reichere Menschen leisten können. 

In den Entwicklungsländern werden die Kinder oft ausgebeutet. Sehen Sie eine Lösung, wie man die Lage verbessern könnte? Welche Maßnahmen unternehmen Sie, um das Problem zu lösen?

Was natürlich nicht verhandelbar ist die ausbeuterische Kinderarbeit, Diskriminierung gegenüber Geschlechte, Religionen, Zwangsarbeit aller Arten (nicht nur Kinder- sondern auch moderne Sklavenarbeit). Die sind Dinge, die nicht diskutabel sind. Ein Beispiel dafür ist Westafrika und Kinderarbeit. Es gibt eine unabhängige Studie, die besagt: 2,5 Millionen Kinder arbeiten im Kakaoanbausektor. Das zeigt, dass es ein Problem im System ist. Es ist wichtig ein Bewusstsein zu schaffen in den Dörfern, in den Communities. Es wird aber bei Fairtrade auch von einer unabhängigen Kontrollstelle überprüft, die schaut, dass es keine Übertretungen gibt. Diese Kontrollstelle heißt Flocert und kontrolliert regelmäßig viele Dinge, darunter die Buchhaltung und auch die Arbeitsbedingungen sowie ob eh keine Kinder arbeiten müssen. Es wird von Fairtrade eine zusätzliche Prämie bezahlt. Die Bauerngemeinschaften bestimmen, wofür diese verwendet wird. Es muss aber kontrolliert werden, dass man die Angaben, die hinsichtlich der Verwendung gemacht werden, auch korrekt sind. In den Dörfern, wo man isoliert ist, braucht man einen Lehrer vor Ort und eine Schule. Es ist oft ein logistisches Problem. Wenn es Regenzeit ist und wenn ein Dorf abgeschottet ist, wenn die Schule nicht direkt erreichbar ist (10 Minuten Gehweg), dann gehen die Kinder nicht in die Schule. Fairtrade-Kooperativen investieren daher sehr viel in die Bildung sowie in die Gesundheitsinfrastruktur.

Was ist Ihrer Meinung nach das Schwierigste für Unternehmer, um die Qualitätsstandards einzuhalten? Womit haben die Unternehmen meistens Probleme?

Derzeit gibt es viele Probleme wegen Corona. Die Logistik gehört auch dazu. Was Bananen zum Beispiel betrifft, muss man sie nach der Ernte waschen und und in Kisten verpacken. Da war es natürlich ein Problem Abstände einzuhalten und die nötige Schutzausrüstung wie Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen.

In welchem Bereich sind viele Frauen tätig?

Beispielsweise auf den Fairtrade-Blumenplantagen.

Welche Ansprüche werden den Unternehmen erhoben, damit sie eine Lizenz bekommen bzw. damit Sie mit Ihnen zusammenarbeiten könnten?

Tatsächlich kann jedes Unternehmen mit uns zusammen arbeiten. Wir machen keinen Unterschied. Wir zertifizieren nie Unternehmen, immer nur einzelne Produkte bzw. Rohstoffe darin. Die Firma muss z.B. kommen und sagen: „Wir wollen z.B. Kakao oder Tee. Wir hätten gerne diese oder jene Menge“. Und dann setzt man sich zusammen und schaut, nach welcher Menge gefragt wird, woher sie kommen soll, wer das liefern kann. UnternehmerInnen zahlen dann eine Fairtrade-Lizenzgebühr.

Welche Fairtrade-Produkte (Top-5) werden auf dem österreichischen Markt am erfolgreichsten verkauft?

Es ist auf jeden Fall Kaffee. Das war im Vorjahr direkte Annahme von den Produzenten von ca. 20 Millionen Dollar. Sehr wichtig sind auch Bananen und Kakaobonnen. Dann kommen die Rosen.

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